Totgespart? So dramatisch ist die Lage an den Universitäten wirklich
Vor einer Woche gingen Studenten und Professoren in Wien auf die Straße. Der Protest richtete sich gegen ein befürchtetes "Totsparen der Unis". Im Fokus stand die Lage an der Technischen Universität (TU) Wien. Die steuere auf die "Zahlungsunfähigkeit" zu, warnte Rektorin Sabine Seidler angesichts explodierender Energiekosten sowie der – im Gefolge der Inflation – wohl ebenfalls deutlich steigenden Personalkosten.
Seidler ist derzeit auch Vorsitzende der Universitätenkonferenz (uniko) und hat als solche aufgrund der Teuerung eine Aufstockung des Unibudgets um 1,2 Mrd. Euro bis 2024 gefordert, im Budget ist nur eine Erhöhung um 500 Millionen Euro vorgesehen.
- Kostenentwicklung
Die Teuerung macht vor Österreichs Hochschulen nicht halt. Sie rechnen etwa – wie die Gemeinden – mit einer Explosion der Energiekosten und mit deutlich steigenden Personalkosten.
- Zusatz-Millionen
Der Bund sieht zwar im Budget Zuschüsse für die Universitäten in Höhe von 500 Millionen Euro vor. Die Rektoren fordern jedoch 1,2 Milliarden Euro als Ausgleich für die Teuerungen. Für diese Summe hätten die Unis "keine konkreten Belege vorgelegt", erklärte ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek am Freitag.
Allein für die – im Betrieb etwa wegen ihrer Labore besonders energieintensive – TU Wien beziffert Seidler den Mehrbedarf auf 175 Millionen Euro. Nur ein Drittel davon wäre abgedeckt, wenn ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek die geplanten Zuschüsse nicht erhöht.
Steirischer Protest
Die Rektoren fühlen sich nicht gehört. Deshalb verlegen nun auch die Vertreter der fünf steirischen Universitäten – Karl-Franzens-Universität Graz, TU Graz, Med Uni Graz, Kunstuni Graz sowie Montanuni Leoben – ihren Protest auf die Straße. Am Dienstag ziehen Demonstranten in Richtung Grazer Innenstadt. Zwischen Rat- und Landhaus ist ab 13 Uhr eine Kundgebung geplant.
Auf deutlich mehr als 100 Millionen Euro schätzen die Steirer jene Lücke, die Teuerung und gestiegene Energiekosten in ihre laufenden Budgets reißen. Allein bei der TU Graz, die unter anderem wegen Laborarbeiten einen drei Mal höheren Strombedarf hat als die anderen Hochschulen fehlen insgesamt 90 Millionen Euro, das Wissenschaftsministerium habe aber nur 20 zusätzlich versprochen, so blieben also 70 offen, rechnet Rektor Harald Kainz vor.
An der Uni Graz sieht die Lage ähnlich aus. Auf Anfrage heißt es von dort: "Wir versuchen aktuell, über diverse Maßnahmen zehn Prozent des Energiebedarfs einzusparen". Dazu zähle unter anderem die Regulierung der Raumtemperatur in Büros und Hörsälen auf 21 Grad.
100 Stellen am Spiel
Diese Einsparungen und die zugesagte zusätzliche Summe vom Bund mitgerechnet, "bleibt immer noch eine Budgetlücke von rund 40 Millionen Euro. Diesen Betrag würden wir benötigen. Ansonsten stehen auch bei uns rund 100 Stellen auf dem Spiel", heißt es von der Uni Graz.
Quer durch Österreich zeigen sich die Hochschuleinrichtungen alarmiert. Die explodierenden Kosten "sind in den Universitätsbudgets nicht kalkuliert und damit durchaus existenzbedrohend", sagt die Leiterin der Kommunikation der Universität Klagenfurt, Annegret Landes. Auch hier wird bereits gespart. Die 24-Stunden-Bibliothek etwa werde im Winter zwischen 0 und 6 Uhr geschlossen, um in den Lesesälen Strom zu sparen. "Und wir haben die Raumtemperaturen auf 19 Grad Celsius reduziert, hier liegt prozentual unser größtes Einsparungspotenzial", erklärt Landes. Auch die Johannes-Kepler-Universität in Linz setzt auf 19 Grad. Zudem würden einzelne Schiebetüren gesperrt und Beleuchtung reduziert werden. Denn man stehe vor "existenziellen Herausforderungen".
Unterschiedliche Dimensionen
Noch weiter geht die TU Wien. Für die hat Rektorin Seidler eine Schließung von Mitte Dezember bis Mitte Jänner in den Raum gestellt und glaubt, dass auch andere Universitäten solche Schritte setzen werden müssen.
"Die Probleme sind bei allen Hochschulen die gleichen, aber die Dimensionen unterscheiden sich", sagt hingegen Uwe Steger, Pressesprecher der Universität Innsbruck. Im Unterschied zur TU "durchmischt es sich bei uns mehr". Will heißen, die jeweiligen Fakultäten hätten unterschiedliche Energieanforderungen – die einen größere, die anderen kleinere.
Rauf und runter
"Wir schauen derzeit, wo wir Energie einsparen können, aber es ist nicht im Gespräch, das am Rücken der Studenten auszutragen", stellt Steger klar. Schließtagen steht man skeptisch gegenüber. Es sei die Frage, "was es bringt, über Weihnachten die Temperaturen abzusenken und dann wieder hochheizen zu müssen." Klar ist aber: "Auch bei uns fehlen aus heutiger Sicht rund 40 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre."
Aus Salzburg kommt ein weiterer dringender Appell an den Bund, einen Teuerungsausgleich zu leisten. Barbara Romauer, Vizerektorin für Finanzen an der Uni, rechnet mit rund 40 Millionen Euro Mehrkosten. Ein im Frühjahr berechneter Ausgleich von 15 Millionen sei längst überholt. Vor anstehenden Verhandlungen mit dem Bund will sie aber noch nicht über drastische Einschnitte sprechen.
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