Streit um Raubtiere eskaliert: Hass auf Wolf gipfelte in Abschuss
Die Emotionen haben sich über Wochen aufgeschaukelt. Nun könnte der Streit darüber, ob der Wolf in Österreich Platz hat oder eine Bedrohung ist, in einem Akt der Selbstjustiz gemündet haben.
Ausgerechnet im Tiroler Sellrain, also in jenem Gebiet, wo im Juli mehrere Schafe gerissen wurden, haben Schwammerlsucher am Dienstag einen bereits stark verwesten wolfsartigen Kadaver ohne Kopf gefunden.
„Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um einen Wolf handelt“, erklärte Martin Janovsky, Tiroler Beauftragter für große Beutegreifer, am Mittwoch. Gewissheit könne aber nur die Bestätigung durch eine genetische Untersuchung bringen.
Die DNA-Ergebnisse werden im Laufe der kommenden Woche erwartet. Nach einer ersten pathologischen Untersuchung steht aber bereits fest, dass das Tier eine schwere Schussverletzung im Bauchraum aufweist.
Wolfsbeauftragter Georg Rauer ist über die Angelegenheit informiert und ebenso gespannt auf das Ergebnis der Untersuchungen. Ihn irritiert allerdings die Art des Felles: „Das deutet nicht unbedingt auf einen Wolf hin.“
Fall für Staatsanwalt
Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass ein Wolf und somit ein streng geschütztes Raubtier illegal getötet wurde, wird die Causa ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Im Raum stünden laut Polizei Delikte wie Eingriff in fremdes Jagdrecht, Tötung eines besonders geschützten Tieres, Tierquälerei sowie diverse Verwaltungsstraftaten.
Der Wolf sorgt seit seiner Rückkehr nach Österreich überall, wo er auftaucht, für hitzige Debatten. Es sind meist Schafe, die dem Raubtier zum Opfer fallen. Bauernvertreter mehrerer Bundesländer fordern, dass der Alpenraum mit seiner Almbewirtschaftung zur wolfsfreien Zone werden soll.
Strenger Schutz
Doch das beißt sich mit dem Schutz der einst ausgerotteten Tiere. Innerhalb kürzester Zeit gab es nun bereits zwei Anträge auf Abschuss des Beutegreifers. In Salzburg ist die Entscheidung noch ausständig. Nach mutmaßlichen Wolfsrissen im Gebiet der Tofernalm im Großarltal (Pongau) vor drei Wochen stellte sich das Land hinter die Forderung der Bauern nach Entnahme. Es handle sich um einen „Problemwolf“.
Etwa 20 tote Schafe rund um das Sellraingebiet in Tirol – die Hälfte davon mit Rissspuren – riefen auch dort die Landwirte auf den Plan.
War zunächst ein Bär hinter den Angriffen vermutet worden, wurden bei vier Schafen DNA-Spuren eines Wolfs nachgewiesen.
Antrag auf Abschuss
Die Landwirtschaftskammer wollte die DNA-Ergebnisse offenbar nicht abwarten und hatte bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft am selben Tag bereits vorsorglich die Entnahme eines „großen Beutegreifes“ beantragt. Für einen Abschuss gebe es „derzeit keine fachlichen Voraussetzungen“, befand die Behörde allerdings drei Tage später.
Ob das wolfsartige Tier im Sellrain vor oder nach dieser Entscheidung geschossen wurde, ist vorerst noch offen. „Die umsichtige Entscheidung, den Abschussantrag abzulehnen, ist das Gegenteil eines Freibriefs für Wilderer, selbst zur Flinte zu greifen“, sagt Christian Pichler, Wolfs-Experte des WWF.
Mäßigende Worte
Tirols Agrar-Landesrat Josef Geisler, seines Zeichens auch VP-Bauernbundchef, war vergangene Woche noch um Beruhigung bemüht. Wolf und Bär würden „ein veritables Problem für die Almwirtschaft darstellen“, zeigte er Verständnis für die Bauern.
Es sei aber auch „eine Tatsache, dass die großen Beutegreifer dem höchsten EU-Schutzstatus unterliegen und auch in Tirol nur unter bestimmten Voraussetzungen entnommen werden dürfen.“
Die Mahnung könnte verpufft oder zu spät gekommen sein. Vor allem aus der ÖVP mehrten sich die Rufe nach Abschuss von Wolf und Bär. Grundtenor: Für die Raubtiere sei kein Platz in Tirol.
Wien ist anders
Während der Wolf in Tirol oder Salzburg ein „hoch emotionales Thema“ sei, sei das Raubtier in Wien „fast schon vergessen“, sagt Forstdirektor Andreas Januskovecz. In den vergangenen Monaten seien keine Meldungen mehr eingegangen. Und angebliche Sichtungen hätten sich nicht verifizieren lassen. „Wahrscheinlich verwechseln die meisten Wolf und Hund“, meint der Chef des Wiener Forstbetriebs.
Den intensiven Einsatz von Wildkameras schließt Januskovecz in den Wäldern der Stadt Wien jedenfalls aus. Zum einen aus Datenschutzgründen. Und zum anderen, weil die meist unscharfen Aufnahmen die Mythenbildung eher fördern würden.
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