Was die Debatte um die Bundesgärten mit Stadt- und Landleben zu tun hat
Nach der zunächst versöhnlichen Stimmung – dem propagierten „Schulterschluss“ zwischen Regierung und Opposition und zwischen Bund und Ländern – stehen die Zeichen jetzt wieder auf Konfrontation.
Zumindest zwischen Bundesregierung und Stadt Wien. Und zwar weil die Regierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie jene Parkanlagen, die der Bund in Wien verwaltet – die sogenannten Bundesgärten – geschlossen hat.
Seit 17. März ist in Wien der Augarten zu. Der Belvedere-Garten, der Volksgarten, der Burggarten und der Schönbrunner Schlosspark ebenfalls. Die Parks der Stadt Wien, also etwa der Prater, der Stadtpark oder der Auer-Welsbach-Park, sind dagegen geöffnet.
Einmal so und einmal so
Auch in Innsbruck sind die Bundesgärten geschlossen, also die Hofburggärten und der Hofgarten/Ambras.
Die Stadt Salzburg wiederum alle ihre städtischen Gärten gesperrt, auch den Mirabellgarten. Zu Diskussionen habe das bisher nicht geführt. Auch, weil es in der Stadt mehr Möglichkeiten gibt, um ins Grüne zu kommen als viele anderen Städte. „Wir haben die Stadtberge und am Stadtrand viel Grünraum“, sagt die Salzburger Stadträtin Martina Berthold (Grünen Bürgerliste). Mit der Situation in Wien sei die in Salzburg daher nicht vergleichbar.
Linz dagegen lässt seine Parks geöffnet. Man sehe keinen Grund, warum den Menschen die Möglichkeit auf Frischluft nehmen sollte, heißt es aus dem Büro des (roten) Bürgermeisters. Und im ebenfalls roten St. Pölten wiederum bleiben die Parks zu, das Traisenufer aber geöffnet.
Und das ÖVP-geführte Graz, das alle seine Parks selbst verwaltet, lässt diese offen. Bürgermeister Siegfried Nagl betont, das sei nötig für jene Menschen, die nur kleine Wohnungen ohne Garten oder sonstiger Möglichkeit, ins Freie zu kommen. Empfohlen wird lediglich, Hotspots wie die Murpromenade zu meiden. Dort war zuletzt sehr viel los.
Keine schlüssige Argumentation
Bis jetzt fehlt in der Debatte um die Bundesgärten eine schlüssige, für die Menschen nachvollziehbare Argumentation, warum in ein und derselben Stadt manche Parks zu und andere geöffnet sind.
Elisabeth Köstinger, die für die Gärten zuständige ÖVP-Ministerin, sagt, es sei „fahrlässig“, Gärten offenzuhalten. Die für die Wiener Parks zuständige SPÖ-Stadträtin Ulli Sima kontert: Die Argumentation der Ministerin sei „kindisch“.
Der Streit zwischen Bund und Stadt Wien entzündet sich nicht zufällig an der Öffnung von Parkanlagen. Er tut das, weil sich die Maßnahmen der Bundesregierung regional ganz unterschiedlich auf die österreichische Bevölkerung auswirken.
Nämlich auf jene, die am Land – und jene, die in den Großstädten wohnen.
Dass dieser Schlagabtausch über Wien geführt wird, ist der altbekannte Weg. Bund gegen Stadt, Türkis gegen Rot, das kennt die österreichische Bevölkerung. Auf Wien wirkt sich die Schließung der Bundesgärten besonders drastisch aus.
Weil Augarten, Belvedere-Garten, Volksgarten, Burggarten und Schönbrunner Schlosspark geschlossen sind, fehlen der Wiener Bevölkerung 350 Hektar Grünfläche. Das ist größer als der ganze 9. Bezirk (296 Hektar).
113.500 Menschen in Wien leben nur 500 Meter entfernt von einem der fünf Bundesgärten. Sie sind also direkt von den Schließungen betroffen. 113.500 – das sind mehr Menschen, als Klagenfurt Einwohner hat.
Klagenfurt ist die sechstgrößte Stadt Österreichs.
34 Prozent der Einwohner des 2. Bezirks und 22 Prozent der Bewohner des 20. Bezirks sind etwa von der Schließung des Augartens betroffen, der sich über die Grenze dieser beiden Bezirken erstreckt.
Den Wienern fehlen wichtige Naherholungsgebiete – und deshalb drängen sich alle in jenen, die noch geöffnet sind, etwa im Stadtpark oder im Prater.
Ausgangssperren mögen für die Bevölkerung am Land nicht so dramatisch klingen, wie sie es in der Stadt tatsächlich sind. Wer am Land lebt, kann ohne Kontakt zu anderen spazieren. Die Menschen wohnen in Häusern mit ausreichend Platz und einem Garten. Dort können sie Sport betreiben oder in der Sonne Kaffee trinken. Kinder können im Garten spielen. Menschen am
Land können in ihren eigenen vier Wänden also draußen sein.
Menschen in der Stadt können das vielfach nicht.
Nur 6,3 Prozent der Wiener Hauptwohnsitzer haben eine Wohnung mit Garten. Nur 50 Prozent eine Wohnung mit Balkon, Loggia, Terrasse oder Wintergarten. Das ist der niedrigste Wert in ganz Österreich. Zum Vergleich: Der bundesweite Schnitt liegt bei 74 Prozent. Den höchsten Wert weist Tirol auf: 90 Prozent der Wohnungen haben dort Balkon oder Terrasse.
Die Decke auf den Kopf
Dazu kommt, dass auch Sport- und Spielplätze gesperrt sind. Wenn sich also Städter in Zeiten von Ausgangssperren nach frischer Luft sehnen, können sie nur noch die Nase beim Fenster hinausstecken oder eine Runde im Park spazieren gehen.
Einen wesentlichen Aspekt brachte zuletzt auch der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ein: den psychosozialen. Gerade finanziell schlechter gestellte Familien, oft Migranten, wohnen in sehr kleinen Wohnungen – ohne jegliche Freifläche.
Das psychische Wohlbefinden leide: Die Leute müssten raus, sonst falle ihnen in der Wohnung die Decke auf den Kopf, sagte er.
Die Wohnungen in Wien sind österreichweit die kleinsten – mit durchschnittlich 74 Quadratmetern.
990 städtische Parks...
..... gibt es in Wien.
Ihre gesamte Fläche beträgt 12.908.084 Quadratmeter. Fünf Gärten verwaltet der Bund: den Schlosspark Schönbrunn, den Augarten, den Burggarten, den Volksgarten und den Belvedere-Garten
5,9 Prozent....
....der Wienerinnen und Wiener leben 500 Meter entfernt von einem der derzeit geschlossenen Bundesgärten. Das zeigen Zahlen der MA23. In absoluten Zahlen sind das 113.500 Personen aus insgesamt 14 Bezirken. Das sind mehr als die Stadt Klagenfurt Einwohner hat
56.056 Menschen...
.... sind etwa direkt von der Sperre des Wiener Augartens betroffen: 34 Prozent der Leopoldstädter und 22 Prozent der Einwohner der Brigittenau leben in nur 500 Meter Distanz vom Augarten entfernt
In Gartennähe
In der Inneren Stadt (1. Bezirk) leben 40,3 Prozent nahe eines Bundesgartens. Im 3. Bezirk sind es 25,2 Prozent, im 4. Bezirk sind es sogar 37,6 Prozent.
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