LH Kaiser zu Pandemiebewältigung: "Seit Mai kein Kontakt zum Kanzler"
Niederösterreich hat mit einer Impfpflicht für Neuzugänge im Landesdienst aufhören lassen. Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser, spricht sich dagegen aus und fordert den Bund dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Denn seit Mitte Mai habe es keine Treffen zwischen Kanzler und Landeshauptleuten mehr gegeben.
KURIER: Dem Vorstoß von Niederösterreichs Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), nur mehr vollständig Geimpfte in den Landesdienst aufzunehmen, will Kärnten nicht folgen. Warum?
Peter Kaiser: Wir sagen nicht generell nein. Aber wir finden, dass es bundesweit einheitliche Richtlinien braucht. Insbesondere dann, wenn es um so entscheidende Fragen wie eine Impfpflicht für Berufsgruppen geht, wo eine Impfung zur Voraussetzung für die Aufnahme in einen neuen Job wird. Das sind Dinge, die von einer medizinischen Expertise begleitet werden müssen. Wir haben das nationale Impfgremium. Dieses wäre aufgefordert, sich damit auseinanderzusetzten. Ich möchte verhindern, dass wir einen bundesweiten Fleckerlteppich erhalten. Die nun gefallene Entscheidung einer Impfpflicht mag vielleicht auf den ersten Blick richtig erscheinen.
Und auf den zweiten?
Wird man merken, dass man Konkurrenz in manchen Berufsfeldern provoziert. Was letztendlich nach einer Pandemie wieder sehr schwer zu begleichen sein wird. Grundsätzlich zu entscheiden, ich stelle nur mehr Leute an, die geimpft sind, das ist keine logische, keine konsistente und schon gar keine die Pandemie nachhaltig bekämpfende Maßnahme.
Kein Kontakt zwischen Bund und Ländern
Der Ruf aus den Ländern nach Expertise vom Bund, und vor allem Entscheidungen, ertönt seit langem. Haben Sie das Gefühl, dass er gehört wird?
Seit der Kanzler ausgerufen hat, dass das Schlimmste überstanden ist, hat es keinerlei Kontakte mehr auf dieser Ebene gegeben. Das letzte Mal war Mitte Mai, dass Landeshauptleute und Regierung zusammentroffen sind. Seit damals ist kein direkter Kontakt mehr da. Zumindest nicht mit Kärnten. Aber es muss so etwas wie eine Gesamtverantwortung geben. Eine Pandemie ist ja nicht in ihrer Zuständigkeit in einer Landesverfassung verankert. Pandemiebekämpfung ist Bundesaufgabe. Man kann, am Besten im Einvernehmen, über Aufgabendelegierungen sprechen. Aber in einer Pandemie, wo viel Sachverstand, Expertise und das Einkalkulieren täglicher Veränderung gefordert ist, kann ein Landeshauptmann diese Entscheidungen nicht abnehmen.
Warum übernimmt der Bund diese Aufgabe nicht?
Da bin ich leider die falsche Adresse. Da müsste man den Bundeskanzler, den Gesundheitsminister und andere fragen. Ich glaube, dass es vielleicht ein bisschen Verantwortung von sich schieben ist, und dass man zumindest die Dialoge zu entscheidenden Fragen wiederaufnehmen müsste.
Wir brauchen eine Atmosphäre, die nicht in Richtung Segregation geht. Wir müssen möglichst viele in Richtung Impfung, Richtung Herdenimmunität bewegen.
Gibt es Ansätze für ein Treffen?
Wir in Kärnten sind in 18 Monaten bereits 184 Mal im Koordinationsgremium zusammengesessen, plus den Sitzungen mit den Impfgremien. Dasselbe erwarte ich von Leuten auf Bundesebene, die noch dazu die Hauptverantwortung tragen.
Pläne für den Schulstart
In wenigen Wochen beginnt die Schule wieder. Viele Eltern sind besorgt, wie das neue Schuljahr verlaufen wird. Was können Sie diesen mitgeben?
