Tempobremsen auf Autobahnen wackeln: Bessere Luft hebt Limit auf
Die Stickstoffdioxid-Werte stiegen entlang von Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen noch vor wenigen Jahren besorgniserregend an. In Salzburg gilt deshalb seit 2008 auf der Tauernautobahn zwischen der Landeshauptstadt und Golling ein flexibler Luftschutz-Hunderter. Die Landespolitik entschied sich damals für ein flexibles und kein permanentes Limit, um den Protest unter Autofahrern gering zu halten.
2006 lagen die Werte noch bei einem Jahresdurchschnitt von 58 Mikrogramm. Grenzen wurden damit weit überschritten.
EU-Grenze wird nicht mehr überschritten
Die EU schreibt 40 Mikrogramm vor, in Österreich gelten 30 (plus eine Toleranz von fünf). Zuletzt ist die Belastung laufend gesunken. Im Corona-Jahr 2020 lagen die Messdaten bei nur 29, dann stieg der Wert wieder auf knapp über 30 Mikrogramm. Der 100er wackelt damit.
Neue Motoren verbessern die Schadstoffwerte
Verantwortlich ist dafür nicht nur die Tempobremse. Neue Motoren nach dem Dieselskandal haben die alten Dreckschleudern, die teils eine sichtbar schwarze Rußwolke in die Luft schleuderten, längst abgelöst. Außerdem wirkten sich die teils leeren Straßen während der Corona-Pandemie positiv auf die Schadstoffmessdaten aus.
Und wie oft galt Tempo 100 überhaupt? Analysen zeigen, dass das Tempolimit übers Jahr rund die Hälfte der Zeit Lenker einbremste.
80er im Salzburger Stadtbereich ist schon Geschichte
Ebenfalls aus Luftschutzgründen wurde 2015 auf dem zehn Kilometer langen Abschnitt der Westautobahn im Salzburger Stadtbereich Tempo 80 eingeführt.
Dieses Limit ist schon seit November Geschichte. Zähneknirschend präsentierte mit dem damaligen Landes-Vize Heinrich Schellhorn ausgerechnet ein grüner Politiker das Aus für das Limit: "Es ist eine faktenbasierte Entscheidung. Es gibt keine Überschreitung der Grenzwerte mehr. Die Rechtsgrundlage fehlt damit", so Schellhorn. Es sei eine Entscheidung gegen den Zeitgeist in der Klimakrise.
Verkehrsgutachter Gerhard Kronreif gehört zu jenen, die den Luft-80er mehrfach kritisierten. Er äußerte auch Bedenken, dass Tempo 80 zu einer erhöhten Unfallgefährdung auf der Autobahn führe.
Grüne sehen Umweltgedanken ausschlaggebend
Für die Grünen sind Umweltgedanken ausschlaggebend: Landesrätin Martina Berthold plädiert wie ihr Vorgänger für bundesweit geltende Limits von 100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 im Ort. Ein Aus für Tempo 100 auf der Tauernautobahn sei noch keine beschlossene Sache, so Berthold.
Ein Jahresbericht der Messdaten wird für März/April erwartet. "Dann wird es noch ein Gutachten geben." Bei der Belastung durch Mobilität würden neben Stickstoffdioxid (mit IG-Luft-Tempolimits regelbar) auch Lärm (100er im Lungau) und CO2 eine wesentliche Rolle spielen, so Berthold. Vor einer möglichen Rückkehr zu Tempo 130 auf der Tauernautobahn im Tennengau will sie die juristischen Möglichkeiten noch genau prüfen.
Auf 100 km/h gebremst
Dass vom Land zur Verbesserung der Luftqualität verordnete Tempolimits wieder fallen können, wenn sich der Erfolg einstellt, damit hat man in Tirol bereits Erfahrung. 2014 wurde im Bundesland der bis dahin je nach aktueller Schadstoffbelastung flexibel geschaltete IG-Lufthunderter zur Dauereinrichtung.
Das halbe Autobahnnetz in Tirol war davon betroffen. Im Oberland auf der A12 war die permanente Tempobremse aber im Jahr 2021 Geschichte. Die Luftwerte in dieser Region hatten sich derart massiv verbessert, dass das Land die Maßnahme aufheben musste. Rechtlich fehlte es schlicht an der Grundlage für die Einschränkung. Nur in den Wintermonaten gilt sie noch. Ansonsten sind wieder 130 km/h erlaubt.
In der Landesregierung wird befürchtet, dass davon in naher Zukunft auch der Hunderter im Luftsanierungsgebiet Tiroler Unterland betroffen sein könnte. 2021 wurden erstmals an keiner Messstelle in Tirol die Stickoxid-Grenzwerte überschritten.
Sorge vor den Folgen
Ob das dauerhaft so bleibt, ist noch fraglich. Aber so positiv die Verbesserung der Luftqualität ist: Der Trend könnte die Politik auch dazu zwingen, eine Reihe von Lkw-Verboten fallen zu lassen, die auf dem IG-Luft fußen. Und das, obwohl der Schwerverkehr in den vergangenen Jahren – mit einer kleinen Corona-Delle – stetig zugenommen hat.
Auf der Brennerroute zwischen Kufstein und Italien gab es im Vorjahr einen neuen Rekord im Lkw-Transit. 2,48 Millionen Laster hatten das Bundesland durchquert.
Nicht zuletzt die Auflagen für die Frächter bzw. die Ausnahmen für Lkw mit geringerem Schadstoffausstoß dürften dazu geführt haben, dass sich die Luftqualität verbessert hat. Aber auch die schiere Zahl an Fahrzeugen und der damit verbundene Lärm sind eine massive Belastung.
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