Köln: Polizist schildert "Spießrutenlauf" der Frauen

Nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht verstärkt die Polizei jetzt die Präsenz.
Interner Bericht enthüllt die Überforderung der Kölner Polizei zu Silvester. Merkel kündigt Konsequenzen an.

Nach den massiven Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hat die deutsche Bild am Donnerstag einen internen Erfahrungsbericht eines Polizisten veröffentlicht. Demnach hätten "Frauen mit Begleitung oder ohne einen im wahrsten Sinne ' Spießrutenlauf' durch die stark alkoholisierten Männermassen" durchlaufen, hielt der Leiter einer an dem Einsatz beteiligten Hundertschaft fest.

Im Gespräch mit einem führenden Landespolizisten habe er sogar befürchtet, dass das "Chaos noch zu erheblichen Verletzungen wenn nicht sogar zu Toten führen würde", schrieb der Beamte.

In dem Bericht, der nur für den Dienstgebrauch sei, heißt es laut Bild: "Am Vorplatz und der Domtreppe befanden sich einige Tausend meist männliche Personen mit Migrationshintergrund, die Feuerwerkskörper jeglicher Art und Flaschen wahllos in die Menschenmenge feuerten bzw. warfen".

"Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln"

Auch Spiegel online zitiert einige konkrete Erlebnisse, die in dem Bericht festgehalten wurden und das Ausmaß des Chaos am Kölner Hauptbahnhof zeigen. So sollen etwa Beamte durch enge Menschenringe daran gehindert worden sein, zu Hilferufenden vorzudringen.

Ein Mann wird zitiert: "Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen." Manche Männer sollen vor den Augen der Polizei grinsend ihre Aufenthaltstitel zerrissen und gesagt haben: "Ihr könnt mir nix, hole mir morgen einen neuen."

Es sollen auch Zeugen bedroht und verfolgt worden sein, wenn sie Täter benannten. Erteilte Platzverweise wurden ignoriert und Wiederholungstäter in Gewahrsam zu nehmen, war aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich, heißt es. Nach Gleissperrungen wegen Überfüllung seien Leute einfach auf das Nebengleis und dann über die Schienen wieder auf den gesperrten Bahnsteig gegangen. Dabei habe es körperliche Auseinandersetzungen gegeben, es galt das "Recht des Stärkeren". Außerdem sei der Bahnhof durch Erbrochenes und Fäkalien stark verschmutzt worden, berichtet wiederum Bild.

Situation außer Kontrolle

Die Situation ("Chaos") sei schließlich derart außer Kontrolle geraten, dass laut Autor mit erheblichen Verletzungen oder sogar Todesopfern zu rechnen gewesen sei, heißt es weiter. Daher habe man sich in der Einsatzleitung für eine Räumung des Platzes entschieden. Dazu notiert der Bericht, Polizisten seien "mit Feuerwerkskörpern beschossen und mit Flaschen beworfen" worden. Auch nach der Räumung sei es "immer wieder zu mehrfachen körperlichen Auseinandersetzungen vereinzelter Personen wie auch Personengruppen, Diebstählen und Raubdelikten an mehreren Ereignisorten gleichzeitig" gekommen.

Die Zeitung Express zitierte am Donnerstag einen weiteren Beamten der Kölner Polizei, der im Einsatz war: "Ich habe junge Frauen weinend neben mir gehabt, die keinen Slip mehr trugen, nachdem die Meute sie ausgespuckt hatte", erinnert sich dieser laut Zeitung. "Das waren Bilder, die mich schockiert haben und die wir erstmal verarbeiten mussten." Die Polizisten seien "damit beschäftigt (...), uns selbst zu schützen, da wir massiv angegriffen wurden".

"Noch nie erlebte Respektlosigkeit"

Den Maßnahmen der Beamten sei mit einer Respektlosigkeit begegnet worden, "wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nicht erlebt habe". Weil man nicht genug Einsatzkräfte gehabt habe, seien die Polizisten "ziemlich schnell an die Leistungsgrenze" gekommen. Der Bericht nennt als eines der Hauptprobleme für die Überforderung der Beamten zu wenig Personal und Schwächen bei der Ausrüstung.

