Millionencoup: Minister heizt Rechtsstreit an

68 Schließfächer in drei Banken wurden leer geräumt. In nur wenigen Stunden machten die Kriminellen Beute im zweistelligen Millionenbereich (Symbolbild).
Banken sollen für gestohlenes Vermögen aus 68 Schließfächern aufkommen. Der OGH sieht das anders.

In nur einer Nacht haben 68 Bankkunden in Niederösterreich und Wien ein Vermögen im zweistelligen Millionenbereich verloren. Seit November ist völlig unklar, was sie von ihrem gestohlenen Hab und Gut aus den Bankschließfächern zurückbekommen. Einige haben bereits die Banken geklagt, andere setzen auf Verhandlungen ihrer Anwälte.

Der Rechtsstreit wird nun jedenfalls noch einmal ordentlich angeheizt – und zwar ausgerechnet durch Konsumentenschutzminister Rudolf Anschober (Grüne). Wie aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung seines Ministeriums hervorgeht, müssen die Institute voll für die Safeinhalte haften. Der Oberste Gerichtshof sieht das allerdings völlig anders.

Vertragsklauseln in den Safemietverträgen, wonach die Banken bei leichtem Verschulden nur bis zu einer Höchstgrenze von 3.500 Euro geradestehen müssen, sieht Anschobers Ministerium als „gesetzeswidrig und unwirksam“ an. „Das Konsumentenschutzgesetz verbietet Haftungsbeschränkung bei leichtem Verschulden in Fällen, in denen das Unternehmen Sachen des Verbrauchers in seinen Gefahrenbereich übernimmt.

Millionencoup: Minister heizt Rechtsstreit an

Eine Kamera spionierte die Pin-Eingabe am Safe-Terminal aus.

Bei Safe-Mietverträgen kommt es zu einer solchen Gefahrenübernahme, da sich das Kreditinstitut ausdrücklich verpflichtet, den Safe und damit auch die in ihm befindlichen Sachen zu sichern“, so Anschober. Das Sicherheitssystem werde ausschließlich vom Kreditinstitut gestaltet und kontrolliert. Es sei daher kein sachlicher Grund erkennbar, warum sein Versagen Kunden zur Last fallen sollte, so das Ministerium.

OGH sagt das Gegenteil

Völlig verwundert über diese Aussage ist man bei der Raiffeisenbank. „Die Rechtsansicht des Bundesministeriums widerspricht damit der höchstgerichtlichen Judikatur“, sagt Unternehmenssprecherin Michaela Haber. Nach einem Verbandsprozess der Arbeiterkammer gegen die Raiffeisenbank betreffend der Klauseln für die Kundensafes, wurden die Haftungsbeschränkungen vom OGH als wirksam anerkannt.

Hinter den Kulissen laufen Verhandlungen, wie viel von dem Millionenschaden die Banken ihren Kunden ersetzen. Über die Inhalte wurde bisher Stillschweigen vereinbart. Haber will nur so viel verraten: „Wir führen konstruktive Gespräche mit den betroffenen Kunden, die wegen der Besonderheit des Sachverhalts nachvollziehbarerweise länger dauern.“

Millionencoup: Minister heizt Rechtsstreit an

Bis zu sieben Täter, vermutlich sechs Männer und eine Frau, waren an dem Millionencoup beteiligt.

Wie vom KURIER berichtet, hatte eine gewiefte Bande am 13. November in einer konstatierten Aktion 68 Schließfächer geknackt – 29 in der Bank Austria in Klosterneuburg, 31 in der Raiffeisenbank Mödling und 8 in der Raiffeisen-Filiale Wien-Döbling. Es fehlen Geld, Schmuck, Uhren und Wertpapiere in zweistelliger Millionenhöhe. Die Tätergruppe war seit August 2020 mehr als 40-mal unbehelligt zum Auskundschaften in die Saferäume eingedrungen.

Wenn ein vermeintlich sicheres Schließfachsystem derart leicht umgangen wird, sehen die Opferanwälte, der Verbraucherschutzverein (VSV) und die Plattform für kollektiven Rechtsschutz „Cobin Claims“ die Banken in der Pflicht. Diese argumentieren allerdings mit ihren Haftungsbeschränkungen.

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Tatort-Ermittler sicherten die Spuren in den drei Banken.

Zusatzversicherung

Wer also keine Zusatzversicherung über den Inhalt des Safes abgeschlossen hat, sei streng genommen nur bis 3.500 Euro versichert. Ein wesentlicher Knackpunkt ist vor allem der Nachweis und die Dokumentation des Safeinhalts, sagt Opferanwalt Johannes Schriefl.

Nur zu behaupten, ein paar hunderttausend Euro verwahrt zu haben, sei vermutlich zu wenig. Problematisch könnte es für jene werden, die ihr Vermögen in anonymen Sparbüchern gebunkert haben. „In solchen Fällen müssten wir ja Meldung an die Finanz machen“, so Haber.

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