Aufregung um Falschaussage des Papstes: „Verstrickt in Lügengebilde“

Benedikt bittet, dass man für ihn betet
Benedikt XVI. gab im Zusammenhang der Missbrauchsaffäre zu, aus „Versehen“ eine falsche Aussage getätigt zu haben.

Als langjähriger Präfekt der Glaubenskongregation war der damalige Kardinal Joseph Ratzinger zwischen 1982 bis zu seiner Wahl zum Papst 2005 oberster Hüter der reinen katholischen Lehre – auf dass sich keine falsche einschleiche. Doch jetzt, nach dem Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der Diözese München und Freising, der der Bayer zwischen 1977 und 1982 vorstand, nahm er es mit der Wahrhaftigkeit nicht ganz so ernst. Nach anfänglichem Leugnen der Tatsache, dass er an einer heiklen Sitzung 1980 teilgenommen habe, musste er nun zurückrudern: In einer Stellungnahme ließ der heute 94-Jährige wissen, dass er aus „Versehen“ eine Falschaussage getätigt habe. Das tue ihm „sehr leid“ und er bittet, „diesen Fehler zu entschuldigen“.

Teilen der katholischen Kirche ist dieses Mea Culpa des 2013 zurückgetretenen Papstes zu wenig. So zeigte sich etwa der Sprecher der deutschen Opferinitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, enttäuscht. Papst Benedikt habe sich ja nur dafür entschuldigt, eine falsche Angabe zu einer Sitzung gemacht zu haben, „entschuldigen müsste er sich aber eigentlich für den ganzen Vorgang, denn er ist mit dafür verantwortlich, dass dieser Priestertäter anschließend jahrzehntelang Kinder im Bistum gefährden konnte“.

500 Missbrauchsfälle

Konkret ging es bei dieser inkriminierten Sitzung um einen Geistlichen, der mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auffällig geworden war. Dennoch wurde dieser Priester danach wieder im Bistum eingesetzt und missbrauchte erneut Heranwachsende. Das und vieles mehr erbrachte ein Gutachten der Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl (WSW) im Auftrag der Diözese. Laut diesem wurden in dem Bistum zwischen 1945 und 2019 mindestens 497 Kinder und Jugendliche von 235 mutmaßlichen Tätern, darunter 173 Priester und neun Diakone, missbraucht. Die Dunkelziffer, heißt es in dem Bericht, liege wohl viel höher.

Der ehemalige Münchner Erzbischof, argumentiert Matthias Katsch, bestätige mit seinem Verhalten das Muster der katholischen Kirche, immer nur das zuzugeben, was sich nicht mehr bestreiten lasse. Und weiter: „Damit trägt er dazu bei, dass man wirklich das Gefühl hat, man kann ihnen nichts glauben.“ Viel besser wäre es gewesen, die Größe zu haben, Fehler zuzugeben und um Verzeihung zu bitten.

Aufregung um Falschaussage des Papstes: „Verstrickt in Lügengebilde“

Matthias Katsch von der deutschen Opferinitiative "Eckiger Tisch"

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller geht noch einen Schritt weiter. Er wirft dem Papst vor, weiterhin die Unwahrheit zu sagen, weil er bestreite, etwas über die Vorgeschichte des pädophilen Priesters gewusst zu haben: „Joseph Ratzinger verstrickt sich immer mehr in seine Lügengebilde und wird auch ... den irreparablen persönlichen Schaden für sich und sein Lebenswerk nicht mehr beseitigen können. Er beschädigt damit dauerhaft das Papstamt und damit die katholische Kirche.“

„Desaströses Verhalten“

Bereits vor der jüngsten Wendung in der Causa hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, deutliche Worte gefunden und von einem „desaströsen Verhalten“ gesprochen, auch von Spitzen der Kirche: „Verdeckt und vertuscht wurde lange genug, jetzt ist die Zeit der Wahrheit.“

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: Georg Bätzing

Und die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hatte die „Verwobenheit der verschiedenen Mitwirkenden zum Erhalt eines geschlossenen kirchlichen Machtsystems“ angeprangert. „Statt Empathie für die einzelnen Missbrauchsbetroffenen zu zeigen, ging es immer zuerst um den Schutz des klerikalen Systems.“

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