Totalsperre: Keine Züge zwischen Salzburg und Kärnten für acht Monate

Totalsperre: Keine Züge zwischen Salzburg und Kärnten für acht Monate
Von November 2024 bis Juli 2025 wird der ÖBB-Tauerntunnel gesperrt. Für Pendler bedeutet dies zwei Stunden statt elf Minuten Wegzeit. In eine Richtung.

Draußen ist es noch Nacht, als sich der Waggon der Autoschleuse Tauernbahn am Bahnhof Mallnitz-Obervellach in Bewegung setzt. Es ist 5:50 Uhr. Die erste mögliche Zugverbindung zwischen den Bundesländern Kärnten und Salzburg, die an dieser Stelle durch die Bergkette der Hohen Tauern getrennt sind. In elf Minuten geht es von einem Bundesland ins andere. Noch.

Denn der Tauerntunnel wird von 18. November 2024 bis 13. Juli 2025 für satte acht Monate komplett gesperrt. Was keinen Güter- und keinen Personenverkehr auf der wichtigsten Zugverbindung zwischen Kärnten und Salzburg bedeutet. „Ja, wir bestätigen, dass es zu einer Modernisierung des Tauerntunnels kommt und dafür eine Totalsperre nötig ist“, sagt ÖBB-Sprecherin Rosanna Zernatto-Peschel auf KURIER-Anfrage.

Pendlerin seit mehr als 30 Jahren

Wer verstehen will, was dies für die Menschen des Mölltals in Kärnten und des Gasteinertals in Salzburg bedeutet, muss selbst im Inneren des Waggons Platz nehmen. 05:51 Uhr: „Ich pendle seit 30 Jahren beruflich hin und her. Wir haben gewusst, dass eine Sperre droht, aber diese acht Monate sind hart“, erzählt die Frau im karierten Mantel. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen, aber von den Folgen erzählen.

Stammplätze haben die Personen, die man im Zug um diese Uhrzeit trifft, weil sie täglich pendeln. So wie der junge Soldat, der drei Mal in der Woche zwischen Kärnten und Hochfilzen hin und her fährt. „Mit der Autoschleuse sind es 100 Kilometer. Ab 2024 werden es dann halt 300 Kilometer drei Mal die Woche sein. Aber was soll ich tun?“

Zwei Stunden statt elf Minuten am Weg

Es ist 05:53 Uhr als die Rechenmodelle beginnen. Elf Minuten pendeln die Menschen aktuell. Der einzig andere Weg von Kärnten nach Salzburg würde neben dem ÖBB-Tauerntunnel über die A10 und den Tauerntunnel führen. „Das sind gute zwei Stunden Fahrt mit dem Auto anstelle von elf Minuten. Und das in eine Richtung. Mitten im Winter. Das tut sich doch keiner an“, sagt die Frau im karierten Mantel. Theoretisch gäbe es noch den Weg über den Felbertauern und den Großglockner. Letzterer ist im Winter gesperrt.

„Und was machen die Menschen mit Kindern? Die Michi hat zwei kleine Kinder, die kann sie doch nicht alleine lassen“, sagte eine Frau in blauer Steppjacke. Nachsatz: „Aber den Wienern ist das ja egal, wie wir das machen.“ Es ist 05:54 Uhr als dieser Satz fällt und der Zug in den sanierungsbedürftigen, 113 Jahre alten Tauerntunnel einfährt.

Totalsperre: Keine Züge zwischen Salzburg und Kärnten für acht Monate

 

Wassereintritt Grund für Sperre

 

Der Grund für die Totalsperre ist zu dieser Zeit nicht ersichtlich. Erklärt wird er einem telefonisch von Bad Gasteins Bürgermeister Gerhard Steinbauer (ÖVP): „Wir haben einen massiven Wassereintritt von Seiten des Höhkar-Baches. Das sind Schäden, die mit schwerem Gerät beseitigt werden müssen. Ein eingleisiger Betrieb ist nicht denkbar. Wir kommen um die Totalsperre nicht umhin“, erzählt der Ortschef.

