Heikle Debatte: Druck auf Impfverweigerer steigt
Die Sieben-Millionen-Grenze ist seit Dienstag knapp überschritten: So viele Covid-19-Schutzimpfungen wurden in sechs Monaten in Österreich verabreicht. Laut Gesundheitsministerium erhielten somit bisher 57,4 Prozent der impfbaren Personen ab zwölf Jahren die erste Teilimpfung. 32,9 Prozent gelten als vollimmunisiert.
Das absehbare Aus der Gratistests, aber auch die geänderten Einstellungsbedingungen großer Unternehmen könnte jedoch Impfskeptiker zunehmend zur Immunisierung drängen. Vor allem Gesundheitsberufe setzen auf die Impfung, und zwar bei Neueinstellungen.
Das ist dort arbeitsrechtlich möglich: So regelt in der Pflege das Epidemiegesetz das Recht des Dienstgebers, Schutzimpfung anzuordnen - vor Masern, Mumps, Röteln oder eben auch Covid-19.
So verlangt etwa die Caritas in Wien ab Juli von neuen Mitarbeitern den Nachweis einer Covid-19-Impfung, und zwar für jene Bereiche, in denen es viele Personenkontakt gibt, vom Altersheim bis zur Obdachlosenhilfe. Schon seit Mai setzt das Burgenland die Covid-Schutzimpfung für Neuzugänge in Landesspitälern voraus, seit Monatsbeginn gilt diese Regel auch im Wiener Gesundheitsverbund, vom medizinischen und pflegerischen Kräften bis hin zu Verwaltungspersonal oder Mitarbeiter in der Reinigung. Auch die Wiener Ordensspitäler haben diesen Weg eingeschlagen.
Niederösterreich geht d’accord mit Wien: "Das ist eine Frage des Hausverstandes. An der Umsetzung wird derzeit gearbeitet", heißt es aus der Landesregierung. Allerdings hätte man hier lieber eine bundesweite Lösung – ein Ansatz, den sich Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) auch im Bildungsbereich wünscht. Derzeit sei die Impfung für diese Berufsgruppen freilich freiwillig. "Wenn man mit Personen arbeitet, die sich nicht impfen lassen können oder die in dieser Pandemie als besonders vulnerable Gruppe gelten, wird allerdings dringend empfohlen, das Impfangebot anzunehmen", sagt ein Sprecher.
Einige Länder zaudern
Die meisten Bundesländer sind aber noch zaghafter. Kärnten operiert für neue Mitarbeiter im Gesundheitsbereich mit der "Empfehlung", sich impfen zu lassen, Oberösterreich verweist auf die ohnedies "hohe Durchimpfungsrate" auf freiwilliger Basis. In Tirol liefen derzeit "betreffend Gesundheits- und Pflegebereich rechtliche Abstimmungen und Gespräche, wie mit der Thematik der Impfung und Einstellungserfordernissen umzugehen ist", heißt es.
Die Steiermark, wo ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer jüngst mit einer Impfpflicht - konkret sprach er den Kindergartenbereich an - aufhorchen ließ, verweist bloß auf "laufende Prüfungen auf Expertenebene", wie ein Sprecher des Personallandesrates Christopher Drexler (ÖVP) mitteilte. Ergebnisse folgen am Montag. Die Richtung scheint aber durchaus vorgegeben: Nach vermehrten Masernausbrüchen verhängte das Land etwa 2018 die Impfpflicht für Mitarbeiter in sensiblen Spitalsbereichen – sowohl für fix Angestellte als auch für Zivildiener und Praktikanten.
Komplizierter ist die Lage in anderen Bereichen: Für Personal im öffentlichen Verkehr oder Beamte fehle die rechtliche Basis für eine Impfpflicht, heißt es bei den zuständigen Stellen in Wien.
Wie andere Branchen agieren
Auch andere Branchen haben nicht den Hebel einer Schutzimpfung zur "Berufsausübungserfordernis" wie der Gesundheitsbereich. Doch eine Impfpflicht ist dort kein Thema. "In Österreich scheut man dieses Wort ja wie der Teufel das Weihwasser", überlegt Rainer Trefelik, Spartenobmann des Handels in der Wirtschaftskammer. "Ich sehe deshalb auch keine Impfpflicht auf Österreich zukommen." Er fordere sie auch nicht. "Das würde zu weit greifen." Auf lange Sicht stoße man wohl ohne Impfung "in vielen Bereichen an eine Grenze, reisen oder nur in ein Flugzeug steigen wird dann durchaus herausfordernd", schätzt Trefelik. "Trotzdem muss man die Frage der Impfung den Leuten selbst überlassen."
Auch Mario Pulker, Sprecher der Gastronomie, kann sich keine Impfpflicht vorstellen: "Unserer Mitarbeiter wissen, sie haben viel Kundenkontakt. Die meisten sagen, sie lassen sich impfen, sobald es nur geht." Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft, sieht das auch für Medien so: "Ich bin natürlich dafür, dass man sich impfen lässt. Aber vom Grundsatz her bin ich gegen eine Verpflichtung zu impfen oder der Firma bekannt zu geben, ich bin geimpft oder nicht."
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