Hohe Corona-Zahlen: Tanz zwischen Discofieber und Katerstimmung
„Fantastisch, großartig, toll“ sei das erste Wochenende für Discos und Clubs in Österreich verlaufen, beschreibt Nachtgastro-Sprecher Stefan Ratzenberger. Seit 5. März darf wieder getanzt und gefeiert werden – unbekümmerte Partystimmung mag aber nicht so recht aufkommen.
Einerseits sind es die Zahlen, die die Stimmung trüben: Mehrere Tage gab es fast 50.000 Neuinfektionen, am Samstag waren es 44.000. Die Sieben-Tages-Inzidenz liegt bei über 3.000.
Andererseits ist es auch der Umgang der Politik mit der Pandemie, der für Kritik sorgt: „Wir freuen uns, dass wir wieder Gastgeber sein dürfen“, schickt Ratzenberger voraus. Doch vonseiten der Politik komme „ein falsches Signal nach dem anderen“.
Wie wird der kommende Herbst?
Das „Auf-zu-auf-zu“ habe Mitarbeiter nachhaltig verunsichert. 80.000 Menschen arbeiteten früher in Österreich in der Nachgastro, davon 60.000 Studenten. „Die haben sich großteils andere Jobs gesucht, in Teststraßen oder Supermärkten“, sagt Ratzenberger. Immerhin wisse man nicht: Kommt wieder eine Sperrstunde oder gar ein Lockdown? Und wie wird der kommende Herbst?
Besonders scharf kritisiert Ratzenberger das Herunterfahren der Gratistests: „Wir fordern mindestens drei kostenlose Tests pro Woche.“ Frage man die Besucher der Clubs, sagten viele, dass sie vor und nach dem Discobesuch freiwilligen testen. Das sorge für mehr Sicherheit. „Und die Kosten für die Tests stehen in keiner Relation zu Kosten für einen weiteren Lockdown.“
„Glücksgefühl“
In der bekannten Wiener Großraumdiskothek Prater Dome etwa sei die Wiedereröffnung nach der coronabedingten Zwangspause fulminant gewesen, bestätigt Betreiber Holger Pfister: „Die Gäste kommen mit einem Lächeln und einem Glücksgefühl. Man merkt, dass großer Nachholbedarf da ist.“
Nach der ersten Euphorie habe man am Freitag aber gemerkt, dass „eine Entspannung gegenüber der Vorwoche“ da sei. Der Besucherstrom pendle sich nun auf hohem Niveau ein, sagt Pfister. Die Kontrolle der Ausweise sowie der in Wien noch gültigen 2G-Regel bedeute einen hohen Aufwand. „Dennoch glaube ich, dass wir gerade in Wien mit der 2G-Regel gut aufgehoben sind.“ Für die Gäste würde die strengere Kontrolle auch eine gewisse Sicherheit bedeuten, ist der Unternehmer überzeugt.
Ausweichen der Gäste
Wermutstropfen sei das Ausweichen mancher Nachtschwärmer in benachbarte Bundesländer, wo die weniger strenge 3G-Regel gilt. Reservierungen von Gästen aus Wien und Niederösterreicher trudeln derzeit etwa laufend in Rainer Haspels Nachtlokal „Raha“ im burgenländischen Oberpullendorf ein. Erst vor Kurzem hat er mit einem anderen Discobetreiber das Lokal auf zwei Ebenen neu gestaltet. „Das erste Wochenende war ein voller Erfolg“, sagt Haspel.
Und dieser Tage sei das Nachtlokal gut besucht. Nicht nur Jugendliche würde hier dem Partyvergnügen frönen. „Wir haben auch Gäste im Alter von 40 plus.“ Auch wenn es derzeit viele Corona-Neuinfektionen gebe, so ist Haspel für die Zukunft positiv gestimmt. „Ich glaube schon, dass es wieder wird wie in alten Zeiten.“
„Schwarzer Peter“
Nachtgastronomie-Sprecher Ratzenberger hofft jedenfalls, dass wegen der aktuell hohen Infektionszahlen nicht vor allem seiner Branche der „schwarze Peter umgehängt“ werde: „Öffnungen bei derartigen Zahlen bedingen Ansteckungen, aber überall – auch im Supermarkt, im Gasthaus oder in der Arbeit.“
Doch was tun? Ratzenberger möchte jedenfalls weiter zum Testen und Impfen motivieren. Mit der aktuellen Impfkampagne erreiche man junge Menschen aber eher nicht. „Wir bieten dem Gesundheitsminister an, in unserer Branche eine Kampagne zu starten. Wenn der coole Barkeeper zum Impfen motiviert, hilft das eher. Wir sind jederzeit dazu bereit.“
Kommentare