Missstände in Kindergärten: "Haben vergessen, dass das Kind Allergien hat"

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Fünf Pädagoginnen berichten anonymisiert, wie es in Österreichs Kindergärten aufgrund der Personalnot zugeht und was die Eltern nie zu hören bekommen.

Sie sind teilweise für bis zu 50 Kinder alleine verantwortlich, berichten von Schützlingen, die nicht getröstet werden können und Allergien, die vor lauter Stress vergessen werden. Von elementarer Bildung und Schulvorbereitung könne längst keine Rede mehr sein. Es gehe um Beaufsichtigung. Darum, die Kinder am Ende des Tages wieder heil den Eltern zu übergeben. Den Einblick, den fünf Kindergartenpädagoginnen dem KURIER in ihre Arbeit geben, zeigt ein erschreckendes Bild.

"Wir dürfen den Eltern nichts sagen"

"Ich bin oft stundenweise mit bis zu 50 Kindern alleine – da geht es nur noch darum, dass keiner stirbt. Die schlimmsten Momente sind, wenn sich gerade drei Kinder gleichzeitig in die Hose gemacht haben, ein Kind aus dem Fenster klettert, drei Eingewöhnungskinder zu ihrer Mama wollen und das Kind mit Autismus-Spektrum-Störung nur noch schreit. Dann denke ich mir: Wieso habe ich mir diesen Beruf ausgesucht? Ich halte das nicht aus. Besonders in letzter Zeit bin ich sehr verzweifelt. Ich gebe so viel und erreiche nichts. Den Eltern dürfen wir davon nichts sagen. Ich will mit diesen Kindern pädagogisch hochwertig arbeiten, aber das ist nicht möglich. Es geht nur darum, den Tag zu überstehen. Ich habe ja dazwischen nicht einmal Zeit, um aufs WC zu gehen. Es ist ein Teufelskreis. Viele Pädagoginnen steigen aus, weil sie wegen des Personalmangels überlastet sind. Und der Personalmangel wird wiederum größer. Es überrascht mich auch, welche Erwartungen die Eltern haben. Vor Kurzem hatten wir Elternabend und ich musste mich rechtfertigen, warum die Kinder nicht den ganzen Tag bei derselben Pädagogin sind. Das geht sich einfach nicht aus, weil viele in Teilzeit arbeiten. In dem Beruf gibt es eben viele Frauen. Bei uns sind alle unzufrieden, auch die Leitung des Kindergartens. Es gibt zu wenig Geld von der Stadt Wien und von den Eltern können wir auch nicht mehr verlangen. Deswegen versucht die Leitung, die gesetzlichen Vorgaben gerade so abzudecken."
Marion, privater Kindergarten Wien

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