Die Rückschläge beim Bau des 3,3 Milliarden Euro teuren Semmering-Basistunnel im Süden Niederösterreichs sind schlimmer als erwartet. Nachdem bereits zu Ostern ein Teil des Tunnelabschnittes in Gloggnitz einstürzte und Mineure beim Sprengvortrieb in Göstritz Ende Juni unvorhergesehen auf eine Wasserader trafen, kämpft die Baufirma im Tunnel derzeit immer noch mit Sanierung der Schäden. Der Bauzeitplan gerät durch die Komplikationen ins Wanken. Damit noch nicht genug, droht den ÖBB eine Wiederaufnahme des Genehmigungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht will noch heuer darüber entscheiden.
Nach zwei fast komplikationsfreien Jahren hat eine unglückliche Pannenserie das Monsterprojekt heuer gehörig in Turbulenzen gebracht. Erstmals waren die Schwierigkeiten auch für die Öffentlichkeit an der Erdoberfläche sichtbar. Nachdem zu Ostern beim Sprengvortrieb von Gloggnitz aus auf Gleis 1 Gesteinsmaterial nachbrach und alles darunter Befindliche meterhoch begrub, tat sich kurz darauf 120 Meter darüber in der Ortschaft Aue ein riesiger Erdkrater auf. Das Loch wurde wieder verfüllt, allerdings gestaltet sich der Weiterbau des Tunnels schwieriger als angenommen.
Die von den ÖBB prognostizierten drei Monate für die Sanierung sind längst vorüber – von einer Lösung ist man aber weit entfernt. „Der Vortrieb am anderen, nicht betroffenen Gleis 2, erfolgt sehr vorsichtig in Teilflächen. Dort sind wird rund 90 Meter am Ereignis vorbeigefahren“, erklärt ÖBB-Sprecher Christopher Seif.
Kein Lichtschein am Ende des Semmering-Basistunnels
Von Gleis 2 aus muss nun ein 100 Meter langer Zugangsstollen zum eingestürzten Bereich gebaut werden. „Davon haben wir bereits 20 Meter geschafft“, so Seif. Obwohl das zu bewältigende Bergmassiv bereits im Genehmigungsverfahren mit Hunderten Probebohrungen durchlöchert wurde, will die ÖBB auf Nummer sicher gehen. Deshalb finden nun in Aue erneut Erkundungsbohrungen ober Tage statt. „Sie sollen weitere Informationen über die genaue Beschaffenheit des Gebirges bringen“, sagt Seif. Es kann daher noch Monate dauern, bis die Stelle überwunden ist und auch der Sprengvortrieb auf Gleis 1 weiter Richtung Steiermark führt.
Kopfzerbrechen bereitet den Verantwortlichen auch der plötzliche Wassereintritt beim Zwischenangriff Göstritz. Seit 30. Juni strömen unaufhörlich 100 Sekundenliter aus den unterirdischen Quellen. 60 Sekundenliter davon sind stark mit Sedimenten getrübt. Die Brühe verwandelte die Flüsse der Region in weiße Ströme. „Der Wassereintritt besteht zwar weiterhin, konnte aber gefasst werden, wird also geordnet in Leitungen abgepumpt“, schildert Seif. Mittlerweile liegt man bei den Trübstoffen innerhalb der erlaubten Grenzwerte.
Das Problem besteht nun eher in den Prognosen. Weil im weiteren Bauabschnitt Bergwasservorkommen von bis zu 300 Sekundenliter prognostiziert sind, kommt es zu einem Kapazitätsproblem. Das anfallende Wasser muss aus den Tunnelröhren an die Oberfläche gepumpt und dort in Gewässerschutzanlagen gereinigt und gemessen werden, bevor es in die Naturbäche abgleitet werden darf.
„Derzeit arbeiten wir am Bau zusätzlicher Absetzbecken und an der zukünftigen Logistik, damit die Vortriebe wie geplant erfolgen können. Die Behebung des Wasserzutrittes in dieser geologisch äußerst komplexen Zone wird zwar noch einige Monate in Anspruch nehmen, parallel können jedoch Vortriebsarbeiten stattfinden“, sagt Seif.
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