Innsbruck: ÖVP-Rebell Anzengruber neuer Bürgermeister

Menschen auf einer Treppe
Anzengruber setzte sich in Stichwahl gegen Willi (Grüne) durch. Willi will als Vize-Stadtchef in Politik bleiben. Anzengruber ließ noch offen, ob ÖVP-Kandidat Tursky Ressort im Stadtsenat erhält.

Bei mitunter stürmischem Wind aus Süden waren die 100.564 Innsbrucker am Sonntag - zwei Wochen nach der Gemeinderatswahl - erneut aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Diese Wetterlage leitet in der Tiroler Landeshauptstadt in der Regel meteorologische Umschwünge ein.

Tatsächlich hat die Wahl im Rathaus einen "wind of change" eingeleitet: Der bisherige  Bürgermeister Georg Willi (Grüne) kam auf 40,4 Prozent der Stimmen in der Stichwahl, sein bürgerlichen Herausforderer Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck) auf 59,6 Prozent.

Er ist somit neuer Stadtchef.

Innsbruck: ÖVP-Rebell Anzengruber neuer Bürgermeister

Johannes Anzengruber auf dem Weg ins Wahlzentrum

Ein enges Rennen

Die Ausgangslage: Willi erreichte im ersten Durchgang der Bürgermeister-Direktwahl - bei insgesamt 13 Kandidaten - mit 22,9 Prozent Platz eins. Der von der ÖVP abgespaltene Ex-Vize-Bürgermeister Anzengruber schaffte es mit 19,4 Prozent in die Stichwahl. Der Rückstand des 45-Jährigen betrug damit in Runde 1 rund 2.100 Stimmen.

Was Anzengruber nun sagt . . .

In einer ersten Reaktion beschrieb Johannes Anzengruber das Ergebnis als "überwältigend": "Es war ein phänomenaler Wahlkampf in den letzten Monaten. Es war beinhart. Aber die Innsbrucker Bevölkerung hat uns das Vertrauen geschenkt."

Er wolle nun "mit bestem Engagement, Gespür und Hausverstand und vor allem mit Herzblut" für die Innsbrucker da sein und die Stadt in eine "gute Zukunft führen", wie Anzengruber betonte. Der neue Stadtchef bedankt sich zudem beim abgewählten Bürgermeister Georg Willi "für den fairen und vor allem sachlichen Wahlkampf":  Beide hätten gezeigt, "dass wir die Klasse und Stärke haben, respektvoll und wertschätzend miteinander umzugehen".

Anzengruber will bereits am Montag beginnen, mit den stärksten Fraktionen Gespräche zu führen. Im Ö1-Morgenjournal am Montag gab er sich auch nach dem Wahlerfolg noch diplomatisch und erklärte, bezüglich einer Koalitionsbildung habe man noch "gar nichts ausgemacht". 

Auch, ob der ehemalige ÖVP-Kandidat und Ex-Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky, ein Ressort im Stadtsenat erhalten wird - die ÖVP hatte vor der Stichwahl eine Wahlempfehlung für Anzengruber abgegeben -, ließ der neu gewählte Bürgermeister offen. Eine Wahlempfehlung bedeute nicht, dass Tursky ein Ressort zustehe. Man habe sich noch nicht ausgetauscht, er freue sich aber auf das Gespräch, so Anzengruber. 

. . . und wie Willi reagiert

Georg Willi war indes unter den ersten Gratulanten: "Er hat es wirklich aus dem Stand heraus geschafft, zweitstärkste Fraktion zu werden und jetzt in der Stichwahl das Bürgermeisteramt zu erobern." Vor sechs Jahren habe er "das Glück und Momentum" auf seiner Seite gehabt, so Willi: "Dieses Mal er. Ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten."

Willi betont, dass die Grünen vor zwei Wochen zur stärksten Fraktion gewählt wurden. Daraus leite er auch den Anspruch ab, dass es den Grünen zustehe, "Teil dieser Stadtregierung zu sein." Auf Nachfrage, ob er weiter in Regierungsfunktion bleiben will: "Ich möchte das und möchte Vize-Bürgermeister sein."

Er gehe trotz der klaren Niederlage "mit Optimismus mit der stärksten Fraktion, und das sind die Grünen, in die nächste Periode", versicherte Willi. Er wolle mit Anzengruber "gut zusammenarbeiten". Aber Anzengruber sei derjenige, der die Koalitionsgespräche führen werde.

