„Rotzpipn forever“: Peter Pacult, laut und goschert
Peter Pacult kommt zum Interview in einem T-Shirt, dessen Aufschrift ihn, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, gut beschreibt. „Rotzpipn forever.“ Er kennt sein Image und er kokettiert damit. So war er schon in der Schule. Schlimm, aber irgendwie ist es sich immer ausgegangen. „Ich hab’ oft Glück gehabt. Warum, weiß ich auch nicht.“ Das verschmitzte G’schau hat wohl geholfen. Man kann sich den 61-jährigen Peter Pacult gut als Buben vorstellen. Die Lehrer tun einem im Nachhinein ein bisserl leid.
Wenn Pacult heute auf den FAC-Platz in Jedlesee kommt, ist das noch immer ein Heimspiel. Hier hat er Fußballspielen gelernt, ums Eck ist er aufgewachsen. Anton-Störck-Gasse 22, Stiege 2. Mit dem Nachbarsbuben von der Fünferstiege ist er noch befreundet. Die Eltern haben bis zu ihrem Tod hier gewohnt. Auch Peter Pacult kommt immer wieder zurück. Zu wissen, wo er herkommt, hat ihn bei Erfolgen am Boden bleiben und Misserfolge verkraften lassen.
Jetzt, jetzt ist grad wieder eine Zeit der Erfolge. Austria Klagenfurt ist mit ihm als Trainer in die Bundesliga aufgestiegen. So mancher Sportjournalist hat ihm den Erfolg nicht zugetraut. Er kommentiert das knapp. „Genugtuung brauch i ned. Es kummt ois retour.“ Er sei „kein junger Trainer mehr, aber ich spreche die Sprache der Spieler. Die Zwanzigjährigen wissen nicht mehr, dass ich bei Rapid der letzte Meistertrainer war. I würd’ sagen, es gelingt mir trotzdem, den Jungen was mitzugeben.“
Der FAC-Platz in Wien-Jedlesee, einem Bezirksteil von Floridsdorf, liegt in einer Seitengasse der Prager Straße. Mit der 26-er Bim vom Franz-Jonas-Platz zu erreichen und für Menschen, die schon Floridsdorf an sich für weitab vom Schuss halten, eine entlegene Sache. Dabei war der FAC einmal österreichischer Fußballmeister, ist aber schon eine Weile her. 103 Jahre, um genau zu sein. Weiteres Highlight der Gegend: Der Eissalon Benner. Fixpunkt einer jeden Jedleseer Kindheit. Auch der Pacult’schen. Früher hat man am Ende der Saison das Eis dort umsonst gekriegt. Pacult und seine Brüder haben sich mit Thermoskannen hier angestellt. Auch die Manuela, Kindheitsfreundin und seit 40 Jahren seine Frau, war immer dabei und auch ihre Brüder waren Fußballer. Weil so sah eine Jugend in Jedlesee eben aus.
„Servas, Peda“ hört man über den Platz rufen. „Mein Herz schlagt höher, wenn i da her komm. Des san meine Wurzeln. Wenn i denk, wie lang des jetzt her is.“ Vor 53 Jahren hat Pacult hier im Verein begonnen. Vorbilder waren der Pirkner-Hans, Nachbar und Nationalspieler, später der Kurt Jara, ebenfalls Nationalspieler. „Auch kein einfacher Spieler. Hat seinen Kopf durchgesetzt. Das hat mir imponiert.“
Auch kein Einfacher? Vorsichtig ausgedrückt, ist Peter Pacult als nicht gerade diplomatisch bekannt. Insbesondere im Umgang mit Medien. Die verbalen Auseinandersetzungen mit Sportreportern, nachzusehen etwa auf Youtube, haben Kultstatus für die, die ihn mögen.