Die Kölner Polizei wollte sich zunächst nicht zu den Berichten äußern und vorläufig auch keine Auskünfte mehr zum Ablauf des Einsatzes geben. Zunächst müsse man dem Innenministerium des Bundesland Nordrhein-Westfalen ausführlich Bericht erstatten, erklärte ein Polizeisprecher.

16 Tatverdächtige und 121 Anzeigen

Inzwischen hat die Polizei 16 Verdächtige ausfindig gemacht. "Wir prüfen nun, ob sie tatsächlich in Zusammenhang mit den Taten stehen", sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die Zahl der Strafanzeigen ist unterdessen auf 121 gestiegen.

Die meisten der 16 Verdächtigen seien bisher nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar. Einige Verdächtige seien vorübergehend festgenommen worden, jedoch vor allem wegen Diebstählen, teilweise auch außerhalb von Köln. Bei den Ermittlungen hätten sich Hinweise ergeben, dass diese Männer - alle nordafrikanischer Herkunft - auch mit den Taten am Kölner Hauptbahnhof in Verbindung stehen könnten. Zwei Männer, die bereits am 2. Jänner in Köln festgenommen wurden, sitzen wegen Taschendiebstählen in Untersuchungshaft. Die übrigen Festgenommenen sind nach Angaben des Polizeisprechers wieder auf freiem Fuß.

Bei etwa drei Viertel der angezeigten Taten hätten die Opfer angegeben, sexuell bedrängt worden zu sein. In 50 dieser Fälle seien die Frauen zudem bestohlen worden. Es seien zwei Vergewaltigungen angezeigt worden. Augenzeugen und Opfer hatten nach den Übergriffen ausgesagt, die Täter seien dem Aussehen nach größtenteils nordafrikanischer oder arabischer Herkunft.

Merkel: Widerwärtige Taten, die Deutschland nicht hinnehmen wird

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält weitreichende Konsequenzen für nötig. Der Staat habe die Pflicht, die richtigen Antworten zu finden, „wenn es rechtlicher Änderungen bedarf, oder wenn es auch Polizeipräsenz bedarf“. Zu reden sei unter anderem über möglichen Handlungsbedarf bei der Ausweisung von straffälligen Ausländern. Es sei zu prüfen, „ob wir, was Ausreisenotwendigkeiten anbelangt (...) schon alles getan haben, was notwendig ist, um hier auch klare Zeichen zu setzen an diejenigen, die nicht gewillt sind, unsere Rechtsordnung einzuhalten“. Auch über die Grundlagen des kulturellen Zusammenlebens in Deutschland sei zu sprechen. „Und was die Menschen mit Recht erwarten, ist, dass diesen Worten dann Taten folgen.“

Touristen sagen Köln-Reisen ab

In Köln bekommt nun auch der Tourismus die Konsequenzen zu spüren: Erste Touristen sagen ihre Reisen in die Stadt ab. "Das Image Kölns hat einen Knacks erlitten", sagte der Geschäftsführer von Köln-Tourismus, Josef Sommer, dem Kölner Stadt-Anzeiger (Donnerstagsausgabe).

So habe eine Gruppe aus dem Erzgebirge erklärt, ihre geplante Sommerreise nach Köln abzusagen: "Sie werden verstehen, dass wir Leib und Leben nicht unter diesen Umständen aufs Spiel setzen", hieß es laut Sommer zur Begründung. Es gebe zudem zahlreiche Mails und Anrufe besorgter Touristen und Reiseveranstalter, sagte der Geschäftsführer von Köln-Tourismus weiter.

"Natürlich haben die Geschehnisse dem guten Ruf Kölns als Messe-und Kongress-Standort weltweit weiteren Schaden zugefügt", sagte seinerseits Messechef Gerald Böse. "Wir erhalten viele Anfragen besorgter Aussteller und Besucher aus dem In- und Ausland."

Übergriffe auch in Hamburg

Auch auf der Hamburger Reeperbahn hatte es in der Silvesternacht Übergriffe auf Frauen und Diebstähle gegeben. Bis zum Mittwoch stieg die Zahl der angezeigten Straftaten deutlich auf 53 an, wie die Polizei in der Hansestadt mitteilte. Ähnliche Taten wurden aus Düsseldorf gemeldet. "Die Art der Delikte ist mit denen in Köln vergleichbar", sagte ein Polizeisprecher dem WDR. Elf Frauen hätten Anzeige wegen sexueller Nötigung oder Diebstahls in der Silvesternacht gestellt.

