Hagia Sophia: Erstes islamisches Gebet nach Umwandlung in Moschee

TURKEY-POLITICS-RELIGION-HERITAGE-HAGIASOPHIA
Hunderte Menschen wollten dabei sein, wenn wieder in dem umstrittenen Gebäude gebetet wird. Große Mehrheit hinter Erdogans Entscheidung.

In der Hagia Sophia in Istanbul ist am Freitag das erste Gebet seit der Rückumwandlung der ursprünglichen Kirche von einem Museum in eine Moschee abgehalten worden. Hunderte Gläubige nahmen an der Zeremonie im Beisein des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan teil.

 

Das erste Freitagsgebet seit der Umwandlung der ursprünglichen Kirche und des ehemaligen Museums in eine Moschee begann mit Gebetsrufen von den Minaretten der Hagia Sophia. Neben Erdogan waren weitere hochrangige türkische Politiker nach Istanbul gekommen. Erdogan selbst zitierte einige Koranverse.

Die Hagia Sophia ist wieder eine Moschee

Vor dem historischen Kuppelbau versammelten sich tausende Gläubige, einige hatten bereits die Nacht vor der Moschee verbracht. Wegen der Corona-Pandemie durften nicht mehr als tausend Gläubige die Moschee betreten. Die ersten Gläubigen wurden ab 10.00 Uhr türkischer Zeit in das historische Bauwerk gelassen.

TURKEY-POLITICS-RELIGION-HERITAGE-MOSQUE-MUSEUM

Erdogan in der Hagia Sophia mit dem Direktor für Religiöse Angelegenheiten, Ali Erbas (l), und Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy (r)

Präsident Erdogan saß bereits vor Beginn des eigentlichen Gebets in der Hagia Sophia und hörte der Predigt des Imams zu, wie Aufnahmen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zeigten. Der islamisch-konservative Präsident trug zwischenzeitlich eine Atemschutzmaske und befand sich in Begleitung einiger hoher Beamter.

Mehrere Hundert geladene Gäste versammelten sich in der Hagia Sophia. Erdogan und etliche seiner Minister knieten auf blauen Teppichen zu Beginn der Zeremonie, die die Rückgabe des Museums an die muslimischen Gläubigen markierte.

Zu Erdogans Entourage gehörte sein Schwiegersohn Berat Albayrak, der zugleich Finanzminister ist. Er machte wie viele andere Aufnahmen mit seinem Mobiltelefon. Durch das Meisterwerk der byzantinischen Baukunst hallten die Stimmen der in weiße Roben gekleideten Geistlichen, die den Koran rezitierten. Ein Bildnis der Mutter Gottes und Jesu, die auf die betenden Muslime herabgeblickt hätten, war mit weißem Stoff verhängt.

Hunderte Menschen hatten offenbar seit Donnerstagnacht - teils in Zelten - vor dem Gebäude gewartet, um an den Freitagsgebeten aus nächster Nähe teilnehmen zu können. Etliche Straßen wurden für den Verkehr gesperrt, 20.000 Polizisten sollen im Einsatz sein.

Rings um die Hagia Sophia drängten sich die Menschen an Kontrollposten. Ein großes Polizeiaufgebot sorgte für Sicherheit. Wer es durch die Sicherheitsschleusen geschafft hatte, ließ sich auf Matten vor der Hagia Sophia zum Gebet nieder. Dort waren ein großer Bildschirm und Lautsprecher aufgebaut, die die Geschehnisse aus dem Inneren übertrugen.

"Heute wird unsere seit 86 Jahren dauernde Sehnsucht gestillt", sagte ein Mann. "Dank unseres Präsidenten und der Gerichtsentscheidung werden wir heute unsere Freitagsgebete in der Hagia Sophia sprechen können."

Die Umwandlung der ehemaligen christlichen Kirche in eine muslimische Gebetsstätte stand schon länger auf der Agenda religiös-konservativer Kreise in der Türkei. Und die Sache ist durchaus mehrheitsfähig. In Umfragen sprachen sich rund 70 Prozent der Türken für diesen Schritt aus.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am 10. Juli die Umwandlung der früheren byzantinischen Kathedrale in eine Moschee angeordnet, nachdem das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei zuvor den jahrzehntelang geltenden Status des Gebäudes als Museum aufgehoben hatte. International hagelte es Kritik an dem Vorgehen, insbesondere vonseiten der orthodoxen, aber auch der katholischen Kirche, sowie der UNESCO, der EU und der USA.

"Trauertag für Christentum"

Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche Griechenlands sprach anlässlich des ersten muslimischen Gebets seit 1934 in dem Bauwerk von einem Trauertag. "Heute ist ein Tag der Trauer für das gesamte Christentum", sagte Erzbischof Hieronymos. Er bezeichnete die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee einen "unheiligen Akt der Schändung".

Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert zunächst als Basilika errichtet und war über Jahrhunderte die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und eine der wichtigsten Kirchen der Christenheit. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 wurde der Kuppelbau in eine Moschee umgewandelt. Nach der türkischen Republikgründung wurde sie 1934 zum Museum erklärt.

Die Umrüstung in ein Museum war eine zentrale Reform der modernen Republik unter der Führung des säkularen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Die Hagia Sophia ist UNESCO-Weltkulturerbe.

Kommentare