Mysteriöser Vermisstenfall in OÖ: Der Ermittlungsakt Christa P.
Es ist der 18. Mai.
Plötzlich ist auf einem Facebook-Profil der vermissten Christa P. ein Hilferuf zu finden: „Bitte hilft (sic!) mir!!!“ Dazu taucht ein neues Bild von ihr auf. Es zeigt die Oberösterreicherin im Bikini. Zu diesem Zeitpunkt wird die 54-Jährige bereits seit mehr als sechs Monaten vermisst.
Die Polizei ermittelt wegen möglicher Freiheitsentziehung. Christa P., so die Annahme, könnte irgendwo gefangen gehalten werden. Dazu passen auch Nachrichten an ihre Verwandten: Sie sei in Bulgarien, habe sich gerade aus einer Sekte befreit, schreibt angeblich die Vermisste.
Am 18. Juni allerdings ist es traurige Gewissheit: Christa P. lebt nicht mehr. Ihre vergrabene Leiche wird in einem Feld in Linz-Ebelsberg gefunden.
Ein Bekannter der Frau wird festgenommen. Christa P., so sagt er, habe bei ihm übernachtet. Man habe gemeinsam sehr viel Alkohol konsumiert. Als er aufwachte, sei Christa P. tot gewesen. Da sei er panisch geworden und habe die Leiche der Frau vergraben. Der Mann wird wieder freigelassen.
Störung der Totenruhe
Woran Christa P. gestorben ist, bleibt bis heute unklar. Äußerlich gab es, soweit noch beurteilbar, keine Hinweise auf Gewalteinwirkung. Ein abschließendes Obduktionsergebnis und auch das toxikologische Gutachten stehen aus. In Haft befindet sich aktuell niemand. Nur gegen P.’s Bekannten wird wegen Störung der Totenruhe und unterlassener Hilfeleistung ermittelt.
Doch der Fall hat viele bemerkenswerte Aspekte – wie auch aus dem Akt hervorgeht, der dem KURIER vorliegt.
Ursprünglich war ein anderer Mann in den Fokus der Ermittler gerückt: Dieser, so schilderten es Familienmitglieder, sei in Christa P. verliebt und „krankhaft eifersüchtig“. Doch er bestritt, etwas mit dem Verschwinden der zweifachen Mutter zu tun zu haben. Beweise gab es nicht.
Lokaltour vor Verschwinden
Vor ihrem Verschwinden jedenfalls macht Christa P. eine ausgedehnte Lokaltour. Mehrere Zeugen schilderten, dass sie gut gelaunt und aufgekratzt gewesen sei. Vielleicht auch deshalb, weil sie am 14. Oktober eine neue Wohnung beziehen sollte. Als sie bei einem Lokal einen Bekannten trifft, will man gemeinsam weitertrinken. Doch es ist bereits Sperrstunde. Also fährt man in die Wohnung des Bekannten, um weiterzutrinken.
Blutspritzer
Der Mann – er soll in der Suchtgift-Szene verkehren – gibt später an, dass man gemeinsam noch ein Sechsertragerl Bier getrunken habe. Dann sei die schwer betrunkene Christa P. eingeschlafen. In der Früh habe sie sich verabschiedet und sei gegangen. Die Polizei untersucht seine Wohnung mit Leichenspürhunden. Zwar finden sich einzelne, kleine Blutspritzer. Doch kein Hinweis darauf, dass Christa P. hier ermordet worden sein könnte.
Die Aussage des Bekannten allerdings bekommt Risse, als ein Verwandter von ihm bei der Polizei „ablegt“: Der Bekannte habe sich ihm anvertraut.
Er habe mitbekommen, dass Christa P. zu röcheln begonnen habe. In Panik habe er einen Freund angerufen und schließlich die Leiche der Frau aus der Wohnung gebracht und vergraben. Der Rucksack der Verstorbenen sei im Keller versteckt.
Vier Telefonate
Wie sich herausstellte, stimmten diese Angaben. Gleich vier Mal telefonierte der Bekannte mit seinem Freund. Das erste Mal am 13. Oktober um 23.45 Uhr, das letzte Mal am 14. Oktober um 2.26 Uhr.
„Beim ersten Mal hat er mir erzählt, dass Christa komplett angesoffen ist und bei ihm zu Hause am Boden liegt“, schilderte der Gesprächspartner bei der Polizei. Beim zweiten Gespräch sei er deutlich nervöser geworden – Christa sei nicht mehr aufzuwecken. „Ruf den Notarzt“, habe er dem Bekannten geraten. Doch das tat der Mann nie. Erst Tage später habe er erfahren, dass Christa P. gestorben sei.
Wie der Bekannte wenig später gestand, habe er Christa P. in ein Leintuch eingewickelt, geschultert und zu einem Acker gebracht – das alles allein, wie er betonte. Trotz seiner erheblichen Alkoholisierung. Dort habe er einen Spaten gefunden und ein Loch gegraben.
Christa P.’s Leiche wurde später in einem Meter Tiefe gefunden. In schwerem Lehmboden, den die Polizisten selbst nur mithilfe eines Frontladers abziehen konnten.
14. Oktober 2023
Christa P. verschwindet. Zuletzt wird die 54-Jährige
in Linzer Lokalen gesehen. Sie konsumiert sehr viel Alkohol. Danach übernachtet sie bei einem Bekannten – sagt der Bekannte.
Laut seinen Angaben verabschiedet sie sich dann in der Früh und geht
16. Oktober 2023
Die Mutter von Christa P. meldet ihre Tochter als vermisst
17. Juni 2024
Ein Verwandter des „Bekannten“ teilt der Polizei mit, dass sich dieser ihm anvertraut habe. Christa P. sei tot
18. Juni 2024
Die Leiche der Frau wird 300 Meter entfernt, in einem Feld vergraben, gefunden
Lebenszeichen?
Mehrere Aspekte in dem Fall werfen noch immer Fragen auf. Etwa, wer die Nachrichten von P.’s Handy bzw. Facebook-Account geschrieben hat. Schon am 14. Oktober bekam der Arbeitgeber der Frau eine Nachricht – angeblich von Christa P. Diese erklärte, dass sie heute nicht zur Arbeit kommen könne. Im Akt finden sich dazu keine Ergebnisse. Auch keine Befragungen der Verdächtigen.
Außerdem findet sich der Zeugenhinweis einer Frau, die bereits am 30. Jänner eine bemerkenswerte Angabe machen konnte: „Mir ist Scheiße passiert“, soll Christa P.’s Bekannter zugegeben haben. Und: „Für die bekomm ich dieses Mal lebenslang.“ Mit der Aussage dürfte der Mann nicht konfrontiert worden sein.
Zudem gibt es Gerüchte, dass der Bekannte und Christa P. nicht allein in der Wohnung gewesen sein sollen. Ebenfalls brisant: Christa P. soll kurz vor ihrem Verschwinden eine Lebensversicherung abgeschlossen haben.
Das Handy der Oberösterreicherin ist bis heute nicht aufgetaucht. Es könnte wichtige Hinweise liefern.
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