Das Problem: Die ÖBB hatten nur rund 1.000 Weichen im gesamten Schienennetz damit ausgerüstet. In der Folge kündigte die Bahn an, weitere 800 Problemstellen bis 2022 entsprechend nachzurüsten. Doch dabei gab es offenbar neuerliche Lücken. Betroffen davon war unter anderem der Bahnhof im burgenländischen Kittsee.
Dort kam es im April 2023 beinahe zur Katastrophe, wie sich nun über ein Jahr später herausstellt. So war laut dem kürzlich veröffentlichten Unfallbericht des Verkehrsministeriums nur rund zehn Sekunden vor dem Zusammenstoß von zwei Güterzügen ein Personenzug vorbeigefahren. Und: Beide Unfallzüge hatten auch Gefahrengut geladen. Darunter etwa ätzende und brandfördernde Salpetersäure.
Flankenfahrt im Bahnhof
Passiert war folgendes: Während der REX von Wien nach Bratislava in den Bahnhof Kittsee einfährt, wartet ein Zug der METRANS Railprofi Austria GmbH auf dem Nebengleis. Aus dessen Richtung kommt gerade ein weiterer Zug der RailCargo Austria auf einem zweiten Nebengleis. Für diesen werden die Signale sozusagen auf Grün gestellt.
Doch der Railprofi-Lokführer schaut auf das falsche Signal und glaubt offenbar, auch er habe freie Fahrt - so kommt es bei der nachfolgenden Weiche zu einer sogenannten Flankenfahrt. Der Sachschaden beträgt rund vier Millionen Euro. Der Regionalzug stoppt in einer Entfernung von etwa 600 Metern.
Im Bericht der Untersuchungsstelle im Verkehrsministerium (SUB) heißt es dazu: Ein dem Ausfahrsignal „H2“ zugeordneter 500 Hz Magnet am Standort des Schutzsignals „Sch202R“, welcher die Flankenfahrt verhindern hätte können, war zum Vorfallzeitpunkt nicht verbaut. Der bauliche Abstand zwischen dem überfahrenen Ausfahrsignal „H2“ und der Grenzmarke (Gefahrenpunkt) betrug 70 m. Dieser Abstand, in Kombination mit dem fehlenden 500 Hz Magneten und einer zulässigen Geschwindigkeit von 100km/h auf ein „HALT“ zeigendes Signal, stellt ein erhöhtes Risiko für Zugkollisionen dar.
Bei den ÖBB betont man, dass dennoch alle Eisenbahnrichtlinien eingehalten wurden. Aufgrund von "Planungsgrundsätzen" war offenbar Kittsee im Programm "Sicherheit auf Schiene" zunächst nicht enthalten. "Bei diesem Nachrüstprogramm sprechen wir österreichweit von 980 PZB-500Hz-Magneten und Kosten von 30 Millionen Euro", sagt ÖBB-Sprecher Daniel Pinka. "Aufgrund der großen Menge an Magneten und den erforderlichen Ressourcen hat diese österreichweite Nachrüstung jedoch einige Zeit in Anspruch genommen. Die Nachrüstung des Bahnhof Kittsee wurde im Mai 2023 abgeschlossen."
Die Frage, wie viele vergleichbare Haltesignale es noch ohne der eingebauten Notbremse gibt, wollen die ÖBB nicht beantworten, nur so viel: "Alle Signale, die gemäß den gültigen Planungsrichtlinien beziehungsweise Sicherheitsempfehlung des Verkehrsministeriums mit 500 Hz-Magneten auszurüsten sind, sind bereits ausgerüstet."
Dass in Kittsee nichts Schlimmeres passiert ist, hatte vor allem einen Grund: Die beiden Gefahrengut-Transporte waren mit 35 und 52 km/h unterwegs statt der erlaubten 100. Dadurch entgleiste etwa der Waggon mit der Salpetersäure und stürzte um, Säure trat allerdings nicht aus.
Kommentare