Faktencheck: Welchen Sinn haben Messerverbote?
Deutschland diskutiert nach dem Anschlag in Solingen über eine Reduktion der erlaubten Klingenlänge. In Österreich wird nach verschiedenen Kriminalfällen über Trageverbote und Verbotszonen gesprochen.
Doch welchen Sinn hat das alles tatsächlich?
Österreichs Umgang mit Messern gehört jedenfalls zu den liberalsten in ganz Europa. So lange sie nicht offen getragen werden, können sie überallhin mitgenommen werden. Tatsächlich gelten sie rechtlich als Werkzeug, erst beim Einsatz gegen Menschen werden sie zur Waffe.
Schaut man in die Kriminalstatistik, gibt es jedenfalls keine auffällige Steigerung. Die Delikte mit Stichwaffen (dazu zählen auch Messer) schwanken seit über einem Jahrzehnt zwischen 2.000 und 2.500 pro Jahr. Der bisherige Höhepunkt wurde dabei in den Jahren 2016 und 2017 registriert.
Ein seriöser Vergleich beispielsweise mit Deutschland ist nicht möglich, da dort komplett anders gezählt wird. Innerhalb Österreichs sinkt die Gewaltkriminalität aber konstant. In den 70er-Jahren wurden über 70.000 Schuldsprüche jährlich wegen Gewalttaten verhängt, heute ist das nur noch bei rund 6000 Gerichtsverfahren der Fall. Auch Delikte mit Schusswaffen haben sich im vergangenen Jahrzehnt praktisch halbiert.
Die Angst vor Messern ist groß, aber nicht unbegründet. Experten raten nicht umsonst in Selbstverteidigung geübten Menschen bei Pistolen auf den Angreifer loszugehen, bei Stichwaffen hingegen wegzulaufen. Englische Studien zeigen sogar, dass wenn Medien häufiger Messer zu Straftaten abbilden, die Bevölkerung sich mehr bewaffnet - und dann die Kriminalität wiederum steigt. Einige Dienststellen verschicken deshalb mittlerweile keine Fotos von Tatwaffen an die Medien.
Ist das Problem mit den Messern also mehr im Kopf als in der Realität?
In Wien setzt die Polizei jedenfalls auf Waffenverbotszonen. Aktuell dürfen etwa Messer am Praterstern und am Reumannplatz nicht griffbereit in der Hosentasche getragen werden (im Rucksack hingegen schon), eine weitere Zone am Donaukanal wurde wieder aufgehoben.
Laut Polizei wurden innerhalb von fünf Jahren in den drei Bereichen rund 300 Messer abgenommen. Die Zahlen schwanken monatlich, denn sie hängen vor allem von der Zahl der Schwerpunktkontrollen an, wie es bei der Exekutive heißt. Hinweise auf das tatsächliche Kriminalitätsgeschehen liefert die Statistik also nicht.
Wiener Polizei und Innenministerium sehen Erfolge
"Insgesamt ist festzustellen, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen", betont die LPD Wien. "Die strafbaren Handlungen sind merklich zurückgegangen. Dies ist der gesonderten Bedachtnahme im regulärem Streifendienst, der erhöhten Fußstreifentätigkeit, den gezielten Schwerpunktaktionen diverser Einsatzgruppierungen geschuldet. Neben der Verordnung der Waffenverbotszone gibt es bekanntlich auch ständige und mobile Videoüberwachung im Bereich Reumannplatz und Keplerplatz."
"Eine Verlagerung der Kriminalität auf andere Örtlichkeiten ist nicht festzustellen", betont auch Paul Eidenberger, Sprecher des Innenministeriums.
Expertin skeptisch zu Sinn von Messerverboten
"Grundsätzlich gibt oder gab es keinerlei Begleitstudie der eingeführten Waffenverbotszonen", kritisiert hingegegen Hannah Reiter vom kriminalsoziologischen Institut Vicesse. "Vom Innenministerium hierzu veröffentlichte Anzeigestatistiken sind etwas mit Vorsicht zu genießen, da diese zeitlich begrenzt immer nur einen Ausschnitt zeigen können. Eine Steigerung der Statistik zeigt eine Steigerung der Anzeigehäufigkeit, was multifaktoriell bedingt sein kann - höheres Vertrauen in die Polizei, mehr 'awareness' in der Gesellschaft."
Und weiter meint die Expertin: "Bei Waffenverbotszonen im Speziellen beobachten wir einen Verdrängungseffekt, daher das Problem - Waffen, Alkohol, Drogen - verlagert sich also vom einen zum anderen Ort. Man kann dies in Wien gut auch am Praterstern beobachten, der schon länger eine Alkohol- und Waffenverbotszone hat."
Insgesamt lasse sich sagen, dass das Problem mit anlassbezogener Gesetzgebung häufig ist, dass die grundlegenden Probleme, die hinter sozialen Phänomenen stecken nicht angetastet werde, so Reiter. Hier könne man auch präventiv vorgehen, etwa Jugendlichen Perspektiven zu eröffnen.
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