Landleben: Ostergrüße aus Eiersdorf
106 Einwohner, 33 Hausnummern, 22 Hühner.
Eiersdorf, die kurze Zusammenfassung.
Die kleine Ortschaft knapp 20 Kilometer östlich von Klagenfurt gehört zur Gemeinde Poggersdorf und gleicht eher einem Weiler denn einem Dorf. Eine überschaubare Ansammlung von Häusern. Wer unangemeldet kommt, wird wahrscheinlich mehr Bauernhofkatzen als Menschen begegnen. (Dem gleichnamigen Ort in Bayern geht es übrigens nicht viel besser, auch er ist Teil einer größeren Gemeinde, Hemau, Landkreis Regensburg.)
Das Kärntner Eiersdorf hat immerhin eine eigene Ortstafel, weshalb es dieser sonnige Flecken zu einer gewissen saisonalen öffentlichen Präsenz geschafft hat. Mit „Ostergrüßen aus Eiersdorf“ ist man schon öfter in regionalen Medien vorgekommen.Dabei hat der Name Eiersdorf genau gar nichts mit Eiern zu tun.
Er leitet sich vielmehr vom Personennamen Iring ab. Zwischen 1193 und 1220 hieß die Siedlung Irinsd, 1256 gibt es eine Erwähnung als Eyringsdorf.
Der lokalen Berühmtheit tut’s keinen Abbruch, dass sich die Eiersdorfer zu Ostern nicht einmal selbst mit Eiern versorgen können. Die 22 Dorfhühner, allesamt wohnhaft bei Heidi Kitz, sind dafür nicht legefreudig genug. Was aber nichts ausmacht. Im Suppentopf wird keines von ihnen landen, beteuert sie, selbst wenn die Vögel das Legen eines Tages ganz einstellen sollten. Frau Kitz sieht den Einsatz ihres Federviehs grundsätzlich entspannt, die Hendeln müssen dem Dorfnamen nicht gerecht werden.
Bei unserem Besuch steht Heidi Kitz im Hühnergehege und streut Körner auf den Boden, doch die Begeisterung der Tiere für das dargebotene Futter hält sich in Grenzen. So untermalt sie ihren Lockversuch. „Piep, piep. Ja, wos ist denn? Kummt’s, kummt’s!“ Der Erfolg bleibt aus, die Vögel haben kein Interesse daran, mediengerecht zu picken und zu gackern. Möglicherweise werden die Tiere ja aufgeschlossener, wenn sie demnächst Konkurrenz bekommen.
Denn auch Familie Weißnegger will sich demnächst Hühnervögel anschaffen. Früher haben alle Bauern hier ein bisschen was von allem gehabt. Momentan setzen die meisten auf Schweinezucht. Keine ganz einfache Geschichte. Man müsse künftig mehr auf Direktvermarktung setzen, sagt Edith Weißnegger. Hier am Hof, wo auch ihr Vater, Altbauer Wolfram Kunkel, mitarbeitet, beginnt man gerade zaghaft damit. Würste, Speck, Hausbrot, Kärntner Reindling werden direkt ab Hof angeboten. Und jetzt, zu Ostern, natürlich Osterschinken. Der sei übrigens ganz anders als im Rest von Österreich.
Was bestimmt anders ist: hier im Ort ist Landflucht kein Thema. Bei den Weißneggers zum Beispiel wird Eva, die jüngste der vier Töchter, einmal den Betrieb übernehmen, Nachwuchs Edi ist auch schon da.
„Wir werden eher mehr als weniger“, sagt Walter Filler, Obmann der Dorfgemeinschaft Eiersdorf-Wabelsdorf. Wabelsdorf liegt nebenan und hat immerhin 281 Einwohner. Wenig genug, um sich mit den Nachbarn zusammenzuschließen. Gemeinsam möchte man unter anderem alte Bräuche wiederbeleben. Die Osterprozession hat in der christlichen Dorfgemeinschaft einen besonderen Stellenwert. Und dabei wird es richtig laut. Die 30 Kinder aus den beiden Ortschaften versammeln sich vor der Dorfkirche, geweiht dem Heiligen Rupert, um zum Klappern der Osterratschen ihre Prozession zu starten: Den Hügel hinauf, wieder zurück, drei Mal um die Kirche, zum Schluss drei Mal um den Altar. Jeweils Karfreitag und Ostersonntag.
Für den Besuch aus Wien hat die medienerfahrene Ortsgemeinschaft schon vorher ein paar Kinder zusammengetrommelt. Und die sind tatsächlich so, wie sich Städter das wünschen: Sie gehen zu Fuß in die Schule, haben kein Handy und lassen sich gern fotografieren.
