Österreicher für mehr Tierwohl, bezahlen wollen sie dafür aber nicht

Österreicher für mehr Tierwohl, bezahlen wollen sie dafür aber nicht
Die Konsumenten fordern höhere Normen bei der Haltung von Tieren. Mehr Geld wollen sie allerdings nicht ausgeben.

64,1 Kilogramm Fleisch und Geflügel isst der Österreicher oder die Österreicherin pro Jahr (Statistik Austria, 2018). 37,2 Kilo Schwein, 12,1 Kilo Rind- und Kalbfleisch, 12,9 Kilo Geflügel. Dabei ist den Konsumenten Tierwohl besonders wichtig – also zumindest theoretisch. Es rangiert laut einer Umfrage von Marktagent aus dem Jahr 2019 auf Platz drei gleich nach gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und hoher Qualität.

Spätestens an der Kassa zeigt sich aber eine andere Realität.

Laut einer Erhebung der Agrarmarkt Austria (AMA) sind 16 Prozent der 1504 Befragten gar nicht bereit, höhere Preise zu bezahlen, wenn die Standards in der Tierhaltung erhöht werden. „Diese Zahl kann man in jedem Fall verdoppeln, denn die wenigsten sagen, dass ihnen Tierwohl egal ist“, sagt Andreas Hermann vom AMA-Marketing im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung vom Forum Ernährung.

 

Österreicher für mehr Tierwohl, bezahlen wollen sie dafür aber nicht

Immerhin geben 55 Prozent der Befragten an, dass sie bereit seien, zumindest bis zu 25 Prozent mehr zu bezahlen – aber auch hier müsste man reduzieren, „schätzungsweise 15 bis 20 Prozent “ seien es dann tatsächlich. Fünf Prozent können sich vorstellen, doppelt so tief in die Tasche zu greifen wie bisher. „Das ist eine sehr schmale Konsumentenschicht, die bereit ist, hier wesentlich mehr zu zahlen“, sagt der Experte. Das muss man derzeit schon, wenn man anstelle von konventionellen Fleisch und Geflügel bio kauft. Bei Schwein zahlt man manchmal sogar das Dreifache. Bei biologischer Produktion gelten die höchsten Haltungsstandards.

Minderheitenprogramm

Auch die Zahlen spiegeln wider, dass beim Fleisch nur ein sehr geringer Anteil der Konsumenten zu Bioprodukten greift: nur 2,7 Prozent der verkauften Ware war es laut AMA-Marketing im Jahr 2018.

Das Tierschutzgesetz in Österreich wird oft als das „beste“ Europas bezeichnet. Ulrich Herzog vom Bundesministerium für Konsumentenschutz dementiert das im Rahmen der Diskussionsveranstaltung: „Wir haben nicht das beste und das mit den höchsten Standards, was aber tatsächlich Faktum ist: wir haben das umfassendeste Gesetz.“ Es reiche vom Fisch bis zum Wildtier, vom Gnadenhof über die Tierhandlung bis zum Zuchtbetrieb. Wenn man hier bei den Normen nachziehen würde, würden viele Betriebe sagen, sie würden nicht mehr produzieren: Weil sie die Anforderungen nicht erfüllen könnten. „Da wir ein Teil der EU sind, geht es aber auch darum, die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.“

Österreicher für mehr Tierwohl, bezahlen wollen sie dafür aber nicht

Beim Mediendialog des Forum Ernährung Heute kamen unter anderem Andreas Hermann vom AMA-Marketing (2. v. re.) und Ulrich Herzog vom Bundesministerium für Konsumentenschutz (2. v. li.).

Wettbewerb

Außerdem betont er, dass es bei den gesetzlichen Bestimmungen zwischen den Tierarten große Unterschiede gebe. Bei Schweinen ist das österreichische Tierschutzgesetz stark am EU-Recht orientiert und gehe nicht viel weiter. Hier sei auch der Wettbewerbsdruck sehr groß. Beim Rind seien die Bundesgesetze und Verordnungen weitreichender, als im Europarecht. Und mit dem Verbot der Käfighaltung am Eiersektor sei man überhaupt Vorreiter gewesen.

Generell erwarten die Experten, dass dem Thema Tierwohl vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 in der EU eine größere Bedeutung zukommen wird, wenn Deutschland die Ratspräsidentschaft übernimmt. Denn die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellt das Thema ganz nach oben.

Andreas Hermann kommt zur Conclusio, dass es bei der Erhöhung der Standards für die Tierhaltung einen Mehrerlös für die Produzenten geben muss. Und wer zahlt am Ende für das Tierwohl? – diese Frage beantwortet er damit, dass es notwendig sei „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu haben“. Sobald die Nachfrage steigt, wird auch das Angebot und die Produktion steigen.

Solange die Konsumenten sich vor dem Regal erst für Billigfleisch entscheiden, unabhängig von den Haltungsbedingungen , wird sich also für die Tiere wenig ändern.

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