Pressestimmen: Russen werden ihr Leben nicht für Putin opfern

Zeitungen sollen verstärkt unterstützt werden
Wie die internationale Presse den Einmarsch Russlands in der Ukraine beurteilt und kommentiert.

Zum russischen Einmarsch in die Ukraine schreibt die national-konservative lettische Tageszeitung Neatkariga Rita Avize am Montag:

"Die Sowjetunion konnte halb Europa erobern, weil die Kommunistische Partei eine altruistische Ideologie verfolgte, mit der eine gerechtere Gesellschaft geschaffen werden sollte und an die viele Menschen glaubten. Sie glaubten bereit zu sein, für diese Ideologie ihr Leben zu opfern. Heute, im Jahr 2022, hat Wladimir Putin keine solche gesellschaftsverbindende Ideologie, für die jeder bereit ist zu sterben oder lebenslang verkrüppelt zu werden. Folglich wird der obsessive Wunsch dieses einen Diktators, die verlorenen Gebiete des Sowjetimperiums mit der Waffe in der Hand zurückzuerobern, auf den Widerwillen der Mehrheit des russischen Volkes stoßen, ihr Leben für eine solche Sache zu opfern."

Die linksgerichtete Zeitung Pravo aus Tschechien äußert sich am Montag skeptisch zum polnischen Vorschlag eines Nato-Friedeneinsatzes in der Ukraine:

"Solange die Raketen noch fliegen, die Bomben fallen und die Panzer schießen, kommt der ukrainischen Armee die zentrale Rolle zu. Ein Einsatz der Nato, selbst wenn er als Friedensmission bezeichnet würde, könnte zum Auslöser des Dritten Weltkriegs werden. Und wer von uns weiß schon, ob der fanatisierte russische Präsident Wladimir Putin nicht doch den Atomknopf drücken würde? Zwar kann die Nato auch keine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten, aber die Ukraine kann ihre staatliche Souveränität selbst verteidigen. Dafür muss sie weiter Waffen, Systeme und Geld bekommen - einfach alles, was nötig ist. Denn die Hauptstadt Europas ist in diesen Tagen Kiew."

Zur Gefahr einer Hungersnot und dadurch ausgelöste weitere Konflikte infolge des Ukraine-Kriegs schreibt die ostfranzösische Tageszeitung Les Dernières Nouvelles d'Alsace am Montag:

"Das Gespenst der Hungersnot taucht im Zuge des Krieges in der Ukraine wieder auf, doch dieses Mal alarmiert ein Risiko ganz anderen Ausmaßes die Vereinten Nationen und deren Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation. (...) In der Ukraine selbst haben zehn Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, die Heimat und die Wirtschaft des viertgrößten Weizenexporteurs der Welt ist nachhaltig gestört. Russland, der größte Exporteur von Weizen, ist das Ziel von Sanktionen. Der Verkehr am Schwarzen Meer ist gestört. Viele Länder sind jedoch von den Kornkammern Russlands und der Ukraine abhängig. (...)

Hier in Frankreich und Europa besteht die Gefahr eines starken Preisanstiegs, anderswo, in zahlreichen Ländern werden die Vorräte in Monaten gezählt und es droht eine Nahrungsmittelkrise einschließlich ihrer sozialen Folgen. Europa könnte an dieser Front eine wichtige Rolle spielen, um Nachbeben des Ukraine-Konflikts auf der anderen Seite des Mittelmeers oder weiter entfernt zu verhindern."

Die spanische Zeitung El País kommentiert am Montag die Bedeutung einer glaubwürdigen Verteidigungsfähigkeit der EU:

"Die Bedrohung der europäischen Sicherheit durch die russische Aggression unterstreicht die Notwendigkeit, die Verteidigungsstrukturen der EU zu stärken. Neben der Bekräftigung der transatlantischen Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen EU und Nato als grundlegende Elemente für die Sicherheit der Europäer haben die EU-Staats- und Regierungschefs auch die Bedeutung der europäischen Beistandsklausel als Ausdruck der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bekräftigt. Dies ist eine weitere Garantie dafür, dass die Union in der Lage ist, alles Erforderliche zu tun, um ihre Bürgerinnen und Bürger sowie die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten besser zu schützen.

