Faktencheck: Was es bringt, weniger Fleisch zu essen

Veganes Essen
Ist ein Veggieday wirklich sinnvoll? Und was würde es bringen, wenn alle Österreicher den Fleischkonsum reduzieren?

Rund 96 Kilogramm Fleisch isst der durchschnittliche Österreicher im Jahr. Das sagen zumindest die Zahlen der Austria Marketing Agentur, kurz AMA, für das Jahr 2018. Daran können auch Meldungen über die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums nicht ändern, etwa die Probleme der Massentierhaltung und die Klimaschädlichkeit. Wer kein Fleisch isst, lebt umweltbewusster, heißt es. 

Was der Umstieg auf eine vegetarische Ernährungsweise tatsächlich bringt, das hat jetzt das deutsche Umweltbundesamt  untersucht und dazu einen Faktencheck gemacht. Österreichische Forscher gehen der Frage nach, was es bringt, wenn jeder den Fleischkonsum etwas drosselt.

Faktencheck: Was es bringt, weniger Fleisch zu essen

Nur 2 Prozent der Österreicher sind Vegetarier

Der Faktencheck:

Behauptung: Vegetarier ernähren sich klimabewusst

Bewertung: Stimmt nur teilweise, denn auch manch fleischloses Produkt verursacht hohe Treibhausgas-Emissionen.

Fakten: Die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch verursacht im Schnitt mehr als 15 Kilogramm Treibhausgas-Emissionen, bei Obst oder Gemüse sind es laut deutschem Umweltbundesamt (Uba) weniger als ein Kilogramm. Wer weniger Fleisch isst, spart also erst einmal Emissionen. Hinzu kommt, dass der Futtermittelanbau - etwa von Soja in Südamerika - viel Fläche benötigt, für die zum Teil wertvoller Regenwald abgeholzt wird. Die Regenwälder der Erde stabilisieren als gigantische CO2-Speicher unser Klima.

Doch mit weniger Fleisch essen allein ist es nicht getan. Entscheidend sei die Reduzierung tierischer Lebensmittel insgesamt, erklärt Michael Bilharz vom UBA. Denn auch Milchprodukte, insbesondere Butter oder Käse, sorgen wegen der Rinderhaltung für hohe Treibhausgas-Emissionen: Laut Umweltgutachten 2012 des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung sind es bei der Herstellung von einem Kilogramm Butter bei konventioneller Tierhaltung 23,7 Kilogramm Treibhausgasemissionen und bei einem Kilo Käse 8,5 Kilo. Bilharz sagt deshalb: „Nur Fleisch durch Käse oder Sahne zu ersetzen, bringt für das Klima nichts.“

Die Fleischproduktion trägt aber nicht nur durch den Flächenverbrauch zum Klimawandel bei. Wiederkäuer wie Rinder stoßen Methangas aus - ein Treibhausgas, das wesentlich stärker auf das Klima wirkt als CO2.

Behauptung: Wer einmal pro Woche auf Fleisch verzichtet, bewirkt gar nichts

Bewertung: Zumindest nicht besonders viel.
Fakten: Würde ein Mensch ein Mal auf einen Hamburger mit 100-Gramm-Fleischlaibchen (2,11 Kilogramm Treibhausgase) verzichten und stattdessen Spaghetti mit Tomatensoße (0,63 Kilogramm) essen, ergäbe sich eine Ersparnis von 1,48 Kilogramm Emissionen. Würden einmal wöchentlich Spaghetti statt Burger auf den Tisch kommen, würde man im Jahr fast 77 Kilogramm Treibhausgase pro Person einsparen. Zum Vergleich: Der CO2-Fußabdruck pro Kopf und Jahr in Deutschland liegt bei 11,6 Tonnen. Experten zufolge müsste der Fleischkonsum insgesamt drastisch sinken, um die angepeilten Klimaziele zu erreichen.

Behauptung: Kinder können auf Fleisch verzichten

Bewertung: Das stimmt unter bestimmten Bedingungen.
Fakten: Der Nährstoffbedarf von Kindern und Jugendlichen kann durch eine „ausgewogene, pflanzenbetonte Ernährung überwiegend“ gedeckt werden, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Allerdings sei das Risiko einer Mangelernährung aufgrund des höheren Nährstoffbedarfs bei Heranwachsenden größer als bei Erwachsenen. Deshalb müsse man auf eine ausreichende Zufuhr der Nährstoffe besonders achten. Insgesamt setze eine vegetarische Ernährung im Kindesalter einen hohen Informationsstand der Eltern und Jugendlichen voraus, heißt es.
Wenn Kinder Fleisch essen, sei eine ausgewogene Ernährung einfacher, sagt auch UBA-Experte Bilharz. „Einfach das Fleisch weglassen und weiter wie bisher essen, geht nicht.“

