Nach Silvester-Übergriffen: Pfefferspray als Verkaufshit

Pfefferspray-Kauf: Beratung im Jagdgeschäft Dschulnigg.
Engpass bei Waffenhändlern. Vergewaltigte Frau kritisiert Polizei: "Täterschutz statt Opferschutz."

Die intensive Berichterstattung über Massenübergriffe mutmaßlicher Migranten zu Silvester in Köln und Salzburg zeigt bei den (potenziellen) Opfern Wirkung: Sie erstatten immer häufiger Anzeige, sie bewaffnen sich mit Pfeffersprays und sie verschaffen sich verstärkt Gehör.

In Wien und in Salzburg berichten Waffenhändler von einem regelrechten Ansturm besorgter Menschen. Das Interesse an Artikeln zur Selbstverteidigung sei höher denn je. Franz Dorfners Vorrat an Pfefferspray in seinem Waffengeschäft in Wien-Favoriten ist bereits ausverkauft. "Ich rechne damit, dass ich die nächste Lieferung erst in zwei bis vier Wochen bekomme", sagt er.

Bei Constanze Dorn vom Jagdgeschäft Dschulnigg in Salzburg standen die Kunden für Pfeffersprays Schlange. "Das, was Freitag und Samstag los war, habe ich noch nie erlebt", sagt sie. Sie hat bereits einige hundert Stück nachbestellt.

Soziale Medien

Auch bei Reinhold Sodia waren Pfeffersprays am Montag vergriffen. Ereignisse wie die Terroranschläge in Paris und die nun bekannt gewordenen Übergriffe seien deutlich spürbar. "Es kommen nun Menschen zu mir, die normalerweise kein Waffengeschäft betreten würden", erzählt Sodia.

Verstärkt werde der Effekt von den sozialen Medien. Sodias Firma postete auf Facebook ein Bild einer Pfefferspray-Dose und dem Beisatz "Wenn eine Armlänge nicht ausreicht" (gemünzt auf die von der Kölner Bürgermeisterin erteilte umstrittene Verhaltensregel, Distanz zu halten) gefällt 1200 Personen und wurde über 360-mal geteilt.

Pfeffersprays und Elektroschocker seien jedoch das falsche Mittel, werden Sicherheitsexperten nicht müde zu betonen. "Sie können auch gegen das Opfer eingesetzt werden", erklärt etwa Angelika Breser vom 24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien. Viel sinnvoller seien sogenannte Taschenalarmgeräte. Sie sind etwa so groß wie eine Walnuss und ab 10 Euro zu haben. Zieht man an einem Band, löst sich ein Stift und es ertönt ein schriller, bis zu 130 Dezibel lauter Ton.

Nach Silvester-Übergriffen: Pfefferspray als Verkaufshit
Schrillalarm Taschenalarmgerät Frauennotruf
"Der Lärm soll Aufmerksamkeit von Zeugen erregen und die Täter erschrecken", erklärt Breser. "Eine Garantie ist das nicht, aber es ist wichtig, etwas zu haben, mit dem man sich zumindest sicherer fühlt.

Dieses Mittel empfiehlt auch der Frauennotruf in Salzburg den zahlreichen Anruferinnen, die seit den Übergriffen zu Silvester dort Rat suchen. "Wir spüren derzeit eine enorme Alarmiertheit. Deshalb ist die Erreichbarkeit unserer Hotline ( 0662/88 11 00) noch bis Sonntag auf 24 Stunden ausgedehnt", sagt Leiterin Andrea Laher.

Tabuzone

Den Übergriffsopfern stößt vor allem auch die Informationspolitik der Exekutive sauer auf: Sexualdelikte werden von der Polizei in der Öffentlichkeit als Tabu behandelt, angeblich dem Opferschutz zuliebe. Ein Vergewaltigungsopfer kritisiert dem KURIER gegenüber, dass Polizei und Justiz den Opferschutz missbrauchen und dadurch Täterschutz betreiben würden: "Den Opfern wird vermittelt, dass es zu ihrem Schutz sei, wenn ja niemand erfährt, dass so etwas passiert ist. Aber genau das schützt die Täter", sagt die junge Frau.

Nach Silvester-Übergriffen: Pfefferspray als Verkaufshit
sexopfer fußfessel salzburg
Die heute 25-jährige Wienerin war 2006 als 15-Jährige von einem Salzburger Hundetrainer mehrmals vergewaltigt worden. Der Mann musste keinen Tag ins Gefängnis, er durfte seine Strafe mit Fußfessel verbüßen. Das Opfer hatte unangenehme Begegnungen mit dem Vergewaltigter und schlug damals Alarm.

Zur Debatte über den Umgang mit Sexualdelikten sagt sie: "Die Opfer sind nach so einer Tat geschockt, es ist ihnen peinlich und sie geben sich selbst die Schuld. Hören Betroffene jedoch, dass sie nicht die einzigen Opfer sind, so fassen sie Mut und erstatten Anzeige." Überdies würden sich dadurch leichter Augenzeugen finden. Die 25-Jährige hat die Erfahrung gemacht, dass "unsere Politiker, Polizei und Justiz der Bevölkerung immer noch vermitteln, dass wir selbst auf uns aufpassen müssen." Sie bezieht sich dabei auf Aussagen des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl, wonach Frauen nachts nur in Begleitung unterwegs sein sollten.

Am Montag wurde übrigens eine weitere Anzeige zu einem Übergriff bekannt: Eine 16-Jährige soll zu Silvester in Schärding, OÖ, von einem Mann "arabischer Herkunft" begrapscht worden sein. Die junge Frau gab an, sie sei erst jetzt – aufgrund der Berichte über ähnliche Fälle – zur Polizei gegangen.

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