Klimawende: "Noch können wir das demokratisch schaffen"
Noch bis kommenden Montag, den 29. Juni, können fünf Volksbegehren unterschrieben werden (siehe Infokasten unten). Die 26-jährige Wienerin Katharina Rogenhofer ist Sprecherin des vielversprechendsten davon: des Klimavolksbegehrens.
KURIER: Die Bundesregierung hat zentrale Forderungen ins Regierungsprogramm übernommen. Braucht es das Klimavolksbegehren überhaupt noch?
Rogenhofer: Was im Regierungsprogramm steht, war ja nur durch den Druck der Zivilgesellschaft möglich. Zusätzlich sieht man, dass noch immer nur Leuchtturmprojekte durchgesetzt werden. Die Klimaschutzmilliarden sind sicher ein guter Anfang. Aber wir sollten nicht nur in das Richtige investieren, sondern müssen auch aufhören, das Falsche zu fördern. Es gibt noch immer 4,7 Milliarden Euro an klimaschädigenden Subventionen und das darf nicht mehr sein. Insofern braucht es uns weiter.
Stichwort klimaschädigende Subventionen, wie beurteilen Sie die AUA-Rettung?
Da kann man es eigentlich ganz gut gegenüberstellen. Das Klimabudget wurde um 160 Millionen Euro erhöht und mit 150 Millionen retten wir einen privaten Konzern. Das alleine wirft schon die Frage auf: Wo setzt die Regierung jetzt Prioritäten? Zusätzlich sieht man wieder einmal, dass Kosten einer Krise auf die Gesellschaft abgewälzt werden, während ihr Gewinne nicht zugute kommen. Wir waren an den AUA-Gewinnen nie beteiligt, aber jetzt muss jeder Steuerzahler blechen, damit die AUA gerettet wird. Gleichzeitig gibt es keine Staatsbeteiligung, durch die wir ein Mitspracherecht hätten, in welche Richtung sich diese Fluglinie entwickelt. Es ist also erstens fragwürdig, ob mit dem Paket überhaupt ein Wurf für die Gesellschaft gelungen ist und zweitens macht es klimapolitisch sicher keinen Sinn, so wie es jetzt ausgeformt ist.
Die 26-jährige Wienerin studierte erst Biologie und Zoologie in ihrer Heimatstadt, bevor sie 2017 für ihren Master in Biodiversity, Conservation and Management an die Universität Oxford, England, wechselte.
2018 absolvierte Rogenhofer ein Praktikum im Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention in Bonn und fuhr im Rahmen dessen zur Klimakonferenz nach Katowice. Dort traf sie auf Greta Thunberg und beschloss, sich künftig als Aktivistin für den Klimaschutz einzusetzen.
Die Konsequenz: Gemeinsam mit Freunden holte Rogenhofer die Klimastreiks nach Wien und gründete den hiesigen "Fridays for Future"-Ableger. Im März 2019 übernahm Rogenhofer dann die Rolle der Sprecherin und Koordinatorin des Klimavolksbegehrens von der nö. Grünen-Landessprecherin Helga Krismer. Das Ziel der Übergabe: Das Klimavolksbegehren aus dem parteipolitischen Schussfeld zu nehmen.
Wie beurteilen Sie die bisherige Klimapolitik von Türkis-Grün insgesamt?
Auf jeden Fall passiert mehr als unter der Vorgängerregierung. Das möchte ich unterstreichen. Dennoch bin ich mir manchmal nicht sicher, ob die Regierung verstanden hat, was das Ziel Klimaneutralität bis 2040 bedeutet. Momentan kommt mir vor, man hätte das Ziel, einen Marathon zu laufen, aber nach dem Startschuss machen sie nur ein paar zögerliche Schritte und bleiben dann stehen, als würde das Ziel schon auf sie zukommen. Und das ist nicht genug. Unsere Emissionen müssen jedes Jahr sinken. Das tun sie aber bisher nicht.
Viele Experten sagen, dass jetzt die wirtschaftlichen Weichen für die kommenden Jahrzehnte gestellt werden, weil so viel Geld in den Wirtschaftskreislauf gepumpt wird, um aus der Corona-Krise herauszukommen. Vizekanzler Kogler hat gesagt, wir werden uns mit grünen Investitionen aus der Krise herausinvestieren. Sind das nur leere Worte?
Mit seinen Worten hat er recht – Studien dazu gibt es zuhauf. Investitionen in Gebäudesanierung bringen bis zu 136.000 Arbeitsplätze, erneuerbare Energien bis zu 200.000. Außerdem tun sie der Wirtschaft gut, indem sie Wertschöpfung ins Land bringen. Auch im Ausbau der Bahninfrastruktur liegen viele Jobs, die gerade wichtig wären. Allerdings geben wir noch immer 9,1 Milliarden für den Import fossiler Brennstoffe aus, dieses Geld könnten wir auch nachhaltiger investieren. Insofern: Es stimmt, wir könnten uns herausinvestieren. Die Frage ist, ob 2 von 50 Milliarden reichen.