Tatverdächtige konnten in Hamburg noch keine ermittelt werden. Die Polizei sei noch dabei, das Bildmaterial auszuwerten und Zeugen und Opfer zu befragen, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. "Wichtig für uns ist, dass sich alle Opfer melden", sagte der Sprecher. Er unterstrich, dass es sich bei den Taten, bei denen junge Frauen von einer Gruppe Männer umzingelt und sexuell belästigt und auch bestohlen werden, um ein neues Phänomen handle. Auch auf anderen Veranstaltungen wie dem Hafengeburtstag habe es immer wieder Belästigungen und Diebstähle gegeben, aber nicht in der vorliegenden Form.

CDU: Mehr Videoüberwachung

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es müsse "nun alles getan werden, damit die Wahrheit herauskommt". Gebraucht werde dann eine "klare und harte Antwort des Rechtsstaats". Übergriffe wie diese seien "nicht kleinzureden und durch nichts zu entschuldigen", sagte Seibert.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte, "mit aller Konsequenz des Rechtsstaats" gegen die Täter vorzugehen. Zugleich sagte er, die Vorfälle müssten "erst in Ruhe geklärt werden".

CDU-Generalsekretär Peter Tauber fordert nach den Übergriffen auf Dutzende Frauen in Köln mehr Videoüberwachung und mehr Licht auf öffentlichen Plätzen von Großstädten.

Kritik an Polizei

Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag) zum Polizeieinsatz: "Die Polizei muss sich die Frage stellen lassen, ob sie die Vorfälle wirklich schon in der Silvesternacht ernst genug genommen hat." Es solle aber keine vorschnellen Schuldzuweisungen geben.

Angesichts von Zeugenaussagen, dass die aggressive Menge in Köln vor allem aus Männern nordafrikanischer Herkunft bestand, geht auch die Debatte über die Abschiebung straffälliger Ausländer weiter. Maas vertrat die Auffassung, falls Asylsuchende unter den Tätern gewesen sein sollten, so könnten sie ausgewiesen werden. Das erlaube das Gesetz bei Verurteilungen zu mehr als einem Jahr, die bei Sexualdelikten durchaus möglich seien.

Sexuelle Gewalt ist kein Kavaliersdelikt und muss thematisiert werden", betonte sie in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Sie verwies außerdem auf das neue Sexualstrafrecht, das gerade in Kraft getreten ist.

"Jede zweite Frau in Europa hat bereits sexuelle Belästigung erlebt. In Österreich betrifft dies jede dritte", erklärte Heinisch-Hosek. Bei sexueller Belästigung gehe es auch um die Ausübung von Macht, um Grenzüberschreitung und Selbstbestätigung auf Kosten von Frauen. "Noch immer nehmen sich manche Männer Dinge heraus, die völlig inakzeptabel sind und haben dabei offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein. Sie betrachten Frauen als Objekte, nicht als gleichwertige Menschen", kritisierte die Ministerin.

Im neuen Sexualstrafrecht würden Täter viel strenger - beziehungsweise in Hinblick auf sexuelle Belästigung erstmals - bestraft, unterstrich Heinisch-Hosek. Unter dem Motto "Ein 'Nein' muss genügen" werde es etwa strafbar, wenn ein Täter eine sexuelle Handlung zwar ohne Drohung oder Gewalt setzt, aber trotzdem gegen den erkennbaren Willen des Opfers.

Team Stronach: "Störung des sozialen Gleichgewichts"

Robert Lugar, Klubobmann des Team Stronach, kündigte indes in einer Aussendung eine parlamentarische Anfrage an die Innenministerin an. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) solle offenlegen, wie viele Anzeigen über Belästigungen in Österreich bis dato bei der Polizei eingegangen seien. "Die schrecklichen Übergriffe auf Frauen zu Silvesterabend in Köln sind offensichtlich nur der Anfang einer unsäglichen Entwicklung." Seine Warnungen würden bestätigt, meinte Lugar: "Der unkontrollierte Zuzug von Einwanderern führt zu einer Störung des sozialen Gleichgewichts in unserem Land."

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