Es ist alles zu tun, damit wir den permanenten Präsenzunterricht aufrecht erhalten können. Und es sind die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, dass jene, die jetzt noch keine Impfzulassungen haben, sprich alle unter Zwölfjährigen, getestet werden. Jene, die keine Impfung haben, müssen sich Testungen unterziehen. Pädagoginnen und Pädagogen, die nicht geimpft sind, müssen sich testen lassen. Und für jene, die sich auch nicht testen lassen wollen, ist eine FFP2-Maske zwingend zu verordnen. Wir überlegen auch Messgeräte für Klassenzimmer, die anzeigen, wenn der Co2-Gehalt zu hoch ist und wann gelüftet werden muss.
Wie wollen Sie Menschen überzeugen, die sich nicht impfen lassen wollen?
Wir haben in Kärnten jene 20 Gemeinden herausgefiltert, die die geringste Durchimpfungsrate haben. In Absprache mit den Bürgermeistern wird dort an jeden Haushalt ein Flugblatt mit der Info ergehen, wann mobile Impfteams vor Ort sein werden. So werden alle anderen Unbillen, außer vielleicht die innere Ablehnung gegen die Impfung, ausgeschaltet. Der Bund ist aber aufgefordert, die größten Vorbehalte, warum man sich nicht impfen lassen will, immer wieder zu entkräften. Wir brauchen eine Atmosphäre, die nicht in Richtung Segregation geht. Wir müssen möglichst viele in Richtung Impfung, Richtung Herdenimmunität bewegen.
Die Corona-Zahlen in Österreich steigen wieder. Welche Einschränkungen wären aus Ihrer Sicht für die Bevölkerung denkbar?
Gerade in der kälteren Jahreszeit, wird das Tragen von Mund-Nasen-Schutz wieder eine zu überlegende Variante sein. Es ist ein geringes Mittel mit relativ hohem Schutzwert.
Im November will der Gesundheitsminister mit der dritten Impfung, der Auffrischung, beginnen. Dieses Mal nur mit Hilfe der Hausärzte. Ist dies nicht realitätsfremd?
In Kärnten haben wir jederzeit die Kapazitäten, die Impfstraßen hochzufahren. Wenn es nach der Neun-Monate-Regelung gehen soll, würden wir in der selben Reihenfolge wie damals impfen. Ich muss nur wissen, ab wann es so weit sein soll. Und: Wir werden die adäquaten Dosen brauchen, um Impfen zu können.
Weg von Corona hin zur SPÖ: Vor zwei Wochen haben Sie Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands LH Hans Peter Doskozil in Kärnten zu einem Versöhnungsgespräch vereint. Herrscht nun Friede in der Partei?
Ich habe in Wirklichkeit nur gemacht, was viele Parteimitglieder gerne gemacht hätten. Nämlich beide zusammenzubringen und klar zu sagen: Wichtig ist, dass wir geschlossen sind, dass wir keine Angriffsfläche bieten. Von mir aus intern streiten, aber nach außen Geschlossenheit vermitteln. Ich hoffe es gelingt, und jeder und jede kann gleich viel dazu beitragen.
Bräuchte es nicht einen offenen Diskurs, warum 25 Prozent der Parteichefin beim Parteitag die Gefolgschaft verweigert haben?
Ich warne davor, eine delegiertenverhaltensforensische Überprüfung anzustellen. Das Ergebnis steht, wie es steht. Die 25 Prozent kann man überzeugen, indem man diese Geschlossenheit vermittelt. Es sind Dinge möglich, das weiß ich, weil ich Kärntner bin. Von 1989, als wir den LH-Sessel in Kärnten verloren haben, bis 2010, haben wir uns intern selbst zerfleddert und waren damit logischerweise nur mehr für eine kleine Anzahl an Leuten wählbar.
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