Bürgermeister-Stichwahl in Innsbruck: Der Ringer und der Chorknabe

Bürgermeister-Stichwahl in Innsbruck: Der Ringer und der Chorknabe
Georg Willi (Grüne) ist vor sechs Jahren ins Bürgermeisteramt geradelt. Sein bürgerlicher Herausforderer Johannes Anzengruber (JA) hat sich laufend ins Rennen gebracht.

Hemdsärmelig und tiefenentspannt ist Georg Willi vor sechs Jahren durch einen klassischen Straßenwahlkampf geradelt. „Wo ein Willi, da ein Radweg“, lautete einer der Slogans dabei. Am Ende ging er mit den Grünen, die auf Bundes- wie Landesebene in einer schweren Krise steckten, als Erster über die Ziellinie.

Dass er ausgerechnet an seinem 59. Geburtstag in einer Stichwahl auch noch – als erster Grüner überhaupt in einer Landeshauptstadt – das Bürgermeisteramt gegen die damalige Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (nunmehr „Das neue Innsbruck“) erobern konnte, krönte seinen persönlichen Triumph. Dieses Mal ist der inzwischen 64-Jährige der Gejagte in der Verteidigerposition.

Ein Erfolgslauf

Dicht auf den Fersen ist Willi der ehemalige ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, der sich von seiner alten Politheimat abgespalten hat und nun mit seiner neu gegründeten Liste „JA – Jetzt Innsbruck“ seine eigene Suppe kocht. Die hat den Wählern offenbar geschmeckt: Aus dem Stand wurden bei der Gemeinderatswahl acht von 40 Mandaten erobert.

Der 45-jährige ÖVP-Rebell selbst schaffte es außerdem nicht nur in die Bürgermeisterstichwahl, sondern ist hinter dem grünen Amtsinhaber in Schlagdistanz. Bei rund 100.000 Wahlberechtigten kam Anzengruber mit rund 2.000 Stimmen Abstand hinter Willi zu liegen.

Und seine Erfolgsgeschichte ist durchaus mit jener des grünen Stadtoberhaupts im Jahr 2018 zu vergleichen. Beide gingen als Außenseiter und mit relativ bescheidenen finanziellen Mitteln ins Rennen. Wo Willi radelte, joggte Anzengruber.

Er organisierte Lauftreffs mit Anhängern. Und in Reminiszenz an seine Zeit als langjähriger Wirt der städtischen Arzler Alm auf der Innsbrucker Nordkette wurden 2.500 Kaspressknödel nach Familienrezept, aber auch 5.000 Stück Kuchen und Schaumrollen unters Wahlvolk gebracht.

In dem beliebten Ausflugsgasthof legte Anzengruber auch den Grundstein seiner Politkarriere. Auf der Arzler Alm kehren Spaziergänger, Wanderer und Mountainbiker in Massen ein – und zwar aus allen Bevölkerungsschichten. Von der ÖVP 2018 bei der Gemeinderatswahl auf einen wenig Erfolg versprechenden Listenplatz gereiht, katapultierte sich der Quereinsteiger mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf selbst auf Platz eins.

Die Ausgangslage: 13 Bürgermeisterkandidaten stellten sich am 14. April der Wahl. Bei einer Beteiligung von 60,5 Prozent (100.564 Wahlberechtigte) entfielen die meisten Stimmen auf Amtsinhaber Georg Willi (13.543). Gegen ihn in die Stichwahl schaffte es mit den Stimmen von  11.455 Innsbruckern Johannes Anzengruber.

Die Entscheidung: Am kommenden Sonntag, 28. April, fällt die Entscheidung zwischen den beiden Kontrahenten. Beide sind sich einig, dass es sehr knapp zwischen ihnen ausgehen wird. Die Wahllokale schließen um 16 Uhr.

Keine Scheu vor Konflikt

Hier kommt neben der Komponente des leutseligen Almwirts die zweite Klischeeseite der Medaille Anzengruber ins Spiel, die ihn ausmacht. Die des Ex-Sportlers, auf die er selbst gerne in Erklärung seiner Persönlichkeit verweist. In seiner Jugend war der nach wie vor Drahtige Ringer – keine Angelegenheit für Zartbesaitete. Vielmehr ein körperbetonter Kampf Mann gegen Mann. Und den scheut Anzengruber auch politisch nicht.

