Verbotsgesetz: Mehr Strenge bei Verharmlosung

Verbotsgesetz: Mehr Strenge bei Verharmlosung
Wiederbetätigung selbst unter Jugendlichen keine Ausnahme. Oft fehlt Unrechtsbewusstsein. Unabhängig vom Alter wird Verbotsgesetz verschärft.

Gebannt schauen die Schüler der NMS Wendstattgasse auf einen bedruckten Zettel, der in der Mitte ihres Klassenzimmers liegt. Darauf abgebildet ist eine Fotomontage der lachenden Anne Frank. Sie trägt einen Pullover, auf diesem steht: „Wer ist der coolste Jude in der Dusche?“.

„Wisst ihr, wer das ist und warum es verboten ist, solche Bilder auf dem Handy zu haben“, fragt Revierinspektor Daniel Swaton die Viertklässler streng. Sie wissen, wer Anne Frank war. Dass sie solche Aufnahmen aber weder verschicken noch am Handy haben dürfen, ist ihnen neu. „Das ist Wiederbetätigung und strafbar“, erklärt der Polizist, den die Kinder „Herr Daniel“ nennen. Er ist Teil der Initiative „Under 18“, einem Gewaltpräventionsprojekt von Schulen und der Polizei.

➤ Mehr lesen: Polizei macht Schule: 4.500 Kurse gegen Gewalt

Laut Exekutive kommt es immer wieder vor, dass Schüler rechtsradikale Bilder teilen, die etwa Adolf Hitler zeigen. „Diese werden jedoch so verändert, dass sie ‚lustig‘ wirken sollen“, heißt es.

Das Innenministerium machte auf dieses Phänomen bereits vor einigen Wochen bei der Präsentation des aktuellen Cybercrime-Berichts aufmerksam.

„Gruppenzwang“

Der Bericht zeigt, dass die Anzeigen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz im Internet stark steigen. 615 waren es 2021, bereits 909 im Vorjahr. Ein wesentlicher Teil dürfte auf jugendliche Täter zurückgehen. Das holocaustverharmlosende Sujet von Anne Frank befand sich auf dem Handy eines Zwölfjährigen.

Dass selbst die Jüngsten zu rechtsradikalen Gedanken neigen können, legen auch jüngste Fälle aus Deutschland nahe. Lehrer beklagten dort unlängst in einem offenen Brief, sie seien täglich mit Rechtsextremismus konfrontiert. So schlimm ist die Lage zumindest in Wien nicht, betont Pädagoge Patrick Wolf, der sich in der Bildungsdirektion mit dem Bereich Radikalisierung und Extremismus befasst: „Unsere Pädagogen können damit gut umgehen.“ In den meisten Fällen handle es sich um kein verfestigtes Gedankengut, sondern um die Absicht, zu provozieren.

Ähnlich sieht man das bei der Polizei, wo auf eine Mischung aus nicht nicht vorhandenem geschichtlichen Wissen, fehlendem Unrechtsbewusstsein sowie dem Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit verwiesen wird.

Hintertür ins Ausland

Strafbar ist dieses Verhalten nach dem Verbotsgesetz trotzdem – und die Regierung will jetzt sogar noch nachschärfen. Im Gesetzesentwurf, den Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwoch in Begutachtung geschickt haben, ist vorgesehen, dass das Wörtchen „gröblich“ aus dem Verbotsgesetz gestrichen wird. Damit wäre jede öffentliche Verharmlosung der NS-Verbrechen strafbar. Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“, die bei Corona-Demos getragen wurden, dürften darunter fallen.

Zudem sollen NS-Devotionalien von den Behörden künftig auch dann eingezogen werden, wenn nicht wegen Wiederbetätigung ermittelt wird. Derzeit ist der bloße Besitz nicht strafbar.

➤ Mehr lesen: Justiz-Reform: Wie Zadić ihre türkise Kontrahentin überholt

Täter weichen mitunter in Länder aus, in denen es kein Verbotsgesetz gibt. So gibt es beispielsweise eine einschlägige Seite mit spanischer Web-Adresse, aber mit deutschen Texten. Diese Hintertür soll mit der Novelle geschlossen werden: Wenn klar ist, dass es einen Österreich-Bezug gibt, sollen die Täter – etwa über die Amtshilfe – auch von den österreichischen Behörden verfolgt werden können.

Es gibt aber auch eine „Lockerung“, wenn man so will: Eine Diversion soll künftig nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen möglich sein. Man wolle versuchen, mit Tätern, die ihren Fehler einsehen, in einen Dialog zu kommen, sagte Verfassungsministerin Edtstadler.

Wie es nach der Begutachtungsfrist in sechs Wochen weitergeht, ist unklar. Das Gesetz ist Zweidrittel-Materie, ÖVP und Grüne brauchen also entweder SPÖ- oder FPÖ-Stimmen im Nationalrat. Fraglich ist, ob die SPÖ mit ihrem neuen Parteichef Andreas Babler ihre Blockade beendet. Zadić bat die Roten jedenfalls, „sich einen Ruck zu geben“. Dieses Gesetz müsse über jeglichem parteipolitischen Taktieren stehen, sagte sie.

Kommentare