 

Import von Soja und Palmöl

Ein Problem: Eine halbe Million Tonnen Soja und 157.000 Tonnen Palmöl werden jährlich vor allem aus Südamerika und Asien nach Österreich eingeführt. Würde man in Österreich weniger Fleisch erzeugen und auf dadurch den dadurch freiwerdenden Flächen Raps, Sonnenblumen und Soja geben, könnte man auf die Importe verzichten, erklären Wissenschafter in einer Studie des Österreichischen Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FIBL).

Martin Schlatzer und Thomas Lindenthal vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien erstellten für das FIBL verschiedene Szenarien, wie Österreich von Sojafuttermittelimporten aus Argentinien und Brasilien unabhängig werden, sowie die Einfuhr von Palmöl aus Indonesien und Malaysia reduzieren kann.

Abholzung von Tropenwäldern

Der Anbau verursacht in den Ursprungsländern Treibhausgasemissionen, die Abholzung von Tropenwäldern, Landraub, die Verdrängung von Kleinbauern und die Zerstörung des Lebensraums bedrohter Tierarten wie dem Sumatra-Tiger und von Orang-Utans.
Die Sojaimporte könnten sich die Österreicher vollständig ersparen, wenn sie um ein Fünftel weniger Fleisch essen, erklärte Schlatzer im Gespräch mit der APA. Der verringerte Futtermittelbedarf würde eine Ackerfläche von rund 197.000 Hektar freimachen, was der halben Fläche des Burgenlands entspricht. Baut man auf diesen Feldern Soja an, das auch hierzulande gut gedeiht, könnte man den Bedarf an Sojafuttermitteln vollständig aus heimischen Quellen decken. Auch für die Gesundheit der Österreicher wäre dies von Vorteil, denn gegenüber den Empfehlungen von Ernährungsexperten essen sie im Schnitt dreimal zu viel Fleisch.

Lebensmittelabfälle reduzieren

Palmölimporte für Lebensmittel und Kosmetika würden wiederum obsolet, wenn man die Lebensmittelabfälle um ein Fünftel reduziert. Damit könnte man 62.000 Hektar Ackerland einsparen, das ist die eineinhalbfache Fläche Wiens. Pflanzt man dort Sonnenblumen und Raps an, könnte man daraus mengenmäßig mehr Öl gewinnen, als man derzeit Palmöl für Lebensmittel und Kosmetika braucht. „In der Praxis kann man aber aus verfahrenstechnischen Gründen Palmöl in einzelnen Einsatzbereichen nicht oder nur schwer ersetzen, das betrifft aber nur einen geringen Teil von maximal dreizehn Prozent des gesamten Palmöl- und Palmkernölimports nach Österreich“, so die Forscher in der Studie.

Treibstoff aus Palmöl

Eine andere Art, die Palmölimporte entbehrlich zu machen, wäre den Fleischkonsum um ein Zwanzigstel zu verringern. 70 Prozent des importierten Palmöls (inklusive der indirekten Einfuhr als Biodiesel) werden außerdem zu Treibstoff verarbeitet. Auch diese Mengen könnte man durch heimischen Anbau von Ölpflanzen ersetzen, meint Schlatzer.
Die Ölmengen von Raps- und Sonnenblumenpflanzen in Österreich sind zwar pro Hektar etwas geringer als der Ertrag aus Palmen in Südostasien, der heimische Anbau hätte aber trotzdem eine zweieinhalb- bis dreieinhalb Mal bessere Klimabilanz, berechneten die Forscher. Damit werden nämlich große Mengen an Treibhausgasemissionen durch die Zerstörung von Torfboden und Tropenwald in Malaysia und Indonesien verhindert.

Regional angebautes Soja

„Ersetzt man theoretisch das Palmöl, das unter anderem für Nahrungsmittel und Kosmetika eingesetzt wird, durch Raps- und Sonnenblumenöl, verbessert das die CO2-Bilanz um bis zu eine halbe Tonne pro Jahr“, sagte Schlatzer. Ersetzt man alle Palmölimporte inklusive der Agrotreibstoffe mit österreichischen Alternativen, beträgt das Einsparungspotenzial bis zu 1,4 Millionen Tonnen. Durch regional angebautes Soja anstatt von Importen würde ebensoviel (weitere 1,4 Millionen Tonnen) Treibhausgas eingespart.

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