18-jähriger Salzburger gab Schüsse in München ab: "Blutbad verhindert"
Nahe dem NS-Dokumentationszentrum bzw. dem israelischen Generalkonsulat in der Münchner Innenstadt sind am Donnerstagvormittag mehrere Schüsse gefallen. "Im Bereich Karolinenplatz kam es zu Schussabgaben durch polizeiliche Einsatzkräfte auf eine verdächtige Person, die Person wurde hierbei getroffen", schrieb die Münchner Polizei am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst X. Hinweise auf weitere Verletzte gab es zunächst nicht.
Kurz nach 11 Uhr gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekannt, dass der Mann noch vor Ort seinen Verletzungen erlegen ist.
Täter war gebürtiger Salzburger mit bosnischen Wurzeln
Wie der KURIER erfuhr, soll es sich bei dem Verdächtigen um einen 18-jährigen Salzburger handeln. Er wurde in der Mozartstadt geboren, dürfte aber bosnische Wurzeln haben.
Zudem soll der Bursche in Österreich bereits polizeibekannt gewesen sein. Bereits im Vorjahr gab es offenbar ein Verfahren gegen ihn. Wegen Propaganda einer Terrororganisation. Ein Verfahren gegen ihn soll eingestellt worden sein.
Von der Staatsanwaltschaft Salzburg gab es auf KURIER-Anfrage nur diese Antwort: "Wir erteilen in diesem Fall aktuell keine Medienauskünfte. Zunächst gilt es die genauen Umstände zu klären", sagte Sprecherin Ricarda Eder.
Es gibt keine verletzten Polizisten
Der Verdächtige gab den Sicherheitsbehörden zufolge am Donnerstagmorgen gegen 9.00 Uhr mehrere Schüsse aus einer Langwaffe, bei der es sich um eine Repetierwaffe älteren Baujahrs handeln soll, ab. Die Beamten erwiderten demnach das Feuer. Fünf Polizisten seien an dem Schusswechsel mit dem Verdächtigen beteiligt gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Keine Einsatzkräfte seien verletzt worden.
Derweil veröffentlichte ein SZ-Journalist auf X ein kurzes Video, das vom Fenster einer Wohnung, die sich in der Nähe des Tatorts befindet, aufgenommen wurde. Darin zu hören sind Schüsse aus einer noch nicht identifizierbaren Waffe.
Wie das israelische Außenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, wurden keine Mitarbeiter des Generalkonsulats verletzt. In der diplomatischen Vertretung habe es gerade eine Gedenkfeier zum Olympia-Attentat in München 1972 gegeben, deshalb hatte es den Angaben zufolge geschlossen.
Erinnerungen an 1972 werden geweckt
Am 5. September vor 52 Jahren erschossen palästinensische Terroristen der Gruppe "Schwarzer September" während der Olympischen Sommerspiele in München im Olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln aus dem israelischen Olympia-Team. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und zwei Anführer der deutschen linksextremen Terrorgruppe "Rote Armee-Fraktion" (RAF), Andreas Baader und Ulrike Meinhof, freipressen.
Polizei appelliert: "Teilt keine Gerüchte"
Die Motive des Bewaffneten waren am Donnerstagvormittag noch unklar. "Wir erhalten Kommentare mit Spekulationen und Falschinformationen", schrieb die Polizei und appellierte zugleich: "Ihr könnt uns am meisten helfen, wenn ihr dies unterlasst und Gerüchte nicht teilt." Die Kollegen würden auf Hochtouren arbeiten. Sobald gesicherte Informationen vorlägen, würden diese mitgeteilt.
"Wir möchten darauf hinweisen, keine Bilder oder Videos von dem Einsatz zu posten oder im Netz zu teilen", hieß es auf X weiter. Es sei ein Upload-Portal eingerichtet worden (https://medienupload-portal02.polizei.bayern.de/), so könnten die Ermittler am besten unterstützt werden.
