Neue Spur zu Nowitschok-Leak: Top-Diplomat unter Verdacht

Das blau beleuchtete Außenministerium
Jan Marsalek zeigte ein Dokument vor, das die Formel zum russischen Nervengift beinhaltete. Dieses lag in drei österreichischen Ministerien. Nun gibt es einen prominenten Verdächtigen.

Die Suspendierung des hochrangigen österreichischen Diplomaten und ehemaligen Generalsekretärs des Außenministeriums, Johannes Peterlik hat brisante Hintergründe. Peterlik steht im Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Verletzung des Amtsgeheimnisses, die Ermittlungen leitet die Staatsanwaltschaft Wien. Im Mittelpunkt des Verfahrens ist ein Geheimpapier mit der Formel des russischen Nervengiftes Nowitschok, das aus einem österreichischen Ministerium stammen soll.

Das Dokument soll in die Hände des flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek gelangt sein, der sich selbst gern mit der Aura eines Geheimdienstlers umgab. Wegen der möglichen Weitergabe vertraulicher Unterlagen zu Nowitschok, die von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW in Den Haag stammen sollen, erstatteten bereits im Juli 2021 das Außen- sowie das Wirtschafts- und Verteidigungsministerium Strafanzeige. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

Im Außenamt sowie im Wirtschafts- und Verteidigungsministerium wird das Dokument mit der Formel des russischen Nervengift Nowitschok, mit dem im Jahr 2018 ein ehemaliger russischer Spion (Sergej Skripal) in Großbritannien vermutlich von russischen Agenten vergiftet worden war, eigentlich gut gehütet. Im Verteidigungsministerium liegt das Dokument in einem videoüberwachten Safe. Auch im Wirtschafts- oder Außenministerium soll das Papier unter Verschluss liegen.

Welches Ministerium gilt nun als mögliche undichte Stelle? Laut KURIER-Informationen soll anhand des Strichcodes auf dem Dokument hervorgehen, dass das Geheimpapier aus dem Außenministerium stammt. Es habe Anzeichen gegeben, dass das Leaken des Dokuments mit dem Außenministerium und Peterlik in Verbindung stehe, erklärte im Ö1-Mittagsjournal auch Nationalratsabgeordnete David Stögmüller (Grüne), der sich im Ibiza-Untersuchungsausschuss mit dem Fall beschäftigt hatte. Kanzler Schallenberg sagte am Rande des EU-Gipfels, er habe hat als Außenminister im September von den Vorfällen erfahren und ein Suspendierungsverfahren eingeleitet.

Marsalek, der mit Hilfe des früheren hochrangigen Verfassungsschützers Martin W. per Privatjet nach Weißrussland flüchtete, kokettierte immer wieder mit seinem Wissen von diesem streng geheimen Papier. „Ich habe von dem OPCW-Dokument gehört, welches Jan Marsalek in England angeblich vorgezeigten haben soll. Marsalek und ich haben uns betreffend das Dokument unterhalten. Er sagte, er habe das Dokument nie vorgezeigt. Er hat es zweideutig formuliert“, so Ex-BVT-Abteilungsleiter Martin W. im Jänner 2021 bei einer Einvernahme durch das Bundeskriminalamt.

Und weiter: „Ich wusste dann nicht, ob er es tatsächlich hatte oder ob er es nur nicht vorzeigte. Wenn er es hatte, kann ich nicht sagen, wie er zu diesem gekommen ist.“

Die Ermittler bohrten aber weiter: „Ist Ihnen bekannt, ob eine Bekanntschaft zwischen Dr. Peterlik und Jan Marsalek besteht?“ fragten sie den Ex-Verfassungsschützer W. Der bestätigte nur, dass Marsalek Peterliks Schwiegervater, einen ehemaligen hochrangigen ÖVP-Politiker, im Herbst 2018 kennengelernt hatte. „Da wurde über mögliche Projekte gesprochen, welche Hr. Marsalek unterstützen könnte“, gab Martin W. zu Protokoll. Dass Johannes Peterlik selbst Marsalek kennengelernt hatte, konnte W. „nicht ausschließen“.

Die Frau des Diplomaten spielt auch bei der Razzia im Verfassungsschutz im Jahr 2018 eine Rolle: Sie war eine der vier Kronzeugen, weswegen es zur Durchsuchung des Verfassungsschutzes gekommen ist.

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