Experte: "Terroristen suchen nach Schlagzeilen"
Der Deutsche Rolf Tophoven studierte Germanistik und Geschichtswissenschaft mit den Schwerpunkten Militärgeschichte und Guerillakriegsführung an der Universität Münster. Er gründete mit dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes das Institut für Terrorismusforschung in Bonn , seit 2003 ist er für dieses alleinverantwortlich. Tophoven hat mehrere Bücher über den europäischen Terror geschrieben und ist als Experte oft zu Gast bei ARD oder ZDF.
KURIER: Warum wurde Barcelona diesmal als Ziel gewählt?
Tophoven: Terroristen suchen nach Schlagzeilen. Die finden sie nicht, wenn sie in Oberösterreich durch ein mittelgroßes Dorf fahren. Spanien ist ein attraktives Urlaubsziel und es war – auch wegen der guten Arbeit der Behörden – seit den Anschlägen 2004 in Madrid ruhig dort. Barcelona ist als bekannte Stadt natürlich attraktiv. Und nachdem es in Tunesien oder der Türkei Probleme gibt, bleiben nur einige Urlauberparadiese übrig, wo man noch sicher sein kann.
Was Sie hier beschreiben, das trifft genauso auch auf Österreich zu. Ein ruhiges Land und ein Urlaubsparadies...
Österreichs Neutralität und die neutrale Rolle in den Konflikten sind eine Schutzwand. Wir haben allerdings derzeit eine terroristische Gemengelage, bei der man nicht mehr prognostizieren kann, wer wann wo zuschlägt. Bei einer Million Menschen, die nach Europa gekommen sind, sind natürlich auch welche dabei, die nicht so gut sind. Das ist kein Grund für einen Generalveradcht und der große Knall in Österreich ist bisher ausgeblieben. Es gibt aber keine Indikatoren, dass das ewig so bleiben muss, siehe möglicherweise in Turku.
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Es ist auffällig, dass nun fast immer Personen aus Nordafrika Terroranschläge durchführen. Wieso ist das so?
Man darf nicht vergessen, dass etwa 6000 junge Tunesier beim IS waren. Spanien hat auch eine Nähe zu diesen Ländern. Nordafrika ist aber ein Rekrutierungsraum.
Hat das mit den staatlich schwachen Institutionen dort zu tun?
Ganz sicher, es gibt im nordafrikanischen Bereich viele failed States, etwa Sudan oder Somalia. Andere Staaten sind sehr schwach, auch die staatlichen Autoritäten teilweise. In Marokko gibt es stärker werdende Probleme mit Terrorismus, auch innerhalb des Landes.
Al-Quaida wurde vom IS überrannt, Al-Quaida organisierte den ersten terroristischen Super-GAU mit dem 11. September. Danach gab es mehrere vergleichsweise kleinere Anschläge, mit dennoch vielen Toten. Der IS war zunächst einer der Krakenarme von Al-Quaida und hat sich durchgesetzt. Aber schlussendlich sind das nur Logos des militanten islamistischen Terrors – das kann der IS, das kann Al-Quaida oder genauso gut Boko Haram sein.
Kann sich Europa schützen? Macht es Sinn, die Innenstädte zu verbarrikadieren, etwa mit Pollern?
Beim Terror muss man immer an das Unmögliche denken. Werden die Citys geschützt, dann wird ein Anschlag mit einer beladenen Drohne stattfinden. Es ist nur eine Frage der Zeit und wie viele Kilogramm Sprengstoff diese transportieren wird. Der Terrorist von heute bedient sich im Supermarkt und sucht sich dort etwas aus, zum Beispiel ein Messer. Gibt es Poller, dann geht er eben vor den Stephansdom und nimmt dort die Gläubigen mit dem Messer ins Visier. Dass Terroristen Nuklearwaffen haben ist Bullshit, heute verwendet man einfache Mittel. In Österreich gibt es mit der Cobra aber eine sehr gute Anti-Terror-Einheit, wie ich weiß.
Sind die Terroristen gut vernetzt oder sind das alles Einzelanschläge?
Es gibt Einzeltäter; es gibt Zellen, die sich untereinander kennen, aber die andere nicht; und es gibt Kommandoaktionen, die in Rakka geplant werden. Barcelona ist sicher nicht das Ende. Aber vielleicht würde es helfen, wenn der Boulevard diese Meldungen nicht auf der Titelseite hat, sondern nur klein hinten berichtet. Dann wäre es auch für die Terroristen uninteressanter.
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Der Terror sorgt nun auch für neue Sicherheitsmaßnahmen bei Veranstaltungen in Österreich. Vor drei Wochen gab es einen neuen – bislang noch unbekannten – Erlass des Innenministeriums, in dem bei Großevents 26 Punkte erfüllt werden müssen. Darunter sind bauliche Maßnahmen zu finden, etwa der Bau von Pollern oder Betonblöcken. "Poller machen natürlich Sinn, solche Sicherungsmaßnahmen gibt es von Laibach bis Lignano. Bei Großveranstaltungen muss es ein gescheites Hemmnis geben", betont Bernhard Treibenreif, Direktor für die Spezialeinheiten der österreichischen Polizei.
Er hat bereits mit den spanischen Kollegen Kontakt aufgenommen und erste Einsatzanalysen besprochen. Treibenreif pocht deshalb erneut darauf, dass die Polizei einen unmittelbaren Zugriff auf Videos bekommt. "In Spanien sind sie da wegen des ETA-Terrors schon viel weiter. Die Ramblas sind natürlich videoüberwacht", sagt Treibenreif. Die Polizei hätte deshalb in Echtzeit Aufnahmen des mutmaßlichen Terroristen gehabt. In Österreich müsste dafür erst ein richterlicher Bescheid ausgestellt werden. Allein ein Zugriff auf die mehr als 10.000 ÖBB- und Wiener-Linien-Kameras wären extrem sinnvoll, betont Treibenreif.
Auch die Polizei rüstet auf. Im Laufe des August werden 4000 neue Schutzhelme an die Beamten ausgegeben. Am Montag gibt es außerdem eine große Terrorübung auf der Donau. Vor dem Innenministerium wurden bereits Poller eingebaut, vor dem Bundeskanzleramt und der Präsidentschaftskanzlei werden diese demnächst installiert.
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