Aktuell gibt es in gleich mehreren Gemeinden ein veritables Wasserproblem. In Aue bei Gloggnitz führt die Tunnelröhre nur 30 Meter unter den Wohnhäusern durch. Genau an jener Stelle, wo es im Vorjahr beim Tunnelvortrieb zu einem massiven Erdeinbruch kam und an der Erdoberfläche ein zehn Meter tiefer Krater entstand, ist die Wasserquelle von Grundeigentümer Josef Ehrenhöfer völlig versiegt. Früher flossen hier 14 Sekundenliter reinen Trinkwassers, nun ist die Quelle ein mit Sedimenten getrübtes Rinnsal. Ehrenhöfers Liegenschaft musste auf Kosten der ÖBB an die öffentliche Ortswasserleitung angeschlossen werden.
Neue Hotspots
Ähnlich ist die Lage seit Kurzem in Schlagl in der Gemeinde Raach im Hochgebirge sowie in Otterthal im Bezirk Neunkirchen. Otterthals Bürgermeister Karl Mayerhofer bestätigt auf Anfrage des KURIER, dass neuerdings im Ort Quellen beziehungsweise Brunnen von Privateigentümern brachliegen. Wie ÖBB-Sprecher Christopher Seif erklärt, „wurde für zwei Betroffene umgehend ein Wasseranschluss an das Ortswassernetz errichtet. Beide Anwesen werden somit mit Wasser versorgt. Wir sind in intensiven Kontakt mit den betroffenen Grundeigentümern.“
Was die Austrocknung in Schlagl anbelangt, gäbe es laut Seif keinerlei Verbindung mit dem rund 300 Meter tiefer liegenden Basistunnel. „Eine Beeinträchtigung durch den Tunnel ist aus hydrogeologischer Sicht dort auszuschließen.“ Seif nennt die geringen Niederschlagsmengen als Auslöser für das Phänomen.
Unumstritten ist hingegen der Zusammenhang zwischen dem Tunnelbau und der Wasserversorgung in Schottwien. Die Göstritzquelle, unmittelbar neben dem Tunnelbaulos „Göstritz“, ist auf dem Tiefststand seit Beginn der Messaufzeichnungen vor 25 Jahren. Dass das Versiegen des Wasserreservoirs mit dem Basistunnel in Zusammenhang stehen dürfte, zeigt die Tatsache, dass die ÖBB den Großteil der Kosten für eine Ersatzlösung übernehmen. Es wurde für das Ortsnetz eine neue Quelle gefasst. „Für die Versorgungssicherheit bauen wir außerdem gerade einen neuen Hochbehälter, der mit 150 Kubik drei Mal so groß ist wie der bisherige“, sagt Bürgermeister Wolfgang Ruzicka.
Projekt spaltete 30 Jahre lang die Politik
Der massive Wasserverlust ist einer der wesentlichste Gründe, weshalb das Projekt Semmering-Basistunnel mehr als 30 Jahre lang die Politik spaltete. Mögliche negative Umweltauswirkungen waren der Grund, weshalb das Land NÖ das Projekt 1998 mit einem negativen Naturschutzbescheid zu Fall brachte. Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll nannte damals ein plakatives Beispiel: Wenn man in eine Glasflasche ein Loch bohrt, dann wird das Wasser so lange ausfließen, bis keines mehr drinnen ist.
Tunnel kostet 3,3 Milliarrden Euro
Das Projekt wurde daraufhin überarbeitet und auf einen geringeren Wasserverlust Rücksicht genommen. Dennoch torpediert die Naturschutzorganisation „Alliance for Nature“ das 3,3 Milliarden Euro teure Projekt bis heute. AfN-Generalsekretär Christian Schuhböck fühlt sich durch den in Mitleidenschaft gezogenen Wasserhaushalt im Semmeringgebiet bestätigt. „Es tritt genau das ein, wovor wir jahrelang gewarnt haben. Die Beeinträchtigung für die Umwelt ist massiv und nicht mehr rückgängig zu machen“, meint Schuhböck.
Wegen der Umweltauswirkungen hat die Organisation bereits im Oktober eine Anfrage mit 49 Punkten an das Verkehrsministerium geschickt. Trotz Auskunftspflicht ist diese bis heute unbeantwortet geblieben, ebenfalls die Anfrage des KURIER.
Kommentare