Reich und schön kehrt zurück: Jet Setchen am Wörthersee
Wer Urlaub am Wörthersee macht und die Ohren spitzt, hört sie: Die nostalgischen, schon fast wehmütigen Erzählungen der Einheimischen von einer Zeit, in der dort die Post abging. Von einer Zeit, als es gegen Mitternacht zu brodeln begann, während heute mancherorts um diese Zeit eher die Gehsteige nach oben geklappt würden.
Ja, und dann gab es noch die goldene Ära, als der Jet Set mit Alain Delon, Ingrid Bergmann, Omar Sharif oder der Parade-Playboy Gunter Sachs dort weilte. Letzterer sagte sogar einmal, er hab am türkisen See – und nicht an der Côte D’Azur – die spaßigste Zeit seines Lebens verbracht.
Alles vorbei? Nun ja, wir wagen die sanfte These: Zumindest ein Jet Setchen könnte – auch bedingt durch Corona – wieder kommen.
„Man merkt, dass es heuer zumindest in Velden um einiges internationaler geworden ist. Viele, die sonst in Saint-Tropez oder auf Ibiza urlauben, sind heuer bei uns. Sollten diese zufrieden sein, können sie sicher auch längerfristig an den See gebunden werden“, sagt Mario Hofferer, der die Beach-Club-artige Moët & Chandon Summer Residence am Seeufer betreibt und gerne auch Jahrgang-Champagner ausschenkt.
Promis
„Da sieht man das bei uns auch recht wohlhabendes Klientel im Ort ist. Prominente kommen täglich vorbei, haben aber bei uns natürlich auch ihre Privatsphäre.“
Eine wahre Institution in Sachen Wörthersee ist der Schauspieler und Regisseur Otto Retzer. Auch er bemerkt eine Renaissance der Reichen und Schönen – und jener, die sich dafür halten: „In den vergangenen Jahren sieht man immer mehr junge gute gekleidete Menschen, die in Velden unterwegs sind. Und es scheint, als ob die jungen Erben der ehemaligen Glamourgeneration à la Roy Black den See wieder für sich entdeckt haben.“ Und das gehe sogar schon so weit, dass er höchstselbst nicht einmal einen Platz in seinem Lieblingslokal bekomme.
Kein Tisch für Fußball-Star
Und auch ehemalige Fußball-Heroen hätten es schwer. „Ich wollte für Freitag dem Fußballer Paul Breitner einen Tisch organisieren – nicht möglich. Jetzt hat sich der Ottfried Fischer erbarmt und nimmt ihn mit.“
Ein bisschen also wie früher. Mit ein paar Ausnahmen: „Ich war vor 40 Jahren immer sehr durstig und konnte es mir nicht leisten. Jetzt kann ich’s mir leisten, aber darf es nicht mehr“, sagt Otto Retzer.
Etwas leisten, das wollte man sich zur Jahrhundertwende. Damals begann mit dem Bau der Südbahn der Aufstieg der Region zur Sommerfische-Destination der k.u.k-Monarchie. Mondäne Villen zeugen noch heute davon. „Da gab es Sport wie Tennis in Pörtschach oder Konzerte“, sagt Historikerin Heidi Rogy, die zum Tourismus in Kärnten geforscht hat. „Stark eingesetzt hat das dann nach dem Zweiten Weltkrieg. Es sind viele Filme entstanden – die Bilder aus der Region sind weit verbreitet worden. Und auch die Reiseveranstalter sind aufgesprungen.“
Doch irgendwann – spätestens in den 1990ern – war es damit vorbei. Warum eigentlich? „Diese Frage haben sich viele gestellt und eine Antwort gesucht“, meint Rogy. Es habe wohl einfach mit dem Zeitgeist zu tun. Der ändere sich nun mal. Und außerdem seien zunehmend Flugreise günstiger geworden. Da war Südösterreich nicht mehr so angesagt wie Südeuropa.
100Jahre So lange werden am Wörthersee schon Filme gedreht.
400 Filme hat Karl Spiehs mit seiner Gesellschaft Lisa-Film produziert. Ein großer Teil davon waren „Wörthersee-Filme“. Etwa „Ein Schloß am Wörthersee“ mit Roy Black und nach dessen Tod mit Uschi Glas in der Hauptrolle.
500Tausend Übernachtungen gibt es pro Jahr alleine in Velden. Die Ankünfte in der Region um den See sind seit Jahren kontinuierlich angestiegen.
28,9 Grad Das war der Rekordwert der Wassertemperatur des Sees. Sie wurde am 27. Juni 2019 gemessen.
85,2 Meter So tief ist der See an seiner tiefsten Stelle. Die mittlere Tiefe beträgt 41,9 Meter.
80 Prozent des Seeufers ist verbaut. Öffentlich zugänglich sind kaum zehn Prozent der Uferflächen. Ein Rekord in Österreich
Einer, der dem See schon lange die Stange hält, und Österreichs und Frankreichs Süden gleichermaßen mag, ist Verleger Christian W. Mucha. Er und seine Frau Ekaterina residieren zur Zeit in ihrem Schloss nahe dem Wasser. Normalerweise pendeln sie im Sommer zwischen ihrem Domizil an der französischen Rivera und dem Wörthersee. „Heuer haben wir uns aber aus nachvollziehbaren Gründen entschieden, in Kärnten zu bleiben,“ erklärt Mucha. Die Vorzüge im Vergleich zu Saint-Tropez liegen für den Wiener auf der Hand. „Ein ganz anderes Gefühl von Sicherheit.“
Allerdings hätte er es um den See gerne kosmopolitscher. Darin liege auch eines der Hauptprobleme Kärntens. „Ohne internationale Gäste wird es rund um den See nicht gehen.“ Vor allem internationale Superstars bräuchte es, damit man den Glanz vergangener Tagen wieder aufpoliert. „Wo Tauben fliegen, fliegen Tauben zu.“
Was ihm zuletzt heftig aufstößt: Aussagen, wie Velden dürfe nicht das zweite Ischgl werden, seien kontraproduktiv. Derjenige, der sich das einfallen ließ, „gehört mit den nassen Fetzen“ davongejagt. Es gelte, das positive Image durch die wenigen Corona-Fälle zu transportieren und nicht sich „selbst anzupatzen“.
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