Kardinal Marx zu Missbrauch: "Für manche Priester wäre es besser sie wären verheiratet"
"Für manche Priester wäre es besser, wenn sie verheiratet wären" - mit diesem Sager sorgt der deutsche Kardinal Reinhard Marx für Aufsehen. Damit reagiert der 68-Jährige auf die Missbrauchsvorwürfe gegen Priester in Deutschland und auch die Verwicklung des ehemaligen Papstes Benedikt XVI.
"Nach der Beauftragung des ersten Gutachtens blieb ein Erstaunen, ein Fragen, denn das war das erste Mal, dass so etwas gemacht wurde. Es war zu erwarten, dass das zweite Gutachten noch mal eine stärkere Wucht haben würde, weil es persönliche Verantwortung benennen sollte", so Marx.
Er spart auch nicht mit Kritik an der deutschen Kirche und ist der Meinung, dass es größere Veränderungen brauche.
Marx zeigt sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung auch selbstkritisch und vor allem kritisch gegenüber der Kirche in Deutschland. Auf die Frage, ob man nicht ein zu großes Grundvertrauen in gewisse Priester hatte, selbst wenn sie Wiederholungstäter waren, sagt Marx: "Die Haltung bei Verantwortlichen in der Kirche war leider oft: Wir glauben einem Priester, wenn er sagt, da war nichts. Auch ich habe mir doch vor 20 bis 30 Jahren nicht vorstellen können, dass Missbrauch in dem Ausmaß bei Priestern passiert. Unvorstellbar. Natürlich kann man sagen: Ihr wart blind. Ich bin der Meinung, wir haben den Priesterstand schützen wollen."
Dass er noch heute von Betroffenen für mangelnde Empathie kritisiert wird, akzeptiert Marx: "Ich will nicht einfach behaupten, dass ich immer empathisch genug war. Es haben jene das Wort, die mich kritisieren. Das ist ihr gutes Recht."
Gleichgültigkeit vorgeworfen
Dass ihm jedoch Gleichgültigkeit von den Gutachtern vorgeworfen werde, wolle Marx so nicht stehen lassen: "Gleichgültig war ich nicht. Vor 2010 war ich vielleicht nicht immer achtsam genug. Aber danach hat es mich sehr umgetrieben. Hätte ich mehr tun können, hätte ich mehr den Betroffenen-Blick haben können? Ja. Vor allem nach meiner ersten Begegnung mit Opfern 2010. Insofern nehme ich die Kritik an, die Betroffene äußern."
Viele Kritiker und selbst Personen aus der Kirche fordern von Papst Benedikt eine Entschuldigung für die Vorkommnisse in Deutschland. Marx wolle über die Medien keine Forderung, sondern eine Bitte stellen: "Ich hoffe, er wird sich dazu so umfangreich äußern, wie er es angekündigt hat."
Dass die Missbrauchsfälle mit verhaltener Sexualität durch das Pflichtzölibat begründet werden können, meint Marx, dass man das nicht "pauschal sagen könne", Aber diese "Lebensform und dieses Männerbündische zeiehn auch Leute an, die nicht geeignet sind, die sexuell unreif sind".
Zölibat auflockern?
Marx plädiere dafür, dass man das Zölibat nicht abschaffen müsse, sondern lediglich die Pflicht dazu: "Es wäre besser für alle, die Möglichkeit für zölibatäre und verheiratete Priester zu schaffen. Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären. Diese Diskussionen müssen wir führen. Und einige werden sagen: Wenn wir den Pflichtzölibat nicht mehr haben, werden ja jetzt alle heiraten! Meine Antwort lautet: Und wenn schon! Wenn alle heiraten, wäre das doch erst recht ein Zeichen dafür, dass es so nicht gut funktioniert."
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