Insider berichten davon, dass sich im vergangenen Winter durch das eingetretene Wasser solch riesige Eiszapfen gebildet hätten, dass man sie ständig entfernen musste, um die Sicherheit im Tunnel garantieren zu können.

Auch der Bürgermeister von Mallnitz, Günter Novak (SPÖ), schlägt in die selbe Kerbe: "Es wird ja nicht nur der Tunnel, sondern die gesamte Bahnstrecke von Spittal bis Schwarzach St. Veit saniert. Die acht Monate werden hart, aber danach soll es dann eine stündliche Zugverbindung zwischen Salzburg und Villach geben. Das ist ein enormer Zugewinn für die Region."

Totalsperre: Keine Züge zwischen Salzburg und Kärnten für acht Monate

 

Mitarbeiterengpässe durch Tunnelsperre?

 

Welche Folgen zunächst aber für die selbe Region durch die Tunnelsperre entstehen, dessen sei man sich bewusst. „Gerade das Gasteinertal profitiert massiv von Arbeitskräften aus Kärnten. Da kommt eine Lawine auf uns zu“, sagt Steinbauer. Mitarbeiter sind etwa im Altersheim in Bad Gastein zu finden, in Gesundheitsberufen im ganzen Tal, in der Hotellerie, in der Therme. Alles Bereiche, die ohnedies unter dem Mangel von qualifiziertem Personal leiden.

Ganz zu schweigen von Familien, die bisher in kurzer Distanz pendeln konnten. Oder auch Skischulen und Touristen, die in der Vorsaison von Gastein auf den Mölltaler Gletscher pendeln konnten oder Schneeknappheit in einem Bundesland mit einer Zugfahrt ins andere kompensiert haben. „Aber ein mehr als 100 Jahre altes Bauwerk muss nun einmal saniert werden“, sagt Steinbauer.

Verständnis für Schritt

Und erhält dafür auch Zuspruch im Waggon mitten im Tauerntunnel. „Was soll die ÖBB denn machen? Wir verstehen das ja, aber hoffen eben, dass unsere Arbeitgeber auch an uns denken und uns entgegenkommen“, erzählt die Frau im karierten Mantel. Sie überlege nun ein Sabbatical zu machen. Andere könnten dies nicht.

Wie viele täglich pendeln, darüber gibt es keine gesicherten Zahlen. Aber alleine in den beiden Morgenzügen um 5:50 Uhr von Kärnten weg und um 6:20 Uhr von Salzburg retour sind es gute 60 Leute. Die Tauernschleuse fährt stündlich. Hinzu kommen Schnellzüge im Zwei-Stunden-Takt.

Um 06:00 Uhr fährt der Zug schließlich aus dem Tunnel auf Salzburger Seite aus. Die Frage, ob jene Mitarbeiter wohl auch zurückkehren würden, wenn sie sich für die acht Monate einen anderen Job suchen müssten, wird verzögert beantwortet. Zuerst muss der Salzburger Nieselregen analysiert werden. Dann folgt die Antwort: Nein, wer einmal wieder zurück nach Kärnten geht, bleibt dort auch. Damit verlassen die Kärntner den Zug.

Schüler müssen ins Internat

Der Schichtwechsel mit Salzburger Pendlern lässt den Waggon noch voller werden. Fünf Schüler, die täglich nach Spittal an der Drau pendeln, nehmen neben einem Platz. Auch sie sind über die Totalsperre informiert. „Wir müssen dann wohl ins Internat, oder uns eine Wohnung suchen. Falls das dann noch leistbar ist, hat die Mama gesagt“, erzählt eine Jugendliche mit Kapuzenpulli. Alle anderen Reisenden sind Holz- oder Bauarbeiter. Einhelliger Kurz-Kommentar: „Die von der Bahn spinnen ja.“

Um 6:22 Uhr rollt der Zug schließlich wieder Richtung Kärnten an. „Alle hundert Jahre ist so eine Sanierung halt nötig“, hatte der ÖBB-Mitarbeiter an der Kasse vorhin noch gemeint. Und nach einer Pause: „Die nächste Sanierung erleben wir zwei dann eh nimma mit.“

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