"Es ist ein chronisches Löcherstopfen, was bedeutet, dass die Kinder bei Personen sind, zu denen sie keine Vertrauensbasis haben. Bildung ist fast unmöglich. Wenn man mit 25 Kindern alleine ist und alle einen unterschiedlichen Sprach- und Bildungsstand haben, kann das nicht funktionieren. Man stellt sich vor, wie man mit Kindern arbeiten möchte. Und in der Realität rennt man von einem Eck’ ins andere, schaut, dass sich niemand beißt, zwickt, schlägt oder sich die Haare abschneidet. Vor allem in privaten Kindergärten wird nach außen hin viel kaschiert, weil sie Geld damit verdienen wollen. Die Pädagoginnen sind oft alleine, da geht es nur ums Überleben. Auf den Auftritt nach außen wird sehr geachtet: Es gibt Feste, Zeitungen, kreative Werke. Aber es ist ein Trugschluss, dass alles in liebevoller, individueller Arbeit entstanden ist. Manchmal machen die Pädagoginnen die Arbeiten fertig, damit man etwas herzeigen kann. Im städtischen Kindergarten ist es besser. Jetzt kann ich mehr umsetzen, was ich gelernt habe."
Ida, städtischer Kindergarten Wien (davor privater)
"Das Kind ist alles andere als gut aufgehoben"
"Es ist schon vorgekommen, dass ich mit 14 Kindern – das jüngste war vier Monate und die ältesten zum Eintrittszeitpunkt 18 Monate alt – alleine im Raum war. Ein Raum voller schreiender Kinder. Du sitzt irgendwann nur noch am Boden, die Kinder liegen um dich herum und du schaust, dass das eine Kind nicht über das andere fällt oder auf das Baby steigt. Der Lärmpegel! Es ist, wie wenn du stundenlang neben einem Presslufthammer stehst. Wir haben ein Kind in der Gruppe gehabt, das stark allergisch auf Milchprodukte und Eier war. Wir haben das gewusst. Und dann war Sommerbetrieb, Kolleginnen waren auf Urlaub, wir haben Gruppen zusammengelegt. Alles Kleinkinder. Ich war mit einer Kollegin alleine im Raum. Du kennst die Kinder zum Teil nicht, weißt nicht, was sie brauchen. Gleichzeitig musst du den Eltern das Gefühl vermitteln, ihr Kind ist gut aufgehoben, obwohl es alles andere als gut aufgehoben ist. Es plärrt die ganze Zeit, und du kannst nichts machen, weil du nur zwei Hände hast. Die Kinder haben geschrien. Meine Kollegin und ich sind nur noch von einem zum nächsten: Windeln wechseln, trösten, Nase abwischen. Zu Mittag haben wir alle Kinder füttern müssen. Rotz überall, Tränen überall. Wir sind dagesessen – jeder von uns eine Schüssel, einen Löffel in der Hand und wir haben der Reihe nach den Kindern das Essen in den Mund geschoben und dabei ganz vergessen, dass wir ein Allergikerkind in der Gruppe haben. In der Ruhestunde haben wir auf einmal gesehen, scheiße, es bekommt rote Flecken. Was war in den Nockerln drinnen? Das Kind hat uns die Gruppe vollgespieben. Wir haben noch Glück gehabt, dass nichts Ärgeres geschehen ist. Aber trotzdem, das darf nicht passieren. Du kannst die Qualität, die du bringen willst, nicht gewährleisten, weil du so überfordert bist. Weil du ein Mensch bist."
Renate, privater Kindergarten Wien
"Die Kinder werden von Angelernten betreut"
"Es gibt Vorgaben, wie der Personalschlüssel zu sein hat. Es sind aber nicht genügend Elementarpädagogen am Arbeitsmarkt. Ich kenne keinen Kindergarten, der nicht von Pädagoginnen mit Nachsicht Gebrauch macht. Das ist aber ein Notfallplan. Sie müssen nämlich nur pädagogische Erfahrung haben, keine elementarpädagogische Ausbildung. Also werden die Kinder von Menschen betreut, die quasi nur angelernt sind. Der Unterschied zwischen privaten und städtischen Kindergärten ist groß: Wir haben keinen Pool an Fachkräften, auf den wir zurückgreifen können. Wir müssen auch keinen Garten oder Bewegungsraum haben. Außerdem müssen in städtischen Kindergärten beide Eltern berufstätig sein, das ist bei uns nicht so. Was heißt, dass die Eltern teilweise bildungsferner und finanziell benachteiligter sind. Es bräuchte aber den gleichen Maßstab."
Barbara, Leiterin privater Kindergarten Wien
"Eltern verstehen nicht, was wir machen"
"Manche Eltern verstehen nicht ganz, was wir Pädagoginnen im Kindergarten alles machen. Sie glauben, wir sitzen mit einem Kaffeehäferl am Rand und schauen zu, wie Kinder spielen. 'Ist doch eh recht entspannt.' Die Tante ist halt da, singt ein bisserl, bastelt, geht raus in den Garten, spielt Gitarre. Aber dass wir die Kinder bei so vielen Prozessen begleiten, mit ihnen Essen und Trinken, dass wir am Klo helfen, wickeln und sie schlafen legen, das sehen sie nicht. Eigentlich verfolge ich das Konzept, dass ich zu den Kindern eine Bindung aufbaue. Durch Bindung kann Bildung entstehen. Aber dafür bleibt einfach keine Zeit."
Eva, privater Kindergarten Wien
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