Können Sie sich erklären, warum nicht intensiver in Richtung Green Jobs umverteilt wird?
Mir als Bürgerin ist es vollkommen unverständlich. Weil das wirklich den Menschen etwas bringen würde. Ich habe schon lange das Gefühl, es wird Politik an den Menschen vorbei gemacht. Auch im Wahlkampf wurde oft gesagt, wir können Klimaschutz nicht so rigoros betreiben, wegen der Pendler aus dem Waldviertel oder wegen der armen Oma, die sich den Ölkesseltausch nicht leisten kann. Da würde ich gerne die Politik zurückfragen: Was tut ihr für genau diese Leute? Wo ist eure Offensive für die Leute im Waldviertel, die klimaneutrale Möglichkeiten zur Verfügung stellt, um von A nach B zu kommen; wo ist eure Offensive für die Oma, die sich den Ölkesseltausch nicht leisten kann? Ich glaube, so ein Investitionsprogramm würde Zukunftsperspektiven schaffen.
Für solche Maßnahmen sind die beiden Klimaschutzmilliarden gedacht.
Die Frage ist, ob das ausreicht. Natürlich kann man nicht genau sagen, was es braucht, aber: Wenn das wirklich der Fokus der Regierung ist und Werner Kogler sich hinstellt und sagt, das ist unser großes Ziel, warum dann nur zwei Milliarden?
Klima
Gefordert wird unter anderem ein Recht auf Klimaschutz in der Verfassung inklusive verpflichtendem CO2-Reduktionspfad und ein Klimarechnungshof, um diesen zu überprüfen.
Weitere Anliegen
Zusätzlich liegen aktuell vier weitere Begehren auf: Pro Rauchverbot, contra Rauchverbot, Asyl europagerecht umsetzen und EURATOM-Ausstieg Österreichs.
Unterstützung
Die Volksbegehren können bis Montag, 29. 6., unterschrieben werden: entweder online per Handysignatur oder persönlich am Gemeindeamt bzw. Magistrat. Pflicht ist nur ein amtlicher Lichtbildausweis. Mund-Nasen-Schutz und eigener Kugelschreiber sind optional. Laut Magistrat stellen Ordner die Sicherheitsabstände sicher, außerdem wurden Plexiglaswände aufgestellt.
Ein zentraler Punkt im Regierungsprogramm wie auch im Klimavolksbegehren ist die CO2-Bepreisung. Die Regierung sagt, das geht erst 2022. Genügt das?
Gerade für die ökosoziale Steuerreform gibt es schon so viele Konzepte, die müsste man sich nur durchschauen und das beste herauspicken. Da gibt es genug Studien, wie sich das auf die Bevölkerung auswirkt, welche Haushalte davon mehr haben und welche nicht. Und bis 2021 könnte man das auf jeden Fall umsetzen.
Wie hoch müsste der Preis für eine Tonne CO2 mindestens sein, damit es Sinn ergibt?
Heimische Klimaforscher sprechen von einem Einstiegspreis von mindestens 50 Euro pro Tonne, um überhaupt einen Lenkungseffekt herbeiführen zu können. Dieser müsste dann jährlich steigen. Und wir sehen uns insofern als verlängerte Hand der Wissenschaft, als dass wir deren Empfehlungen weitergeben.
Marcus Wadsak hat im KURIER-Interview gesagt, die Konsequenz der Maßnahmen gegen das Coronavirus wäre eine Watschen für jeden Klimaschützer. Teilen Sie seine Ansicht?
Auf jeden Fall. Eines der ersten Dinge, die mir als Klimaaktivistin gesagt wurden, war, ihr dürft nicht von so theoretischen Konzepten wie CO2-Emissionen reden, das versteht niemand. Bei Corona wurde dann „flatten the curve“ kommuniziert und trotzdem hat es funktioniert. Weil alle an einem Strang gezogen haben. Das heißt, wenn eine Krise als Krise kommuniziert wird, wird sie auch als solche wahrgenommen. Das hat die Politik in den letzten 30 Jahren mit der Klimakrise verpasst.
Auf der anderen Seite haben wir bei Corona gesehen, je länger man zuwartet, desto heftigere Maßnahmen muss man im Nachhinein setzen. Und das wäre doch das perfekte Learning für die Klimakrise. Alle Schritte, die wir jetzt setzen können, müssen wir auch jetzt setzen. Alles, was wir zu spät machen, wird viel teurer, wird viel schwieriger und wird viel mehr Einschnitte in unser Leben und unsere Freiheiten bedeuten.
