Häftlinge auf der Flucht: Von Ausbrecherkönigen und Dilettanten

Häftlinge auf der Flucht: Von Ausbrecherkönigen und Dilettanten
Wilde Geiselnahmen, durchsägte Gitterstäbe und Fluchten durch WC-Fenster. Die Liste der spektakulären Gefängnisausbrüche ist lang.

Man kann vom Gesetz der Serie sprechen. Ein 16-jähriger afghanischer Strafgefangener machte den Anfang damit, dass er tagelang mit Postings von seiner Flucht die Justiz brüskierte. Medienstar (453 Follower auf Instagram) wurde er damit keiner, aber er dürfte andere Gefangene inspiriert haben, es ihm nachzumachen.

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Der 35-jährige Tschetschene Islam Y. aus Krems-Stein türmte während eines Arztbesuches. Nur kurz währte die Flucht jenes 28-jährigen Häftlings, der am Donnerstag im Wiener AKH die Justizbeamten abschüttelte. Er stellte sich Freitag Nachmittag selbst, tauchte plötzlich vor der Justizanstalt Mittersteig auf. Der Druck durch die Veröffentlichung von Fahndungsfotos dürfte zu groß geworden sein.

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Häftlinge auf der Flucht: Von Ausbrecherkönigen und Dilettanten

Islam Y. ist aus Krems-Stein auf der Flucht

50 Flüchtige pro Jahr

In Spitzenjahren gelingt bis zu 50 Häftlingen in Österreich die Flucht. Mitgezählt sind dabei Freigänger, die nach einem Ausgang nicht zurückkommen. Aber auch klassische Ausbrüche gibt es immer wieder. Einer der spektakulärsten Fälle liegt 52 Jahre zurück. Am 4. November 1971 nahmen die drei Schwerverbrecher Adolf Schandl, Walter Schubirsch und Alfred Nejedly in Krems-Stein ihren Bewachern die Waffen ab. Mit einer Schriftführerin und der Untersuchungsrichterin als Geiseln verschanzte sich das Trio.

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Ausbrecherkönig Adolf Schandl starb 2022

Geiselaustausch

Freiwillig ließen sich der damalige Kremser Polizeichef Herbert Howanietz und ein Untersuchungsrichter gegen die beiden Frauen austauschen. Mit den Geiseln verließ das Trio in einem Auto die Strafanstalt. Damit begann ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei in Wien, ehe sich Schubirsch und Nejedly ergaben. Schandl wurde Tage später gefasst. 1992 wurde er erneut nach Überfällen mit Schusswechsel zu 19 Jahren Haft verurteilt.

Am 14. November 1996 war Schandl Drahtzieher eines weiteren Ausbruchsversuches. Im Häfn Graz-Karlau nahm er zusammen mit dem Mörder Peter G. sowie dem palästinensischen Terroristen Tawfik C. (Anschlag am Flughafen Schwechat) drei Verkäuferinnen des Häfngreißlers als Geiseln.

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Die Cobra stürmte das Gefängnis und beendete die Lage unblutig. Schandl kassierte weitere 19 Jahre Haft. Er starb im Vorjahr in Freiheit.

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Als Europas „Most Wanted“ wird der wohl bekannteste Ausbrecher Österreichs immer noch gesucht. Der Prostituiertenmörder Tibor Foco entkam am 1995 in Linz während eines Studienausgangs auf der Uni. Der Zuhälter schüttelte zwei Justizbeamte ab und brauste mit einer Kawasaki davon, die in einer angemieteten Garage bereitstand. Ein Jahr nach der Flucht gab es das letzte Lebenszeichen in Form von Briefen an Journalisten.

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Gesucht: Tibor Foco

Nur einen Tag dauerte im Mai 1999 die Flucht von vier Häftlingen aus der Justizanstalt Suben in OÖ. Sie hatten die Gitterstäbe der Zellenfenster durchgesägt und entkamen über das Dach einer Kapelle.

Betrunken mit Traktor

Durch eine Oberlichte im Duschraum konnten am 31. Dezember 2002 drei Insassen aus der Justizanstalt Rottenstein bei St. Georgen am Längsee türmen. Ein paar Monate später floh ein schwer alkoholisierter Häftling der Justizanstalt Hirtenberg (NÖ) mit einem Traktor bei Feldarbeiten. Beamte fanden den Mann mit 1,9 Promille Alkohol im Blut in einer Wiese – umringt von schaulustigen Augenzeugen.

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Im April 2005 spazierte ein als Anwalt verkleideter Mann in die Justizanstalt Wien-Josefstadt und ließ sich einem Kriminellen vorführen. Diesem übergab er einen eingeschmuggelten Anzug und verließ mit dem Häftling seelenruhig das Gefängnis. Die Liste an Ausbrüchen lässt sich lange fortführen.

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