Soziales Lernen in der Wüste statt Haft

Wüstenprojekte wurden 2001 abgebrochen. Kommt Neuauflage?
Resozialisierung: Nach Vorfall kleinere Projekte.

In der Wüste einfach davonlaufen, wenn es einem nicht mehr passt oder Gefahr droht, geht nicht. Und der kürzeste Weg durch ein Sumpfgebiet ist nicht der beste, man muss vorplanen. So erklärt der Sozialpädagoge Werner Ebner, wie man schwierigen Jugendlichen typische Verhaltensmuster abgewöhnt. „Sie haben einen Nachholbedarf beim sozialen Lernen. Einsperren allein bringt gar nichts.“

Soziales Lernen in der Wüste statt Haft

Der Maßnahmenkatalog der Taskforce zum Jugendstrafvollzug fordert „erlebnispädagogische Angebote mit Outdoor- wie Indoorelementen“ ein. Schon vor über zehn Jahren gab es Wüstenprojekte, Kameltrekking, Touren durch Skandinavien, an denen Ebner teilgenommen hat. 2001 schlugen sieben junge Burschen und Mädchen in Ägypten Erzieher und Beduinen mit Steinen nieder, um mit der Reisekasse nach Florida zu flüchten. Sie wurden verhaftet, die Abenteuerprojekte wurden eingestellt.

Werner Ebner sagt, man sollte nicht die Methode infrage stellen, sondern sich genau anschauen, was bei diesem einen Projekt passiert ist: „Daheim passiert ja auch manchmal etwas, mit dieser Klientel gibt es immer ein Risiko.“ Aber mit guter Vorbereitung könne man Resozialisierung erreichen, die im Gefängnis nicht möglich sei. „Ein 15-Jähriger braucht was anderes, als in der U-Haft zu sitzen und auf seine Verhandlung zu warten.“

Kanufahrt

Jetzt werden halt kleinere Projekte umgesetzt: Eine Weitwanderung durch die Alpen, bei der Häftlinge Behinderte unterstützten, von einer Almhütte zur nächsten zu kommen. In der Jugendstrafanstalt Gerasdorf, NÖ, bauten Insassen im Winter ein Kanu, mit dem sie dann im Sommer durch einen Fluss paddelten.

Je weiter weg von der Zivilisation, desto größer die soziale Abhängigkeit. „Das kann man gut nutzen“, sagt Ebner: „Wer essen will, muss Holz sammeln, Feuer machen. Wer nicht mittut, bekommt nichts. Das wird nicht so hart durchgezogen, aber er merkt: Wenn ich mich verweigere, verschließt sich mir die Gruppe.

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Seit 2012 bietet das Bundessozialamt Jugendcoaching – mittlerweile in ganz Österreich – in Justizanstalten an. Betreuer besuchen ein Mal pro Woche jugendliche Häftlinge, die drei bis sechs Monate vor ihrer Entlassung stehen. Es werden Stärken und Schwächen analysiert, Praxiserfahrung und Berufswünsche abgefragt, ein Neigungs- und Fähigkeitenprofil erstellt, Bewerbungsunterlagen zusammengestellt und Bewerbungsschreiben aufgesetzt.

Das Coaching soll die Jugendlichen auf die Freiheit vorbereiten und in Absprache mit dem AMS einen Übergang zum Berufsleben schaffen. „Wir machen keine Jobvermittlung, nur eine Vorbereitung“, sagt Maria Widy, Projektleiterin und Jugendcoach in Wien.

Oft machen die jugendlichen Häftlinge im Gefängnis den Hauptschulabschluss nach oder beginnen zumindest damit. „Sie werden dann teilweise schon vor dem Abschluss entlassen“, sagt Widy, und dann fehle die Motivation, es draußen zu beenden: „Aber das Jugendcoaching bleibt Anlaufstelle, die Jugendlichen können auch nachher zu uns kommen.“

Das Projekt gibt es auch in Schulen, um die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren. 2013 nahmen daran insgesamt 28.000 Jugendliche teil.

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