Corona als Paradebeispiel dafür, wie wir eine Krise als Gesellschaft bewältigen können?
Genau. Zusätzlich können wir das noch – im Gegensatz zu Corona – alles auf gemeinsame, demokratische Weise schaffen.
Sie haben wegen Corona um eine Verschiebung der Eintragungswoche angesucht, diese wurde abgelehnt.
Eigentlich wurde uns diese Verschiebung angekündigt. Seit dem Corona-Ausbruch haben wir aus dem Innenministerium immer wieder gehört, dass wir auf September verschoben werden. Aufgrund der Besserung der Zahlen wurden wir dann kurzfristig doch auf Juni festgelegt. Damit hatten wir nur einen Vorlauf von 7 oder 8 Wochen und natürlich hat uns Corona als freiwillige Organisation genauso getroffen wie Unternehmen. Wir haben viel weniger Spenden bekommen, es war schwer, Leute zu mobilisieren, alle Veranstaltungen wurden abgesagt - das sind einfach noch nie dagewesene Umstände für ein Volksbegehren. Insofern haben wir um Verschiebung angesucht, das wurde nicht angenommen und jetzt machen wir das beste daraus. Und mit den ganzen Konjunkturpaketen, die momentan auf dem Tisch liegen, ist es ein wichtiger und richtiger Zeitpunkt, das Thema wieder aufleben zu lassen.
Die Behandlung im Parlament ist Ihnen ja bereits sicher. Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?
Nennen Sie mich naiv, aber es geht jetzt wirklich um politische Änderungen. Einerseits finde ich es absurd, dass es in der Vergangenheit Volksbegehren wie „Don‘t smoke“ gab, die über 800.000 Unterschriften gesammelt, aber nichts bewirkt haben. Was ist das für eine Politik, die auf berechtigte Anliegen der Zivilbevölkerung nicht reagiert? Das sind mehr Stimmen, als viele im Nationalrat vertretene Parteien haben.
Warum eigentlich, Katharina Rogenhofer
Und auf der anderen Seite finde ich es schade, dass sich die Politik an Volksbegehren abputzt. Das ist ein bisschen so, als hätten wir in Corona-Zeiten zuerst eine Petition starten müssen, um Maßnahmen zu setzen. Es ist eine Krise und es ist verdammt noch mal die Verantwortung der Politik, auf diese Krise zu reagieren und nicht unbedingt unsere Verantwortung, Unterschriften dafür zu sammeln. Natürlich machen wir es und stecken mit unseren mittlerweile über 1.000 Freiwilligen so viel Energie wie möglich hinein. Und mir ist klar, dass mehr Stimmen mehr Druck bedeuten. Auch mit unserem Netzwerk aus Unternehmen, Organisationen und Prominenten werden wir diesen Druck aufrecht erhalten, egal was am Montag herauskommt. Es gibt mittlerweile drei Parteichefs, die sich dazu bekannt haben, das Klimavolksbegehren zu unterstützen. Ich hoffe auf diese Unterstützung genauso im Nationalrat und dann muss es zur Umsetzung kommen.
Wie realistisch ist das angesichts der Schicksale des „Don‘t smoke“- sowie des Frauenvolksbegehrens?
Für mich ist realistisch seit eineinhalb Jahren keine Kategorie mehr (lacht). Damals hätte ich es auch für unrealistisch gehalten, dass in Österreich Menschen für das Klima auf die Straße gehen und dann hat es auf einmal alle interessiert. Es gibt sogar aus Corona-Zeiten Umfragen, wonach Klimaschutz das wichtigste Thema für die Österreicher ist. Sogar während einer anderen Krise. Dieses Anliegen wird nicht mehr leiser werden. Die Leute haben jetzt verstanden, worum es geht. Viele spüren das auch. Die, die einen Acker haben, der jetzt ausgetrocknet ist. Oder die, die mit Hagelschäden zu kämpfen haben. Und wenn sich die Regierung jetzt nicht dazu bekennt, dann haben wir in Corona-Zeiten gesehen, dass dann noch rigorose, noch schlimmere Maßnahmen folgen müssen. Also denken wir das doch lieber gemeinsam durch und schauen uns an, wie Arbeitsplätze in der Zukunft ausschauen können, wie eine klimaneutrale Wirtschaft ausschauen kann und stellen dafür die Weichen.
Gibt es eigentlich ein Land, das man sich in Sachen Konsequenz im Klimaschutz zum Vorbild nehmen kann oder macht es noch niemand völlig richtig?
Es gibt Länder, die in verschiedenen Aspekten voraus gehen, bei denen man sich auch sicher einzelne Konzepte abschauen kann, aber es gibt wahrscheinlich noch kein Musterland, das alle Werkzeuge in die Hand nimmt. Da könnte Österreich endlich vom Klimaschutz-Schlusslicht zum Vorreiter werden.
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