Nach Wintereinbruch: Die Lawinengefahr am Wanderweg bleibt

Nach Wintereinbruch: Die Lawinengefahr am Wanderweg bleibt
Der frühe Schnee auf den Bergen hat bereits drei Menschenleben gefordert. Selbst bei vermeintlich harmlosen Wanderungen besteht Lawinengefahr.

Der Himmel über Tirol präsentiert sich am Donnerstag, wie schon tags zuvor, strahlend blau. Mittags werden in Innsbruck bereits frühlingshafte Temperaturen von 16 Grad erreicht. Wer aber auf die Berge blickt, sieht dort weiterhin Schnee liegen. Die wieder grünen Hänge darunter sind trügerisch.

Freizeitsportler müssen gar nicht ins Hochgebirge, damit der Schnee zu einer Gefahr werden kann. Auch einer tödlichen. Wie sehr die Lage unterschätzt wird, hat sich in den vergangenen Tagen gleich mehrfach gezeigt.

Nach Wintereinbruch: Die Lawinengefahr am Wanderweg bleibt

Innsbruck am Donnerstag. Unten frühlingshaft, oben auf den Bergen Schnee

Wie die Polizei berichtet, sind am Mittwoch am Bärenkopf am Tiroler Achensee im Gemeindegebiet von Eben (Bezirk Schwaz) zwei Wanderer von einer Gleitschneelawine teilweise verschüttet worden. Sie blieben unverletzt und konnten selbstständig absteigen.

Zwei weitere Alpinisten mussten hingegen von einem Hubschrauber geborgen werden. Die beiden Deutschen waren zwar von der Lawine nicht erfasst worden, befanden sich jedoch im Lawinenhang und saßen fest. Die Wanderung auf den Bärenkopf (1.991) gilt eigentlich nur als mittelschwer und führt zu einem beliebten Aussichtspunkt.

Gleicher Ort, ein Lawinentoter im Frühjahr

Auf eben dieser Tour starb im heurigen Frühjahr - unter ähnlichen Voraussetzungen - ein 19-Jähriger Deutscher unter eine Lawine. Damals waren die Berghänge aufgrund warmer Witterung nach dem Winter schon weitestgehend ausgeapert. Aber dem jungen Mann wurde der in einer Rinne gesammelte Altschnee zum Verhängnis.

Er war Teil einer nicht alpinerfahrenen Gruppe von sieben Studenten. Als die auf dem Wanderweg einen Graben queren musste, in dem noch Schnee lag, löste sich 30 Meter oberhalb der jungen Leute eine Lawine. Der 19-Jährige wurde verschüttet und starb.

"In beiden Fällen hat es sich um Gleitschneelawinen gehandelt", sagt Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol. Im Frühjahr sei bei dem Unglück der Schnee durch die hohen Temperaturen schon durchnässt gewesen und auf steilen Grashängen ins Rutschen gekommen. 

Gefahrenmuster wie im Frühjahr

Der massive Wintereinbruch in den österreichischen Bergen hat große Neuschneemangen gebracht. Es hat sich - inzwischen auch durch das Tauwetter unterstützt - ein Gefahrenmuster herausgebildet, das jenem im Frühjahr entspricht.

"Wenn es früh viel schneit, sind die Böden noch warm. Die Basis des Schnees ist dann sehr nass und kann auf steilen Grashängen sehr gut abgleiten", sagt Nairz. Zu dem erneuten Unfall am Bärenkopf sagt er: "Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, war hoch. Wir hatten in den vergangenen Tagen sehr große Lawinenaktivität."

Tod auf 1.300 Metern Höhe

Im benachbarten Salzburg hat diese ein Todesopfer gefordert. Am Dienstag wurden mehrere Mitglieder einer Wandergruppe, die in Hüttschlag im Pongau eine Tour auf den gerade einmal auf 1.440 Meter Höhe gelegenen Schödersee unternommen hatte, von einer Lawine erfasst.

Eine 56-Jährige wurde bei dem Unglück auf 1.300 Metern Höhe bis zum Hals verschüttet und zunächst mit schweren Verletzungen geborgen. Sie verstarb letztlich im Krankenhaus. Der Weg, auf dem sich der Unfall ereignete, ist links und rechts von steilen Berghängen flankiert.

"Das ist auch im Frühjahr eine Falle. Die Lawinengefahr ist vorerst weiterhin nicht zu unterschätzen", sagt Maria Riedler, Sprecherin der Bergrettung Salzburg. Die hatte bereits am vergangenen Samstag gewarnt, dass "auf Forst- und Wanderwegen jederzeit mit Gleitschneerutschen bzw. -lawinen aus steilen Böschungen" zu rechnen sei.

Ab 1.000 Metern Höhe aufpassen

In manchen Regionen sei bereits ab 1.000 Metern Höhe in der Nähe von steilen Hängen "unbedingt aufzupassen, ob etwas von oben kommen kann", warnt Riedler - nicht zuletzt mit dem Blick auf das voraussichtlich schöne Wetter am Wochenende, das viele Menschen in die Berge locken wird.

Selbst wer sich auf schneefreien Wegen bewegt, muss sich bewusst sein, "dass oben in den Bergen immer noch sehr viel Schnee liegt", erklärt die Sprecherin der Bergrettung. Wenn der als Gleitschneelawine abgeht - und das geschieht spontan - kann man entsprechend auch weit unterhalb von Schneeansammlungen getroffen werden.

Auch Nairz weist darauf hin, dass in den Höhen nach wie vor noch ein halber bis zu 1,5 Meter Schnee liegt. "Der schmilzt jetzt zwar rasch. Aber zumindest über das Wochenende sollte man in mittleren und hohen Lagen noch aufpassen", sagt Nairz. Und auch er warnt, dass "auch apere Wanderwege von Lawinen überschüttet werden können."

Erst am Donnerstag konnte ein Mann im Tiroler Karwendelgebiet ausgegraben werden, der bereits am Samstag bei einem Lawinenabgang ums Leben gekommen ist. Zu groß wäre in den Tagen zuvor eine Bergung für die Einsatzkräfte gewesen sein. 

Warnung in den Wind geschlagen

Der 71-Jährige war Teil einer 27-köpfigen Gruppe gewesen, die trotz der schlechten Wetterlage von der Binsalm ins Tal gehen wollte - auch das im Grunde bei normaler Witterung eine harmlose Wanderung. Die Bayern waren von den Hüttenwirten noch gewarnt worden, dass sie auf dem Weg ins Tal durch einige Lawinenstriche müssen.

Seit dem Wettersturz Ende vergangener Woche waren immer wieder Warnungen verhallt. Da mussten Bergretter ausrücken, weil Menschen mitten in den Wintereinbruch in den Bergen hinein wanderten. Oder eben nach vermeintlicher Wetterbesserung die Gefahr der weiterhin liegenden Schneemassen verkannt haben.

Von Samstag bis Dienstag sind in Österreich drei Menschen bei schneebedingten Bergunfällen ums Leben gekommen - mitten im Herbst. Während Lawinen den 71-Jährigen im Tiroler Karwendel und die 56-Jährige im Pongau das Leben gekostet sind, ist im Salzburger Pongau am Samstag auch ein 54-jähriger Skitourengeher gestorben.

Der Slowene wurde bei einem Wechtenbruch unter zwei Metern Schnee gegraben. 

Kommentare