Stadtchef Willi hatte im Vorfeld der finalen Entscheidung damit gerechnet, dass es "arschknapp" wird. Bei seiner Stimmabgabe am Sonntag zeigte er sich- begleitet von Ehefrau Katharina - "vorsichtig optimistisch“. Die Anspannung sei groß, er würde jedenfalls „gerne Bürgermeister bleiben“.

2018 hatte der in wenigen Tagen 65 Jahre alt werdende Grüne ausgerechnet an seinem Geburtstag (6. Mai) sensationell die Stichwahl gegen die damalige Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer ("Für Innsbruck" und nun Teil der ÖVP-Allianz "Das neue Innsbruck") gewonnen. 

Das amtierende Stadtoberhaupt aus dem Amt zu hebeln - dieses Kunststück versuchte Johannes Anzengruber zu wiederholen. Wie schon in den Tagen vor der Entscheidung gab er sich auch bei seinem Urnengang im Stadtteil Arzl siegessicher: "Ich gehe davon aus, dass ich die Nase vorne habe."

In den Reihen des bei der ÖVP ausgestoßenen Bürgerlichen lautete die Rechnung: Ist die Wahlbeteiligung hoch, dann macht Anzengruber das Rennen.

Woher die Stimmen kommen könnten

Sein Team und er mussten darauf hoffen, Wählerinnen und Wähler aus dem Lager der anderen bürgerlichen Listen und vor allem der FPÖ zu mobilisieren. 

Während Willi eine Ressortzuteilung an einen freiheitlichen Stadtrat in dem nach Proporz zusammengesetzten Stadtsenat wie schon in den vergangenen sechs Jahren ablehnt, hielt sich Anzengruber diese Türe offen. Er wolle mit allen reden. Am deutlichsten in dieser Frage, wurde der ehemalige Almwirt zum Auftakt der Interviewduelle im KURIER. 

Eine nur noch theoretische Option

Die theoretische Option einer Mitte-Rechts-Koalition aus "JA - Jetzt Innsbruck", der FPÖ sowie des ÖVP-Bündnisses, das Anzengruber nicht als Spitzenkandidat haben wollte, und der bürgerlichen Liste Fritz erwies sich bereits kurz nach der Gemeinderatswahl als Illusion. 

Im KURIER ließ Andrea Haselwanter-Schneider, Chefin der einst ebenfalls als ÖVP-Abspaltung entstandenen Liste Fritz, wissen, dass man sicher nicht den "Steigbügelhalter" für die ÖVP machen werde.

Bereits vor der Stichwahl war damit ein Mitte-Links-Bündnis aus Grünen, Anzengrubers Liste und der SPÖ die wahrscheinlichste Koalitionsvariante. Willi hatte diese von ihm favorisierte Variante in Anspielung auf die Parteifarben - grün, weiß, rot - "Caprese"-Koalition getauft.

Wann das Ergebnis feststeht

Anzengruber wollte sich darauf noch nicht festlegen. Er verweigerte sich auch der Einladung von Willi zu Sondierungsgesprächen, die dieser mit allen Parteien außer der FPÖ geführt hat. Das sei letztlich Aufgabe des bei der Stichwahl gekürten Bürgermeisters.

Supra-parteiliche Feiergäste

Bei der Wahlparty von Sieger Johannes Anzengruber im Innsbrucker Treibhaus zeigten sich dann auch die Kontrahenten Elisabeth Mayr (SPÖ) und der geschlagene Gregor Willi. "Wir werden etwas Gutes tun", sagt Anzengruber vor seinen Anhängern. Ist das etwa die leise Andeutung einer zukünftigen Zusammenarbeit? 

Willi sah es als ein "sehr gutes Zeichen, dass wir alle miteinander da sind". Sie alle vereine die gleichen Ziele. Willi erinnerte auch an Anzengrubers Abwahl als Vizebürgermeister. "Aufstehen und weitermachen" sei entscheidend, lobte der unterlegene Willi. Mayr meinte, Innsbruck habe sich für etwas "Neues" entschieden und gratulierte dem Mitbewerber. Eine Mitte-Links-Koalition aus ebenjenen Parteien galt zuletzt als wahrscheinlich.

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und der Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Gregor Dornauer (SPÖ) feierte mit. Unter Applaus bat Anzengruber Willi und Mayr dann auch zu ihm auf die Bühne. "Wir machen kein Fraktionsfest, wir machen ein Volksfest", sagt Anzengruber. 

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