Pacult polarisiert, das weiß er. Und er tut gerne ein bisserl unschuldig. „Die anderen sagen, ich bin nicht einfach. Ich selber find’ mich schon einfach. Aber natürlich war ich von Anfang an kein Ja-Sager. Schon in der Volksschule nicht. Weil mir die Lehrerin nicht gepasst hat. Das hat sich im Fußball weiterentwickelt. Ich war klein, laut und goschert. Es hat oft Beschwerden über mich gegeben.“ Auf Schulausflüge durfte er nicht mit, weil die Lehrerin Angst hatte, dass er in die Donau springt. „Da hat sie sicher nicht unrecht gehabt. Wir sind ja Donaukinder.“ In der Schwarzlackenau, im ehemaligen Überschwemmungsgebiet, haben einen die Eltern ins Wasser geworfen und gesagt: „Schwimm. Eine und Gemma.“ So haben die Kinder schwimmen und auf Bäume kraxeln gelernt. „Heute wissen die Buben nicht mehr, wie sie auf einen Baum raufkommen.“ Pacult schaut hinüber zu den Bäumen seiner Kindheit. „Die letzten Überlebenden. Früher war alles voll mit Bäumen.“
Jedlesee zuerst
Peter Pacult, *28. Oktober 1959 in Wien, stammt aus Jedlesee, Bezirksteil des 21. Wiener Gemeindebezirks. Er ist seit 40 Jahren mit Manuela verheiratet, die beiden haben einen Sohn
Nach dem FAC spielte Pacult u. a. beim Wiener Sport-Club, bei Rapid Wien, 1860 München, beim FC Tirol und bei der Austria Wien. Er absolvierte 24 Länderspiele in der Nationalmannschaft. Danach wurde er Trainer, u. a. bei Rapid Wien, das mit ihm 2008 Meister wurde. Pacult ist seit Jahresbeginn Trainer beim SK Austria Klagenfurt. Mit ihm stieg der Verein in die Bundesliga auf. Das erste Pflichtspiel der neuen Saison findet am 25. Juli statt
Pacult ist zu allererst Jedleseer, erst dann Floridsdorfer. „Zuhause, das waren für mich der Fußballplatz und die Schwarzlackenau. Der Rest von Wien war weit weg. Ich weiß gar nicht, wann ich das erste Mal in der Stadt war. Es waren die 1970er, wir waren unheimlich viele Buben in den Höfen der Gemeindebauten, wir haben uns nur dort bewegt.“ Und gekickt. Ein Ball hat zehn Schilling gekostet, das haben sich nur wenige leisten können. Ob er arm war? Schwer zu sagen. Viele Familien waren kinderreich, Geld hatte keiner. Bei den Pacults waren sie vier Buben zu Hause. „Uns hat es nie an etwas gefehlt. Man hat uns viele Freiheiten gelassen. Wir sind in der Früh aus dem Haus und heimgekommen, wenn es dunkel war und die braven Kinder längst daheim waren. Wir haben uns nicht viel leisten können, aber wir haben Freunde gehabt.“ Das, sagt Pacult, ist der Grund, warum er immer wieder hierherkommt. Als Bub hatte er nicht einmal Fußballschuhe, hat mit Straßenschuhen gekickt, hat keinen gestört. Heute tät ’ man sich genieren.
Die Fußballer von heute? „Zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben, dass einer mit dem goldenen Rolls Royce wie der Marko (Arnautović, Anm.) daherkommt. Ein Happel (Ernst, Trainer-Legende, Anm.) hätt’ g’sagt: Steig ein und fahr heim.“
Peter Pacult war in der Hinsicht immer vorsichtiger. Traute dem Erfolg nicht gleich. Die erste Berufsambition war Fleischhauer, gegenüber, beim berühmten Pferdefleischhauer Schuller hätt’ er gern gelernt. Aber er war zu schmächtig. Na gut, dann nicht. „Damals war’s noch leicht, eine Lehrstelle zu finden.“
Der kleine Pacult wurde Bürokaufmann, schaffte den Lehrabschluss, obwohl er die Berufsschulzeit weitgehend auf der Donauwiese verbrachte und das Rechnen „nie seine Stärke“ war. Das einzige, das den Schüler Pacult auszeichnete, war die schöne Schrift. Als Linkshänder musste er sich besonders Mühe geben. Was er hingegen nicht konnte, war still sitzen. So ging der junge Bürokaufmann zur Post und wurde Briefträger. Der heutige Bürgermeister, auch ein Floridsdorfer, war sein Kollege, die beiden plaudern heut’ noch gern.
Pacult trug noch länger Briefe aus. Sogar, als er schon Nationalspieler war. „Ich hab’ zum Chef g’sagt: I geh erst, wenn i Beamter bin.“ Das wurde er dann auch. Erst da hat er sich getraut, sich ganz auf die Fußballkarriere einzulassen.
Was er sich nie trauen wird: Dancing Stars, wie sein Freund und Fußballkollege Andi Ogris. Denn der Ogris, der kann im Gegensatz zu ihm tanzen. „Ich hab’ kein Taktgefühl und merk’ mir keine Schritte.“
Einmal wollten Peter Pacult und seine Frau zu Silvester tanzen. Der Abend endete früh. „Wir waren schon um elf im Bett, haben nix mehr g’redt.“
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