Kurz gesagt, die Aggression gegen die Ukraine ermöglicht bei der militärischen Verteidigung eine Neuformulierung des “whatever it takes„, das die Europäische Zentralbank im schwersten Augenblick der Finanzkrise verwendet hat, um den Euro zu verteidigen. Damals hat das funktioniert. Jetzt kommt es darauf an, dass die EU auch ihre Wehrhaftigkeit durch effektive Anstrengungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung ebenso glaubwürdig unter Beweis stellt."

Die liberale Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny aus Tschechien sieht China am Montag als möglichen Vermittler im Ukraine-Krieg:

"Um einen Ausweg aus einem derart schweren Konflikt wie dem Krieg in der Ukraine zu finden, braucht man einen Vermittler. China erfüllt eine Reihe von Voraussetzungen. Peking ist die russische Invasion unangenehm, denn sie bedroht Chinas Vision einer multipolaren Welt, in der es selbst die Rolle einer gutmütigen und Wohlstand bringenden Großmacht spielt. Die täglichen Bilder der Zerstörung aus der Ukraine bringen diese Kulisse zum Einsturz. China ist gezwungen, zwischen seiner Loyalität zu Russland und der Durchsetzung seiner eigenen Interessen zu lavieren. Denn die Ukraine sollte ein Knotenpunkt in Chinas neuer Seidenstraße sein, die Asien und Europa verbindet. Grundsätzlich waren für China langfristige Pläne immer wichtiger als kurzfristige Erfolge."

Zu Vergleichen des Ukraine-Kriegs mit dem Nationalsozialismus schreibt die liberale slowakische Tageszeitung Dennik N am Montag:

"Es lässt sich nicht übersehen, dass der russische Krieg in der Ukraine Kommentatoren, Politiker und auch gewöhnliche Menschen zu verschiedenen historischen Vergleichen inspiriert. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin beispielsweise vergleicht man mit Hitler, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij mit Winston Churchill. Das ist verlockend, sieht in den Medien oder auf Twitter gut aus, muss aber nicht immer zutreffend sein. (...)

Der Krieg verstärkt aber auch weniger sympathische und geradezu gefährliche Tendenzen zur Geschichtsumdeutung. In dieser Disziplin ist Russland führend. Die Invasion in der Ukraine wurde mit einer notwendigen “Entnazifizierung„ begründet, man sprach von einer Faschisten-Regierung und gar einem Genozid der russischsprachigen Bevölkerung. Und während des Krieges kam dann auch noch Putins Vergleich der Sanktionen gegen Russland mit antijüdischen Pogromen (...) und der Verfolgung von Russen mit jener der Juden im nationalsozialistischen Deutschland. So eine Verdrehung des Themas Holocaust ist ebenso ekelhaft wie dessen Leugnung.“

Die rechtsliberale dänische Tageszeitung Jyllands-Posten (Aarhus) kommentiert am Montag die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs:

"Wir befinden uns im Krieg mit Russland, im wirtschaftlichen Krieg, und wer geglaubt hat, dass dieser Krieg ausschließlich im feindlichen Lager geführt werden kann, der hat sich geirrt. Für Familien mit niedrigerem Haushaltseinkommen ist dieser Wirtschaftskrieg schmerzhaft, aber man sollte sich daran erinnern, dass der Energiepreisschock Monate vor der russischen Invasion in die Ukraine eingetreten ist und der Krieg die Entwicklung nur verstärkt hat. Die Erholung von der Corona-Pandemie wäre ohnehin teuer gewesen, nicht zuletzt in Form einer Inflation, die nun erschreckend hoch ist.

Die Ukraine wird mit Sicherheit über viele Jahre von internationalen Wirtschaftshilfen abhängig sein, um den Krieg und seine Zerstörung zu überwinden. Russland dagegen muss ökonomisch zusammenbrechen, was beinhaltet, dass sich Europa blitzschnell vollständig vom Import von fossilen Brennstoffen befreien muss. Um nicht zuletzt die militärische Kapazität dauerhaft zu stutzen, müssen die Sanktionen aufrechterhalten und am besten verschärft werden, bis der Tag kommt, an dem Russland eine echte Demokratie ist."

