ICE-Anschläge: Lebenslange Haft

ICE-Anschläge: Lebenslange Haft
Qaeser A. wollte in Deutschland Züge zum entgleisen bringen. Seine Frau wurde freigesprochen. Urteile nicht rechtskräftig.

Sie hat sich verändert, sagt Sherhrazad A. Nicht nur äußerlich. Bei ihrer Festnahme im Vorjahr war sie verhüllt. Im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts sitzt sie mit offenen, langen Haaren, sie trägt eine Bluse.

„Warum der Sinneswandel?“, fragt der vorsitzende Richter. „Weil ich mich innerlich geändert habe, bevor ich mich äußerlich verändert habe – in der Haft. Heute sind meine Gedanken frei, obwohl ich eingesperrt bin“, erklärt die Angeklagte.

Ihrem Mann wird vorgeworfen, dass er vier Züge in Deutschland zum Entgleisen bringen wollte – mit Holzkeilen und gespannten Stahlseilen. Ein Attentat im Namen des IS, sagt der Staatsanwalt. Doch Qaeser A. scheiterte jedes Mal.

Seine 33-jährige Frau soll ihn in seinen Plänen bestärkt und bei den Vorbereitungsarbeiten geholfen haben. „Ich habe nichts davon gemacht“, beteuert die Frau. Wie dann ihre DNA-Spuren auf das Tatwerkzeug kommen? Die Utensilien seien im Keller des Gemeindebaus in Simmering gelegen – dort hätten die Kinder gern gespielt. Als sie die Teile gefunden habe, hätte sie „nachgeschaut, was er da gekauft hat, obwohl wir wenig Geld hatten.“

Sie sei als 17-Jährige im Irak mit ihrem Mann zwangsverheiratet worden. Als die Familie nach Österreich flüchtete, habe sie zurückgezogen gelebt – auch, weil sie die Sprache nicht beherrschte. Das Sagen habe der Mann gehabt. Und nach dem vierten Kind hatte er angekündigt, seine Frau zu verlassen.

Als er mehrmals nach Deutschland reiste, habe sie sich keine Gedanken gemacht, es zum Teil gar nicht gemerkt. „Sie haben nicht mitbekommen, dass er nachts nicht neben Ihnen im Bett liegt?“, fragt der Richter nach. Sie habe vermutet, dass er bei einer anderen Frau sei, sagt sie. Doch gleichzeitig schickte er ihr Nachrichten aufs Handy: „Bete für mich, meine Königin.“

Sie habe Angst gehabt, was sie allein mit den vier Kindern machen solle, schildert sie dem Richter. „Er wollte sich im Irak ein neues Leben aufbauen. Und dort eine andere Frau heiraten.“

Ihr Mann kam schon am ersten Prozesstag zu Wort. Er hatte zugegeben, dass er die Keile und Stahlseile angebracht hatte – er hätte aber keinen Zug entgleisen lassen wollen. Er habe nur ein Zeichen setzen wollen.

Das nimmt ihm der Staatsanwalt nicht ab. Auch deshalb, weil er einem Gleichgesinnten in einem Chat schrieb: „Es ist leider fehlgeschlagen.“ Er hatte außerdem laut Anklage penibel studiert, wie er die Entgleisung anstellen solle.

„Lassen Sie sich von der Fassade nicht täuschen“, schärfte der Staatsanwalt den Geschworenen schon zu Beginn ein. „Die Angeklagten vertreten ein Weltbild, das von unserem komplett unterschiedlich ist. Sie wollte Anschläge im Namen des IS mit größtmöglichem Schaden begehen.“ Auch das Bild der „unbedarften Ehefrau“ sei falsch. Dennoch entschieden die Geschworenen, dass Sherhrazad A. (vertreten von Rechtsanwältin Astrid Wagner) unschuldig sei – sie wurde freigesprochen. Qaeser A. hingegen befanden sie für schuldig. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

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