Gegen Widerstände seiner Partei kämpfte er sich etwa auch ins Amt des Vize-Bürgermeisters. Und als die ÖVP-Führung lieber mit Ex-Staatssekretär Florian Tursky an der Spitze der bürgerlichen Allianz „Das neue Innsbruck“ kandidieren wollte, ging Anzengruber wieder einmal durch die Wand und mit seiner Abspaltung persönliches Risiko ein.

Von 290.000 Euro, die der ehrgeizige und dadurch mitunter etwas verkniffen wirkende Politiker für den Wahlkampf aufbrachte, kamen laut seinen Aussagen 270.000 Euro aus eigener Tasche – fast zur Gänze durch einen Kredit aufgebracht, für den auch Ehefrau Valentina bürgen musste.

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Familienunternehmen

Das Erfolgsprojekt Anzengruber ist auch sonst getragen von der Familie. „Sie gibt mir den größten Halt“, sagt Anzengruber. Vater und Mutter packten im Wahlkampf ebenfalls kräftig mit an. Dort wo die ÖVP Parteifunktionäre im Wahlkampf aufbot, hatte der Abtrünnige Funktionäre von Traditions- und Sportvereinen sowie Mitglieder von Einsatzorganisationen hinter sich und auf seiner Liste – wertvolle Multiplikatoren.

Ist es bei Anzengruber Ehefrau Valentina, die eine wichtige Rolle im Leben des Politikers spielt, ist es beim Bürgermeister Katharina Willi, die mit dem grünen Urgestein seit 33 Jahren verheiratet ist. Bei wichtigen Anlässen sieht man die beiden stets gemeinsam. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt Georg Willi zu dieser Partnerschaft.

Wichtige Reden gibt er zuerst seiner Frau zu lesen, bevor er sie hält. „Sie verhindert, dass ich im Politsprech unterwegs bin“, erklärt der Bürgermeister. Außerdem habe sie aus ihrem Beruf als Rezeptionistin eines Innsbrucker Hotels „eine sehr gute Menschenkenntnis“, von der er ebenfalls profitiere. „Ich finde ja prinzipiell mal jeden nett – bis zum Beweis des Gegenteils“, sagt Willi.

Und beschreibt damit indirekt auch jenes Image, das ihm eigentlich seit jeher anhaftet – jenes des Politikers, der grundsätzlich mit jedem kann. Das ist in einer Persönlichkeitswahl wie jener um das Bürgermeisteramt jedenfalls kein Startnachteil. Aber dieses Bild hat arg gelitten. Denn als Stadtoberhaupt ist Willi das Gesicht, das nach außen für den jahrelangen Streit im Gemeinderat steht – auch wenn er selbst nicht alleine dafür verantwortlich war.

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Berufsoptimismus

Seit 1989 in der Politik – vom Gemeinderat, über den Landtag bis zum Nationalrat in Mandatsfunktionen – ließ Willi sich davon aber nicht entmutigen. Er wirkte auch im Intensivwahlkampf wie der ewige Berufsoptimist, als den man ihn kannte. Die Erleichterung bei den Grünen, dass er es erneut in die Stichwahl geschafft hatte, war am 14. April spürbar. Dass er sogar auf Platz eins landete, damit hätten die wenigsten gerechnet.

Kraft zieht der Politiker aus der Musik. Auch als Bürgermeister blieb er seiner Passion als Sänger und Leiter eines Kirchenchors treu, absolvierte vielfach Auftritte. Den Takt im Gemeinderat vorzugeben, daran ist er, der als Kind bei den Wiltener Sängerknaben war, vielfach gescheitert. Und sieht die Schuld aber vor allem bei den von seinen Gegnern verursachten Misstönen. Am Sonntag wird sich zeigen, ob Willi weiter am städtischen Dirigentenpult stehen darf.

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