Die Londoner Times beschäftigt sich am Montag mit der Haltung der russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine-Krise:

"Jahrhundertelang war die russisch-orthodoxe Kirche die Verkörperung der russischen Identität und des russischen Nationalgefühls, indem sie die autokratische Herrschaft der Zaren aufrechterhielt und den Gehorsam aller Russen forderte. (...) Mit ihrer nationalistischen und konservativen Botschaft, die die Dekadenz westlicher Christen anprangert, ist die Kirchenhierarchie wieder zu einer Säule des russischen Staates geworden, indem sie traditionellen Gehorsam gegenüber irdischen Herrschern predigt.

Für Patriarch Kirill ist der Krieg in der Ukraine nicht nur eine heilige patriotische Sache; er ist Teil eines gigantischen Kampfes um die Wiederherstellung der kirchlichen Autorität in dem Land, das als Geburtsstätte des russischen Christentums verehrt wird. (...) Es ist nicht schwer, die Ähnlichkeiten mit der Denkweise von Wladimir Putin zu erkennen. Sein Nationalismus, sein sozialer Konservatismus und seine Vision der “Russki Mir„, der russischen Welt, die spirituelle Einheit und territoriale Expansion in weiten Teilen der ehemaligen Sowjetunion miteinander verbindet, ist dieselbe Vision, die jetzt von der Kirche verkündet wird."

Zur Aussetzung der gerade erst eingeführten Impfpflicht in Österreich schreibt die Tageszeitung Der Standard:

"Ist sie wieder zurück, die Verteilungsdiskussion aus dem Jahr 2015? Kreist Europa einmal mehr um die Frage, welche EU-Staaten wie viele Flüchtlinge aufnehmen sollen und wie das alles zentral geregelt werden kann? Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Schon geistert wieder die Forderung nach “verpflichtender Solidarität„ durch die Debatten.

Angesichts der Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die bereits in der EU angekommen sind oder noch erwartet werden, ist der Wunsch nach koordiniertem Vorgehen berechtigt. Dennoch sollte man dabei nicht einfach alten Wein in neue Schläuche füllen. Eine EU-Richtlinie, die nun zur Anwendung kommt, sieht keine Verteilung in Europa vor. Ukraine-Flüchtlinge können hingehen, wo sie wollen, und erhalten dort auch Zugang zum Arbeitsmarkt."

Die australische Zeitung The Age zieht am Montag einen Vergleich zwischen dem Konflikt in der Ukraine und der Situation in Myanmar nach dem Putsch:

"Ein mächtiges Militär, das gezielt Zivilisten angreift. Gegner eingesperrt, gefoltert und getötet. Dörfer zerstört und Städte umzingelt. Internetzugang und humanitäre Hilfen blockiert. Flüchtlinge fliehen über die Grenzen in alle Himmelsrichtungen. Das mag wie der Krieg in der Ukraine klingen, aber es ist auch die düstere Realität Myanmars unter einer gewalttätigen und repressiven Militärjunta, die seit einem Putsch im Februar letzten Jahres versucht, ihre Herrschaft durchzusetzen.

Während die russische Invasion in der Ukraine zu Recht die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen hat, ist die sich verschlechternde Situation in Myanmar weitgehend aus dem Blickfeld geraten. Angesichts der prompten, koordinierten internationalen Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine, einschließlich umfassender Sanktionen, intensiver Diplomatie, humanitärer Hilfe und - kontroverser - Waffentransfers, fragen sich einige in Myanmar verständlicherweise, warum die Militärjunta nicht mit etwas Ähnlichem konfrontiert wurde. Natürlich gibt es erhebliche Unterschiede zwischen beiden Krisen. (...) Aber in beiden Ländern haben unverantwortliche autoritäre Regimes volle militärische Gewalt eingesetzt, um politische Ziele zu erreichen, was der Zivilbevölkerung immenses Leid zugefügt hat."

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