Die Hälfte der Feuerwehrkräfte hat in den vergangenen zwei Jahren Beleidigungen und Drohungen im Einsatz erlebt, 90 Prozent seien beschimpft oder beleidigt, zwei Drittel bei der Arbeit behindert worden. Die Täter sind laut dieser Studie „in der Regel Einzelpersonen aus allen Schichten, nicht etwa alkoholisierte oder marodierende Jugendbanden“.
Schauplatz Linz, Oberösterreich, Ende Dezember. Ein 41-jähriger Mann stört die Einsatzkräfte des Samariterbundes massiv, sie wollen die verletzte 22-jährige Freundin des Mannes versorgen.
Noch Einzelfälle
Während sowohl in Steyregg als auch in Wels als Folge der Szenen bei den Feuerwehreinsätzen Sicherheitsgipfel einberufen werden, hat man beim Landesfeuerwehrverband Oberösterreich ein genaues Auge auf die Vorfälle.
Denn es gäbe zwar keine Statistik, aber die Zwischenfälle häufen sich – vor allem im Zentralraum, weiß Sprecher Markus Voglhuber: „Die Feuerwehrleute müssen zusätzlich deeskalierend wirken und aufklären, weil den Menschen oft nicht bewusst ist, was die Feuerwehr macht und dass die Mitglieder großteils freiwillig arbeiten.“
Kärntens Feuerwehren beobachten zwar keine „massiven Übergriffe“ gegen Mitglieder, aber einen anderen Trend. „Wir werden immer kritischer von der Bevölkerung gesehen. Wenn es etwa Fahrten mit Blaulicht in der Nacht gibt, dann reagieren die Menschen darauf mit Beschwerden“, erklärt Sprecher Martin Egger.
Was ebenfalls zunehme, sei ein Ignorieren von Absperrungen. Dies hatte bei den schweren Unwettern im August in Kärnten für Probleme gesorgt. Ein Mann war gestorben, weil er eine gesperrte und hochwasserführende Promenade ignoriert hatte.
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Damals wurden Einsatzkräfte auch beschimpft. Der zuständige Katastrophenschutz-Landesrat Daniel Fellner (SPÖ) sprach im KURIER-Interview von einer neuen Dimension. „Die Emotion, die manche an den Tag legen, ist mir neu.“
Rettungsauto mit Böller beschossen
Von bedrohlichen Situationen oder gefährlichen Barrieren waren Organisationen in Niederösterreich zuletzt nicht betroffen. Noch immer in Erinnerung ist aber die Böller-Attacke auf ein Sanitäterteam des Roten Kreuzes in der Neujahrsnacht 2018 in der Stadt Horn.
Damals behinderten Randalierer nicht nur einen Einsatz, sondern schossen auch Raketen und Böller in Richtung Rettungsauto ab. Zwei Sanitäter erlitten ein Knalltrauma. „Seitdem sind uns keine derartigen Fälle bekannt geworden“, sagt Rotkreuz-Sprecherin Sonja Kellner.
Eine ähnliche Auskunft kommt vom Sprecher der NÖ Landesfeuerwehrkommandos Klaus Stebal. Aber es komme öfters zu Diskussionen, etwa über den Einsatz eines lauten Folgetonhorns.
Ärgerliche und oft nicht ungefährliche Situationen, wie das Ignorieren von Rettungsgassen oder die Neugierde von Schaulustigen, kommen allerdings bei (zu) vielen Einsätzen vor.
Wesentlich ruhiger geht es hingegen in Tirol, Salzburg, der Steiermark und dem Burgenland zu, was Übergriffe betriff. „Bei uns ist kein Fall bekannt, der in diese Richtung gegangen wäre“, sagt Thomas Schmallegger von der Grazer Berufsfeuerwehr.
Von einer Insel der Seligen würde auch Michael Hauser, Leiter der Geschäftsstelle des Landesfeuerwehrverbandes Eisenstadt nicht reden wollen, „aber vielleicht liegt es an unseren dörflichen Strukturen, dass wir von solchen Auswüchsen bisher verschont geblieben sind“.
Statistik fehlt noch
In Wien verzeichnet die Berufsfeuerwehr keinen signifikanten Anstieg an Gewalt gegenüber Einsatzkräften, gab Gerald Schimpf, Sprecher der Berufsfeuerwehr, bekannt. „Wir bewegen uns im jährlichen Mittel, was Übergriffe betrifft.
Gewalt erleben wir eher bei Personen, die sich in einem psychischen Ausnahmezustand befinden“, sagt Schimpf. Übergriffe werden in einem Vorfallsbericht festgehalten. „Es gibt aber keine Statistiken dazu. Es wird auch nicht kategorisiert, ob die Gewalt von der Person ausging, die den Einsatz ausgelöst hat, anderen Beteiligten oder Schaulustigen“, sagt der Sprecher.
Es sei aber ein langfristiges Ziel, dementsprechende Zahlen zu erheben: „Wir orientieren uns an Deutschland, die sind beim Erfassen solcher Zahlen schon weiter.“
Es gebe zudem keine einheitliche Definition, was als „Gewalterlebnis“ während eines Einsatzes gelte. „Das ist sehr subjektiv. Während sich ein Kollege bedroht fühlt und den Vorfall meldet, reagiert ein anderer gelassen“, so Schimpf. An einen Fall, bei dem Feuerwehrfrauen – so wie in Steyregg – belästigt worden seien, könne er sich in Wien nicht erinnern.
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