Tauerntunnel-Inferno mit 12 Toten: "Vieles wurde verschwiegen"

Tauerntunnel-Inferno mit 12 Toten: "Vieles wurde verschwiegen"
Vor 25 Jahren wurde der Tauerntunnel zur Todesfalle. "Das war eine Verkettung menschlicher Fehler", sagt einer der führenden Experten in Europa.

Wer am 29. Mai 1999 dabei war, dem geht der Geruch des Todes bis heute nicht mehr aus dem Gedächtnis. Junge Feuerwehrmänner, einige gerade einmal 15 oder 16 Jahre alt schauten nach ihrem Einsatz mit verängstigten Augen in die Gegend. Über dem Tunnel kreisten rund ein halbes Dutzend Hubschrauber von deutschen Medienunternehmen. CNN hatte sogar noch vor dem ORF von der Katastrophe berichtet. Jedem war klar, dass die offizielle Darstellung von einem Opfer nicht stimmen konnte.

Es dauerte Tage, Wochen und Monate bis alle Versäumnisse ans Tageslicht kamen.

„Das war kein Naturereignis, sondern eine Verkettung menschlicher Fehler“, sagt Willy Matzke einer der führenden Experten in Europa. Als Folge des tödlichen Feuer-Infernos testete der heute 75-Jährige Dutzende Tunnels auf dem gesamten Kontinent auf mögliche Sicherheitsprobleme.

Tauerntunnel-Inferno mit 12 Toten: "Vieles wurde verschwiegen"

Gefährliche Baustelle in der Kurve

Der Wahnsinn begann schon damit, dass eine einspurige Baustelle in der Röhre mit Gegenverkehr genehmigt worden war. Ein 27-jähriger Oberösterreicher hatte in den 22 Stunden vor dem Unglück nicht einmal fünf Stunden geschlafen und fuhr gegen 4.55 Uhr auf die in einer unübersichtlichen Kurve vor der Baustellen-Ampel stehende Fahrzeugkolonne auf. Sechs Menschen waren sofort tot, der mit 24.000 Spraydosen beladene Lkw ging in Flammen auf.

Während rund 60 Autofahrer aus dem Tunnel flüchteten, blieben andere wohl zu lange in ihren Fahrzeugen sitzen, was sechs weitere Opfer forderte. Die ersten Feuerwehrautos fuhren irrtümlich zu einer Pizzeria namens „Tunnel“. Das notwendige Spezialgerät fehlte und musste aus Linz gebracht werden.

Tauerntunnel-Inferno mit 12 Toten: "Vieles wurde verschwiegen"

Vieles verschwiegen?

Es fehlte auch eine lange geforderte Löscheinrichtung, die jeder bedienen kann.

„Hätte es die schon gegeben, wären die Toten und der Tunnelschaden vermeidbar gewesen“, sagt Matzke zum KURIER. „Beim Tauerntunnel wurde vieles verschwiegen, aber man hat endlich reagiert und seither sind die Tunnels in ganz Europa sicherer.“

Grund dafür war aber auch ein ähnlicher Unfall zwei Monate zuvor. Der Mont Blanc-Tunnel zwischen Frankreich und Italien wurde dabei zur tödlichen Falle für 39 Menschen. Ein Lastwagen hatte Feuer gefangen.

Der Lkw-Lenker aus dem Tauerntunnel, der überlebt hatte, wurde jedenfalls zu zwei Jahren Haft verurteilt, von denen 21 Monate auf Bewährung ausgesetzt wurden.

Die politischen Folgen hielten sich in Grenzen, nur der Straßenbau wurde anschließend vom Wirtschafts- an das Verkehrsministerium übergeben. Auch die genehmigte Baustelle hatte für niemanden Konsequenzen.

„Seit Beginn der Tunneloffensive 2001 – ausgelöst durch den Brand des Tauerntunnels – wurden mehr als 5,8 Milliarden Euro investiert“, erklärt Petra Mödlhammer vom Autobahnbetreiber ASFINAG. „Das beinhaltet neben dem Ausbau von Tauern- und Katschbergtunnel, die Vollausbauten der gesamten Pyhrnstrecke mit der Tunnelkette Klaus, dem Bosruck- sowie dem Gleinalmtunnel.“

Acht einröhrige Tunnels

Aktuell seien noch acht Tunnels einröhrig, der Karawankentunnel werde bis 2028 ausgebaut. Mödlhammer ist sich sicher: „Ein derartiges Ereignis könnte sich heute nicht mehr wiederholen. 1999 konnten Verkehrsteilnehmende nur über die sechseinhalb Kilometer auseinanderliegenden Portale fliehen. Aktuell verfügt der Tunnel über 26 Querschläge, über diese können Personen in einen sicheren Bereich fliehen.“

Außerdem könnten heutzutage derartige Ereignisse durch automatische Detektionssysteme rasch erkannt werden, das verkürze die Reaktionszeit des betriebsführenden Personals und erhöhe die Alarmierungsgeschwindigkeit, so Mödlhammer weiter.

Matzke hingegen sieht neue Probleme: „Der Brand eines E-Autos ist nicht löschbar, man stelle sich den Brand des Autotransporters mit E-Autos vor wenigen Tagen in einem Tunnel vor. Allein die Hitze würde den Tunnel nachhaltig zerstören und für Monate unbenutzbar machen.“

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