Zwei Tote bei Absturz eines Polizei-Helikopter: Die vertuschte Unfallursache
In Deutschlandsberg stürzt ein Polizei-Hubschrauber in den Ort. Offenbar wegen eines Pilotenfehlers. Seit zwölf Jahren wird dies geheim gehalten, sogar Ministeriumsdokumente wurden mutmaßlich frisiert
Der Pilot des Polizeihubschraubers hatte keine Chance. Der einzige überlebende Insasse berichtete von einem “plötzlich auftretenden Ereignis, verbunden mit akustischen Warnsignalen und gefolgt von metallischen Geräuschen“. Zeugen am Boden bemerkten “knallartige Geräusche“.
“Über dem bebauten Gebiet von Deutschlandsberg“ versuchte der Polizist eine Notlandung (Autorotation) einzuleiten. Doch er kollidierte mit einem Hausdach und „schlug etwa 10 m von diesem Haus entfernt (...) mit deutlicher Querlage nach rechts auf“.
Pilot Günther W., 39, war sofort tot, Polizist Anton H., 49, starb wenig später im Spital, ein weiterer Polizist überlebte mit schweren Verletzungen. Der Sachschaden betrug etwa fünf Millionen Euro.
Eine Verschlusssache
Was damals am 10. März 2009 im steirischen Deutschlandsberg genau passiert ist, ist bis heute eine Verschlusssache im Innen-und Verkehrsministerium. Der KURIER konnte erstmals Dokumente sichten, die eine schier unglaubliche Geschichte ergeben. Sie deuten darauf hin, dass die wahre Ursache (bis heute) vertuscht werden soll.
Die oben zitierten Passagen stammen aus dem Untersuchungsbericht, der im Verkehrsministerium erstellt worden ist. Er lässt wenig Zweifel daran, wie es zu dem Absturz gekommen ist. Denn „beide Kraftstoffpumpen“ wurden „an der Unfallstelle ausgeschaltet vorgefunden“. Dafür gibt es de facto nur eine Erklärung: Der Pilot hat die beiden Pumpen zuvor absichtlich ausgeschaltet und nicht mehr eingeschaltet.
Kein technisches Gebrechen möglich
Tatsächlich wollte er zuvor eine längere Zwischenlandung durchführen, entschied sich am Boden aber doch schneller wieder zu starten. Untermauert wird dies durch einen Probeflug, wie lange man ohne Kraftstoffpumpen fliegen könnte. Dieser Test ergab: Ohne sie geht es maximal 45 Minuten.
Der Hubschrauber stürzte nach einem intensiven Suchflug nach 32 Minuten ab. Ein technisches Gebrechen wird im Papier ausgeschlossen.
Sechs Tote wegen menschlichen Versagens und Leichtsinn, das wäre ein unglaublicher Imageverlust für die Flugpolizei gewesen.
Noch ein Unfall
Wie berichtet, wurde beim Achensee der Unfallbericht des Verkehrsministeriums, der den Pilotenfehler offenbart, ebenfalls geheim gehalten. Stattdessen wurden neue Unfallursachen von der Flugpolizei präsentiert – ein Vogelschlag oder ein epileptischer Anfall des Piloten durch Blendungen der Rotorblätter. Beides ist technisch unmöglich, wie man mittlerweile weiß.
Die Untersuchungsstelle des Verkehrsministeriums wurde damals jedenfalls von einem ehemaligen Kabinettsmitglied des Innenministeriums geleitet. Dieser beschäftigte dort eine bis heute dubiose Privatfirma, in der 6,3 Millionen Euro des Ministeriums unerklärlich verschwunden sind, wie der Rechnungshof feststellte. Diese Privatfirma soll auch Absturzberichte des Ministeriums frisiert haben, wurden immer wieder Anschuldigungen erhoben. Fest steht, dass es damals eine Art doppelte Buchführung mit zwei parallel laufenden Computersystemen gegeben hat.
Der zweite Bericht
Drei Mitarbeiter dieser Privatfirma übernahmen laut dem Papier die Aufgabe, einen neuen Deutschlandsberg-Bericht zu erstellen, der als offizieller Abschlussbericht an die Austro-Control, das Innenministerium und mehrere internationale Organisationen zu einer Stellungnahme ging.
Dieser zweite Bericht ist in weiten Teilen mit dem Erstbericht ident - allerdings wurden 13 Seiten eliminiert. Dies umfasst die gesamten Erkenntnisse und Beweise, die den Fehler des Piloten beschreiben. Alle Hinweise darauf sind verschwunden.
Stattdessen gab es eine neue Ursache für den Absturz: “Zu dem Flugunfall kam es mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Störung des (...) Kraftstoffsystems.“ Konkret bedeutet das, nun ist der Hersteller des Hubschraubers schuld. Also ein technisches Gebrechen.
Bis heute glauben viele im Innenministerium, dieser Bericht beschreibt die Ursache. Innenminister Wolfgang Peschorn bestätigte dies in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung der Neos. Der nicht manipulierte Bericht hingegen ist in einer Schublade im Verkehrsministerium verschwunden.
„Missstände“
Im Büro von Verkehrsministerin Leonore Gewessler heißt es: “Aufgrund der umfassenden Missstände in der später aufgelösten Bundesanstalt für Verkehr (BAV) kann die Entstehung und der Inhalt des Berichtsentwurfes nicht nachvollzogen werden.“ Man sehe den Bericht aber als noch nicht abgeschlossen an.
Die aktuelle Leiterin der Untersuchungstelle, Bettina Bogner, kündigt seit drei Jahren eine neue Untersuchung des Absturzes in Deutschlandsberg an, die bis heute nicht begonnen hat. Sie bewarb sich dafür zwischenzeitlich als Leiterin der Flugpolizei. Einer der drei Beteiligten an dem neuen Deutschlandsberg-Bericht arbeitet unbehelligt in ihrer Abteilung.
Das Innenministerium kündigte vor eineinhalb Jahren eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle an. Bis heute ist unklar, wer diese Prüfung durchführt. Anfragen dazu bleiben unbeantwortet.
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