Wie ein Wanderer in Tirol jetzt unter einer Lawine sterben konnte

Vermeintlich wenig Schnee kann sich wie bei dem Unglück am Achensee zu einer tödlichen Lawine auswachsen
Riesenpech hatte ein 19-Jähriger. Oberhalb von frühlingshaften Hängen wurde ihm eine unterschätzte Gefahr zum Verhängnis.

Die Rettungskräfte rückten am Dienstagnachmittag von einer grünen Wiese bei der bereits für diesen Winter geschlossenen Karwendelbahn am Achensee aus. 

Der Talkessel präsentierte sich vor dem Wintereinbruch am Mittwoch bereits frühlingshaft bis sommerlich - mit ausgeaperten Hängen. Aber mit - wie noch in ganz Tirol - jeder Menge Schnee auf den Berggipfeln.

Und genau das würde einem 19-jährigen Deutschen zum Verhängnis. Er war als Teil einer siebenköpfigen Studentengruppe auf einer Tour am Bärenkopf im Gemeindegebiet von Pertisau unterwegs. 

Zunächst wollten die jungen Wanderer bis zum Gipfel aufsteigen, entschlossen sich dann aber aufgrund der Schneelage, mit der sie sich unterwegs konfrontiert sahen, auf etwa 1.800 Meter zum Abstieg.

Tödliche Hangquerung

Dazu hätten sie immer wieder eine steile Rinne queren müssen. Und genau bei einer dieser Querungen ereilte den 19-Jährigen gegen 15 Uhr das tödliche Schicksal: 30 Meter über der Gruppe löste sich eine Gleitschneelawine und donnerte durch den Graben talwärts.

"Sie haben Pech gehabt, dass sie gerade gequert sind, als die Lawine abgegangen ist", analysiert Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol im KURIER-Gespräch und weiß aber auch: "Es hätte alle erwischen können." Zwei Personen wurden mitgerissen, eine von beiden wurde nach 250 Metern an den Rand der Lawine gespült. Der 19-Jährige aus Bayern wurde über 330 Höhenmeter mitgerissen und unter einem Meter Schnee begraben.

Als er von einer Sondierkette der Bergrettung um 16.23 Uhr ausgegraben werden konnte, war er bereits tot. Die junge Studentengruppe war nicht alpinerfahren und hat möglicherweise nicht damit gerechnet, dass sie bei einer Frühjahrswanderung in Lawinengefahr kommen können.

Eine trügerische Situation

"Bei einem frühlingshaften Gesamteindruck können Unbedarfte meinen, dass ohnehin nicht mehr so viel Schnee liegt", sagt Nairz. Aber tatsächlich herrscht bei den derzeitigen Bedingungen mit jeder Menge Schnee in den hohen Lagen weiter "hohes Gefahrenpotenzial", auch wenn ein derartiges Unglück äußerst selten passiert.

Der Experte erklärt: "Gleitschneelawinen sind für diesen Winter ganz typisch. Es war überdurchschnittlich warm, es hat viel Wassereintrag gegeben und es ist viel Schnee gefallen." Derartige Lawinen lösen sich, ohne das sie von jemand ausgelöst werden müssen, von selbst. Und damit auch völlig unerwartet.

Darum warnt Nairz: "Lawinen können bis ins Grüne abgehen." Im konkreten Fall waren die Voraussetzungen gegeben. Ein steiler Hang, eine nasse Wiese, über die die Schneemassen abgerutscht sind. Jedes Jahr warnt der Alpenverein vor einer weiteren Gefahr, der Wanderer in der Übergangszeit zwischen Frühling und Sommer ausgesetzt sind: Altschneefelder.

Vorsicht bei Altschneefeldern

Sie können bis weit hinein in die Wandersaison in den Bergen liegen bleiben können. Solche Altschneefelder seien ein häufig unterschätztes Absturzrisiko. Viele überschätzen die Reibung auf hartem Firn und unterschätzen die Beschleunigung im Falle eines Sturzes. 

„Bereits bei mäßiger Hangsteilheit erreichen wir bei fünf bis zehn Metern Rutschstrecke eine Geschwindigkeit, die nicht mehr kontrolliert werden kann. Bei einem Rutsch über einen 40 Grad steilen Firnhang erreicht man beinahe freie Fallgeschwindigkeit“, gibt Michael Larcher, Leiter der Bergsportabteilung im Alpenverein, zu bedenken.

Vorsicht ist also auch bei vermeintlich sommerlichen Bedingungen geboten, sobald Schnee im Spiel ist.

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