Tirol-Wahl wird zum politischen Stimmungsbarometer
Das erste Wahllokal in Tirol hat heute bereits um 5.30 Uhr in Flirsch im Oberland geöffnet. Damit hat ein spannender Tag begonnen. Die Kommunalwahlen in 273 Tiroler Gemeinden (ohne Innsbruck und drei weitere Orte) gelten nämlich auch als Stimmungstest für die Landesparteien und werden auch von den Bundesparteien genau beobachtet.
Die Tiroler Wahlen sind zum einen der erste flächige Urnengang nach den Turbulenzen rund um die Chat-Affären und den Abgang von Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler. Unter ihm war die Volkspartei von Wahlerfolg zu Wahlerfolg geeilt. Für den neuen VP-Obmann Karl Nehammer sind es nun die ersten größeren Wahlen, seit dem er die Partei übernommen hat.
Vorboten zur Landtagswahl
Bundespolitisch kann sich die Tiroler Volkspartei unter Günther Platter, die sich 232 Bürgermeister zurechnet und diese halten möchte, jedenfalls keinen Rückenwind erwarten. Für den Landeshauptmann geht es indes nicht nur um die Verteidigung der schwarzen Dominanz in den Gemeinden.
Im Februar/März 2023 - also in einem Jahr - finden die Tiroler Landtagswahlen statt, wenn diese nicht doch noch vergezogen werden sollten. Ein schwaches Abschneiden wäre für Platter ein schwerer Dämpfer.
Als großer Unsicherheitsfaktor für den Ausgang der Wahlen gilt die MFG, die erstmals antritt und auf Anhieb Listen in 50 Gemeinden und dabei 22 Bürgermeisterkandidaten aufgestellt hat. Dass die impfkritische Partei in nahezu jeder fünften Gemeinde auf dem Wahlzettel steht, hat nicht nur die ÖVP, sondern auch die anderen etablierten Parteien überrascht.
Im Hinblick auf ein mögliches Vorziehen von Nationalratswahlen, aber auch die Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg, die ebenfalls 2023 anstehen, wird der MFG-Faktor auch außerhalb von Tirol genau beobachtet werden.
Die Gemeinderatswahlen sind immerhin die ersten größeren Wahlen seit Einführung der Impfpflicht. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Tirols Landeshauptmann Platter zuletzt eine Reihe von Corona-Lockerungen gefordert hat. Und die schwarz-grüne Bundesregierung geliefert hat.
Tirol wird ebenfalls von einer schwarz-grünen Koalition regiert. Platters grüne Stellvertreterin Ingrid Felipe will nach den Gemeinderatswahlen bekannt geben, ob sie sich noch ein weiteres Mal um die Spitzenkandidatur bei ihrer Partei bewirbt.
Die Tiroler SPÖ hofft, dass sich bei den Gemeinderatswahlen nicht zu viel Corona-Protest auf kommunaler Ebene entlädt. Landeschef Georg Dornauer will vielmehr positiven Schwung für die Landtagswahlen mitnehmen - die ersten unter seiner Führung. Die SPÖ ist nach der ÖVP am stärksten in den Gemeinden vertreten und rechnet sich 25 Bürgermeister zu.
Die FPÖ stellt aktuell keinen einzigen Ortschef. Bei den Gemeinderatswahlen 2016 legten die Freiheitlichen teils stark zu, wohl auch im Gefolge der Stimmungslage rund um die Migrationskrise.
Dieses Mal könnte es - auch wegen der Konkurrenz durch die MFG - in die Gegenrichtung gehen. 34 blaue Bürgermeisterkandidaten rittern um die Gunst der Wähler.
Die Grünen stecken sich bescheidene Ziele, wollen künftig 80 statt bisher 73 Gemeinderäte stellen. Die Neos treten in 17 Gemeinden an.
Die meisten Wahllokale schließen heute um 15 Uhr, das letzte um 17 Uhr in Scheffau am Wilden Kaiser. Erste Ergebnisse sind mittags aus kleineren Orten zu erwarten, jene aus den Bezirkshauptstädten und einwohnerstarken Gemeinden vermutlich erst ab 19 Uhr.
Alle Ergebnisse
Wie Tirols Gemeinden heute gewählt haben, können Sie hier aktuell mitverfolgen. Auf dieser Plattform des Landes werden die Ergebnisse jeder Gemeinde veröffentlicht, sobald die Stimmen ausgezählt sind.
In einer Vielzahl von Gemeinden war die Wahl aber schon entschieden, bevor der erste Wähler sein Kreuz gesetzt hat. In 113 Gemeinden gibt es jeweils nur einen einzigen Bürgermeisterkandidaten. In vierzig dieser Orte steht nur eine Liste auf dem Stimmzettel.
Welche Parteien hinter den Wahlvorschlägen stehen, ist beinahe in ganz Tirol mehr als undurchsichtig. Namens- und Bürgermeisterlisten haben Tradition. Besonders gut kaschiert wird die Parteinähe ausgerechnet bei der dominierenden VP, die laut eigenen Angaben 350 Listen unterstützt. Einen Verweis darauf gibt es nur bei 24 Listen im ganzen Land.
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