Zum Wiehern: Streit um die echte Lipizzaner-Torte
„1850 trat Theresia Hauer in den elterliche Restaurantbetrieb ein und erfand eine grandiose saftige Reise-Torte und feinste weiße Nougat-Marzipan-Pralinen von unverwechselbarem Geschmack umhüllt von weisser Schokolade“ – so erzählt es Wolfgang Lehner zumindest auf seiner Homepage. Alles andere seien „plump gefälschte Plagiatsprodukte“, er habe sich schließlich alle Markenrechte gesichert. Die originale Torte gebe es deshalb nur in seinem Geschäft in der Wiener Innenstadt.
Bei der Spanischen Hofreitschule sieht man das hingegen ganz anders: „Lipizzaner ist ein Ausdruck wie Schäferhund, den kann man nicht schützen. Außerdem gehört die Hofreitschule erst seit 100 Jahren nicht mehr den Habsburgern, davor kann es also auch keine eigene Torte gegeben haben“, meint Anna Georgiades von der Wiener Hofreitschule. Es bestünden große Zweifel daran, dass es im Jahr 1850 bereits eine derartige Torte gegeben habe.
Eskaliert ist der Streit nach der Präsentation einer eigenen Lipizzaner-Torte der Hofreitschule im Rahmen des ersten Advents 2019. Prominente wie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner waren dabei, als die Süßigkeit in Anwesenheit von Geschäftsführerin Sonja Klima präsentiert und erstmals angeschnitten worden ist. Nicht dabei war der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig.
Lehner beziehungsweise dessen Firma Lecon erwirkten nach dem Fest eine gerichtliche einstweilige Verfügung gegen die Hofreitschule und die World of Gifts GesmbH, die diese Torte vertreiben wollte. Deren Geschäftsführerin Monika Plattner reagierte empört und sprach von „unseriöser Geschäftemacherei“. Deshalb wurde gegen die einstweilige Verfügung berufen.
Erfolg für Hofreitschule
Die Hofreitschule errang dabei kürzlich einen ersten Punktesieg in der Auseinandersetzung, die Verfügung wurde vor wenigen Tagen ausgesetzt. Ab heute, Sonntag, ist die Lipizzanertorte damit wieder im Sortiment und kann online (www.gifts-srs.at) erworben werden.
Plattner: „Wir hoffen, dass wir auch bald bei den Suchmaschinen an der ersten Stelle stehen. Eine echte Lipizzaner-Torte kann man natürlich auch nur bei der Hofreitschule erstehen.“ Hervorgehoben wird der „unvergleichliche Marzipanmandelgeschmack“. Wie sich die Torten genau unterscheiden, kann Plattner aber nicht sagen: „Ich habe die andere nicht probiert“.
Doch der Streit ist damit noch lange nicht zu Ende. Anfang April werden sich die beiden Streitparteien vor Gericht treffen, dann könnte es eine Entscheidung geben. Zumindest in der ersten Instanz.
Lehner zeigt sich optimistisch, er hätte sogar gegen die Aberkennung der einstweiligen Verfügung Rechtsmittel ergriffen, sein Anwalt sei aber leider am Coronavirus erkrankt. Er kann offenbar auf die Unterstützung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig setzen, der bei ihm laut sozialen Medien häufiger zu Gast ist – zur Verwunderung der Hofreitschule: „Der Bürgermeister hat bisher jede Einladung zu unseren Events nicht angenommen.“
Fronten verhärtet
Der Lecon-Geschäftsführer pocht jedenfalls auf seine Markenrechte, die er sich umfangreich im Jahr 1999 schützen habe lassen. Er lobt das „glutenfreie Rezept zu unserer Schokoladentorte mit vorzugsweise weisser Schokoladeglasur“. Aus seiner Sicht sei der Fall „ klar und eindeutig“, denn „die Schaffung von Produkten aus einer Pferderasse setzt eine schöpferische Leistung voraus“. Er spricht sogar von einer „Bösgläubigkeit der spanischen Hofreitschule“.
Seine Torte wäre zuletzt im Jahr 2006 von der Hofreitschule für Veranstaltungen bestellt worden. Lehner betont auch, dass die Lipizzaner nicht exklusiv der Hofreitschule gehören, denn diese Pferde gebe es schließlich auch in Slowenien, Italien, Bosnien-Herzegowina, Slowakei und Ungarn.
Doch ihm selbst könnte nun ebenfalls rechtlicher Ungemach drohen, die World of Gifts GmbH überlegt ihrerseits eine Klage. Somit könnte es Jahre dauern, bis die rechtliche Auseinandersetzung entschieden wird. Beide Seiten scheinen unversöhnlich, man will nicht einmal die Torte des Gegenübers probieren.
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