Gerhard Karner: "Blutbad konnte verhindert werden"
Im Rahmen einer Pressekonferenz am späten Donnerstagnachmittag in Wien, bei welcher der KURIER vor Ort war, äußerte sich auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zu dem Vorfall in München: "Entscheidend war hier ein rasches Einschreiten sowie die gute Ausrüstung der Streifenwägen. Es handelte sich um einen 18-jährigen Österreicher, in seinem Umfeld laufen Ermittlungen bereits auf Hochtouren. Wir kooperieren hier eng mit der deutschen Innenministern Nancy Faeser sowie mit dem bayrischen Innenministerium." Auch stellte Karner fest: "Ein Blutbad konnte verhindert werden."
Im Zuge dessen bekräftigte der Innenminister die Forderung nach einer Polizei-Überwachung von Messenger-Diensten, die in Zukunft auch in Österreich möglich sein müsse.
Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bestätigte Medienberichte, dass der 18-jährige Salzburger bosnische Wurzeln hatte- und dass es bereits Ermittlungen gegen den jungen Mann gegeben hätte und "einschlägige Tatbestände" bekannt gewesen wären. Und: Der Staatsschutz wurde auf den 18-Jährigen aufgrund von Inhalten auf seinem Handy aufmerksam.
Weitere Informationen könnten aufgrund von Ermittlungen und "akribische Polizeiarbeit" derzeit nicht herausgegeben werden, so Karner abschließend.
Die jüdische Gemeinde steht unter Schock
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "schwerwiegenden Vorfall". Man sei mit den Einsatzkräften in Kontakt, wolle aber nicht spekulieren. "Der Schutz israelischer Einrichtungen hat oberste Priorität", sagt Faeser während einer Pressekonferenz in Berlin. Der Vorfall ereignete sich am 52. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats der palästinensischen Extremistengruppe "Schwarzer September" auf das israelische Team. Es liege auf der Hand, dass es womöglich einen Zusammenhang geben könnte, sagte Herrmann. "All das muss jetzt von der Polizeiarbeit geklärt werden."
Die jüdische Gemeinde zeigt sich schockiert. "Auch uns erreichen die Nachrichten aus #München", schrieb der Zentralrat der Juden auf der Online-Plattform X. "Uns stockt der Atem. Bleiben Sie bitte sicher!" Das Generalkonsulat in München war nach Angaben des israelischen Außenministeriums wegen einer Gedenkfeier anlässlich des Jahrestags des Olympia-Attentats zum Zeitpunkt der Schüsse geschlossen. Niemand vom Personal sei bei dem Vorfall verletzt worden.
Das Attentat vom 5. September 1972 schockt die Welt und macht aus den heiteren Olympischen Sommerspielen von München ein tragisches Turnier. Morgens um 4.55 Uhr beginnt im Olympischen Dorf ein 18-stündiges Geiseldrama.
Acht palästinensische Terroristen der Organisation „Schwarzer September“ überfallen an dem Tag das Quartier der israelischen Mannschaft. Sie fordern die Freilassung von 200 in Israel inhaftierten Arabern. Zwei jüdische Sportler werden erschossen, neun weitere als Geiseln genommen. Bilder der maskierten Terroristen gehen um die Welt.
Um 22.22 Uhr geht es per Hubschrauber zum nahe gelegenen Flugplatz Fürstenfeldbruck, wo eine Befreiung seit Stunden vorbereitet wird. Um 22.35 Uhr inspizieren die Terroristen die für sie bereitgestellte Boeing 737. Als sie zu den Hubschraubern zurückgehen, kommt es zur Tragödie: Bei der Befreiungsaktion sterben alle neun Geiseln und ein Polizist im Kugelhagel. Auch fünf der acht Terroristen kommen ums Leben.
Nach einer Trauerfeier für die Opfer lässt IOC-Präsident Avery Brundage die Spiele mit dem Satz „The games must go on!“ (auf Deutsch: Die Spiele müssen weitergehen!) fortführen.
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