Spitalsreform: "Krankenhaus hinter jedem Busch geht nicht"

Die Zahl der Spitalsaufenthalte liegt in Österreich um 60 Prozent über dem EU-Durchschnitt
Sperrt ein Krankenhaus zu, gehen Emotionen hoch. Das zeigt sich nicht nur in Tirol und der Steiermark.

Mehr als 10.000 Menschen haben bereits eine Online-Petition unterschrieben, die sich gegen die Schließung des Landeskrankenhauses Natters nahe Innsbruck in Tirol ausspricht. Dazu kommen noch Tausende Unterschriften auf Listen, mit denen ebenfalls für das Weiterbestehen des auf die Behandlung Lungenkranker spezialisierten Standorts der landeseigenen Tirol Kliniken GmbH mobil gemacht wird.

„Die Spitalsreform ist kein Sparprogramm“, hat Tirols Gesundheitslandesrats Bernhard Tilg (ÖVP) mehrfach zu dem gerade laufenden Prozess gesagt. „Wir werden niemals weniger Geld für Gesundheit ausgeben. Aber wir müssen eine Kostendämpfung zustande bringen“, erklärte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz auf Nachfrage.

Spitalsreform: "Krankenhaus hinter jedem Busch geht nicht"

Das Landeskrankenhaus in Natters.

Der dabei präsentierte Rechnungsabschluss des Landes für das Haushaltsjahr 2018 untermauert diese Notwendigkeit. Der größte Budgetposten, der rund 20 Prozent der Gesamtausgaben entspricht, ist mit 814 Millionen Euro die Gesundheit. Seit 2010 sind die Kosten um 70 Prozent gestiegen.

Akut-Betten

„Es kann nicht hinter jedem Busch ein Krankenhaus geben“, sagt der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer trocken. „Österreich liegt bei der Häufigkeit von Spitalsaufenthalten 60 Prozent über dem EU-Durchschnitt“, analysiert der Experte das Grundproblem. Es landen zu viele Menschen in Akut-Betten, die nicht unbedingt in Spitälern behandelt werden müssten, sind sich Experten einig. Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) haben sich Bund und Länder 2017 darauf geeinigt, die ambulante Versorgung auszubauen.

Spitalsreform: "Krankenhaus hinter jedem Busch geht nicht"

Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer

„Erstmals seit zwanzig Jahren hat man Leistungen festgelegt, die aus dem stationären Bereich in den ambulanten wandern können“, sagt Pichlbauer. Vorgaben habe es schon bisher gegeben. „Aber jedes Bundesland hat gemacht, was es wollte“, sagt der Experte. Doch der finanzielle Druck auf das Gesundheitssystem steigt.

Politiker, die Krankenhäuser schließen wollen, müssen in der Regel mit massivem Gegenwind rechnen. Was notwendige Einschnitte betrifft, sieht Pichlbauer die Steiermark am weitesten voraus. In diesem Bundesland hat sich erst kürzlich wieder gezeigt, wie stark emotionsgeladen Krankenhäuser auch abseits von Krankheiten sind.

Befragung

Anfang April wurden Bewohner des Bezirks Liezen befragt, ob sie für oder gegen den Neubau eines Leitspitals seien. 67 Prozent waren dagegen denn im Gegenzug würden drei bestehende Krankenhäuser im Bezirk geschlossen. Nur in der Gemeinde Stainach-Pürgg, die als Standort für das Leitspital ausgewählt wurde, stimmten die Bewohner mehrheitlich mit „Ja“ – ebenso wie deren unmittelbare Nachbarn.

Die ÖVP-SPÖ-Landesregierung hält trotz des eindeutigen Neins an ihrem Plan fest: Das Leitspital Liezen kommt im Jahr 2025. Das mag angesichts der großen Ablehnung ungerecht anmuten, ist aber nur konsequent: Schon 2016 beziehungsweise 2018 schloss das Land seine Spitäler in Mariazell und Eisenerz. Dort wurden Gesundheitszentren für die ambulante Versorgung eingerichtet.

Anfang dieses Jahres wurden die LKH Graz Süd-West und das LKH Hörgas in Graz-Umgebung formell zusammengeschlossen, Letzteres schließt voraussichtlich mit 1. Juli. In Hörgas soll ein Facharztzentrum entstehen, dessen Schwerpunkt auf der Versorgung von Senioren liegt. Solche Schwerpunktsetzungen gehören im Zuge einer zunehmend spezialisierten Medizin ebenfalls zu den Bundesvorgaben.

Reduktion

Schließungen sind auch Teil des Wiener Spitalskonzepts 2030. Es sieht eine Reduktion der Zahl der Gemeindespitäler von zwölf auf sechs vor. Jeweils zwei der verbleibenden Krankenhäuser bilden ein Paar, ergänzen einander in ihren Leistungen und sind für die Versorgung von jeweils einer der drei Wiener Gesundheitsregionen zuständig.

Von Schließung oder Zusammenlegung von Spitälern will man in Niederösterreich nichts wissen. Alle Kliniken befinden sich via Holding in Landeshand. Seit vielen Jahren geben die zuständigen ÖVP-Regierungsmitglieder Standortgarantien für alle 27 Krankenhäuser ab. Laufend wird modernisiert und Kliniken werden neu errichtet.

Erst jüngst segnete der Landtag den Bau des Zentralspitals Wr. Neustadt ab, für den mehr als eine halbe Milliarde Euro veranschlagt wurde. Verbessern möchte man in NÖ aber die Vernetzung zwischen Kliniken, Gesundheitszentren und dem niedergelassenen Ärztebereich.

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