Sie sind übrigens auch so, wie sich die Einheimischen das wünschen. Gehen in die Kirche und ziehen später nur selten weg.
Sabrina Jörg, 32, ist hier aufgewachsen, hat mit ihrem Mann Haus gebaut, den Kindern steht das ganze Dorf als Spielplatz zur Verfügung. „Von uns Jungen will keiner in die Stadt. Und die, die weg sind, wollen wieder zurück, sobald sie Kinder haben.“ Zweimal im Jahr nach Wien auf die Mariahilfer Straße, das sei Stadt genug.
Dass man mit dem Nachwuchs hier keine Probleme habe, sagt Walter Filler, liege daran, dass man es nicht weit nach Klagenfurt zum Arbeiten habe. Die Jungen bleiben, weil sie nicht wegmüssen. Auch das Verbauen der Landschaft, wie man es aus dem Rest von Österreich kenne, halte sich in Grenzen. „Wir haben Glück, dass bei uns niemand Baugrund verkauft“, sagt Edith Weißnegger. Walter Filler lacht: „I glaub, von den Bauern braucht keiner Geld“. Und, ernster, setzt er hinzu: In anderen Dörfern sei das natürlich ein Problem. Die Jungen gehen weg, der Ort stirbt.
Ein Wirtshaus fehlt
Wenn es so etwas wie einen Treffpunkt hier gibt, dann ist das der Platz vor der Dorfkirche. Eigentlich nur eine Wiese. Es riecht nach Bauernhof, statt Autos hört man Vogelgezwitscher. In der Ferne glitzert der Schnee auf den Gipfeln der Karawanken. Nur ein Wirtshaus fehle zum perfekten Glück, ist man sich einig. In Wabelsdorf gab’s eines, das hat zugesperrt. War ein Familienbetrieb, und wer ehrlich ist, der weiß, was das für Probleme mit sich bringt, wird Altbauer Kunkel später lebenserfahren sagen. „Ich bin 1941 hier geboren, bin ein Oldtimer.“ Weggehen? Die Gelegenheit hatte er nie.
Zurück zum Wirtshaus. Hier auf dem Dorfhügel, die Einheimischen nennen ihn slowenisch Gorize, will man demnächst zumindest einmal so etwas wie ein Vereinshütterl bauen. Denn wo es keine Feste gibt, wird’s schwer mit dem Dorfleben. Bei der Gründung der Dorfgemeinschaft fand das erste Fest seit Jahrzehnten statt. Es wurde so viel getrunken, dass sich Walter Filler dreißig Jahre später noch daran erinnert. Aber es geht natürlich nicht nur darum. Das Vereinsleben ist rege. Von zwei Gesangsvereinen und einer Volkstanzgruppe berichtet Ursula Kriegl, die sich um Dorffeste und Pfarrgemeinderat kümmert.
Bei den Kunraths am Rande des Dorfes bekommt man davon wenig mit. Edwin und Margarete betreiben hier eine Gärtnerei. Seit mehr als vierzig Jahren ein Familienbetrieb, stand zunächst der Gemüseanbau im Vordergrund, heute sind Blumen das Hauptgeschäft. Stammkunden bis aus Deutschland kommen, um sich mit Balkonblühern zu versorgen. In der Pandemie hat auch die Neugier auf Gemüse wieder zugenommen. Jeder will jetzt Paradeiser aus Eigenproduktion.
Und doch nicht am Land
Margarete Kunrath hat den Betrieb vor 25 Jahren übernommen. Zunächst wenig begeistert. „Ich war die Jüngste, ich hatte keine Wahl. Das war früher so.“ Ihre eigenen Söhne, Teenager, haben auch keine große Lust auf die Gärtnerei. Kann ja noch kommen. Was Eiersdorf ausmache? „Du bist am Land, aber doch nicht am Land.“ Die Stadt ist nah. Für Margarete Kunrath ist es trotzdem etwas zu ruhig hier.
Genau daraus aber, aus dieser heiligen Ruh’, besteht die Idylle für manch andere. Am Weißnegger-Hof meint Bäuerin Edith: „Hier gibt es nicht viel Zuzug. Deswegen ist es bei uns gemütlich.“
Und jetzt, zu Ostern, ist ja doch was los. Der Ort wird für ein paar Tage so etwas wie eine Kärntner Lokalgröße. Oder, wie Edith Weißnegger leise lachend sagt: „Zumindest bilden sich das die Eiersdorfer ein.“
Und wer weiß, wie es wird, wenn es erst einmal ein Wirtshaus gibt.
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