Wirtschaftskrimi: Millionenbetrug beim Basistunnel
Der Bau des 3,3 Milliarden Euro teuren Semmering-Basistunnels, ein riesiges Prestigeprojekt, ist durch mehrere Unglücke unter Tage massiv in die Kritik geraten. Durch Gesteinseinbrüche und Wasseraustritte hat sich auch der Bauzeitplan um mindestens ein Jahr verzögert.
Und nun beschäftigt auch noch ein brisanter Wirtschaftskrimi rund um das 27,3 Kilometer lange Tunnelprojekt Staatsanwaltschaft und Kriminalisten. Der Leidtragende eines groß angelegten Millionenbetruges ist das Marti-Tunnelbaukonsortium.
Betrugsvorwurf um Semmering-Basistunnel
Die Arge hatte von den ÖBB den Zuschlag für den sieben Kilometer langen Tunnelabschnitt Grautschenhof zwischen Mürzzuschlag und Spital am Semmering bekommen. Ausgehend von einem der Einkäufer der Baustelle sollen tonnenweise Ziegel, Beton, Baustahl und andere Materialien vom Tunnel abgezweigt worden sein, sagt der Leiter der Staatsanwaltschaft Leoben, Andreas Riedler, auf Anfrage des KURIER. „Es ist ein sehr umfangreicher Akt. Ermittelt wird gegen acht Beschuldigte wegen Betrugs und Untreue“, so Riedler.
Hannes G. und Komplizen, Verantwortliche der Firma Marti in Sachen Materialeinkauf, sollen für den „widerrechtlichen Bezug von Baumaterialien“ verantwortlich sein. Laut Rieder wird auch gegen Zulieferfirmen wegen ausgestellter Scheinrechnungen ermittelt. Sie sollen mitgemacht haben. Die Staatsanwaltschaft will noch heuer Anklage erheben.
300.000 Liter Diesel weg
Laut Insidern des Bauprojekts sind nicht nur ein paar Ziegel und ein paar Tonnen Beton verschwunden, sondern Materialien im Wert von mehr als zwei Millionen Euro. Der Coup ist der Firma lange Zeit nicht aufgefallen, erst als im Jahr 2018 rund 300.000 Liter Diesel von der Baustelle verschwanden, schöpfte man Verdacht.
Ein 47-jähriger Mitarbeiter eines Frächters soll zusammen mit einem Bediensteten des Generalunternehmens den Diesel-Treibstoff für die Baustellenfahrzeuge abgezweigt haben. Die bestellten Tanklaster zur Befüllung des 50.000 Liter großen Treibstofftanks am Grautschenhof wurden umgeleitet und ein Teil der Fracht an anderen Adressen abgepumpt. Landwirte aus der Buckligen Welt in NÖ erhielten so unter der Hand und ohne Rechnung Diesel zum Spottpreis. Das Geld streifte der Drahtzieher ein.
Lieferschein-Tricks
Als der Fall bekannt wurde, stieß Marti bei einer Revision auf noch größere Ungereimtheiten in den Büchern. Die Firma hätte für den Bauabschnitt Grautschenhof tonnenweise Material erhalten sollen. Lieferscheine und Rechnungen stimmten aber nicht mit der tatsächlichen Mengen überein. Das niederösterreichische Landeskriminalamt ermittelte schließlich fast eineinhalb Jahre akribisch. Das Ergebnis: Der Chefeinkäufer soll das Baumaterial an andere Firmen verkauft haben. Geschädigt ist die Arge-Tunnelbau und somit die öffentliche Hand als Auftraggeber für den Semmering-Basistunnel.
In einer Reaktion auf den KURIER-Bericht haben die ÖBB am Sonntag betont, dass den Bundesbahnen als Auftraggeber des Bauprojekts und damit auch der öffentlichen Hand kein finanzieller Schaden entstanden sei.
Die ÖBB seien bereits von geraumer Zeit von der Firma Marti über den Betrugsverdacht informiert worden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. "Eine umgehend eingeleitete Revision seitens ÖBB kam zum Ergebnis, dass die ÖBB-internen Prüfsysteme funktioniert haben." Weitere Details könne man nicht kommentieren, da es sich um ein laufendes Verfahren handle.
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