Gesetzeslücke: Die große Schwachstelle des Rauchergesetzes
Was ist eigentlich eine Freifläche? Die Antwort auf diese Frage könnte einen Knalleffekt in Sachen Rauchverbot bringen. Bisher wurde die Antwort jedenfalls noch nicht gegeben. Zur Erklärung: Seit 1. November ist das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft. Laut Angaben der Wirtschaftskammer ging der Umsatz der Wirte seitdem zwischen zehn und 20 Prozent zurück. Daher versuchen verzweifelte Gastronomen, Lücken im Gesetz zu finden, um den Gästen einen möglichst angenehmen Platz für den Zigarettengenuss zu schaffen.
Während in geschlossenen Räumen das Rauchen ausnahmslos verboten ist, darf auf Freiflächen laut Gesetz aber weiter geraucht werden. Rechtlich klar definiert ist der Begriff der Freifläche allerdings derzeit nicht. Ob man zum Beispiel ein Zelt aufstellen darf, das an drei Seiten geschlossen ist, oder ob zwei oder drei Seiten des Schanigartens dauerhaft mit Holz oder anderswie verkleidet sein dürfen, ist nicht geklärt.
Zwei Jahre ohne Antwort
„Ich habe schon vor zwei Jahren die damalige Sozialministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) gebeten, diesen Begriff klar zu definieren. Wir haben bis heute keine Antwort“, sagt der oberste Gastronom Österreichs, Mario Pulker von der Wirtschaftskammer (WKO). „Daher kann ich auch keinem Wirt sagen, wie er seine Bereiche im Freien gestalten muss, damit dort geraucht werden darf.
Rauchverbot und Freiflächen: Weiterpofeln dank Gesetzeslücke?
Zuständig für die Klärung der Frage ist die Ombudsstelle für Nichtraucherschutz des Sozialministeriums. Deren Leiter, Franz Pietsch, gab auf die Frage nach der Freifläche diese Antwort: „Es gibt jetzt viele kreative Lösungen, aber jede muss im Einzelfall von der zuständigen Behörde bewertet werden.“
Die Causa betreffe, abgesehen vom Nichtraucherschutzgesetz, auch noch andere Rechtsmaterien, etwa das Bau- und das Gewerberecht. Da muss entschieden werden, wie im Hinblick auf Einzelfälle eine Freifläche konkret auszusehen hat. Bei diesen Bewertungen haben auch die Gemeinden – also jeder Bürgermeister – ein Mitspracherecht.
Problematisch wäre laut Pietsch zudem, dass es noch keine juristischen Entscheidungen zu den neuen Freiflächen gäbe. „Sobald es erste höchstgerichtliche Urteile gibt, kann man sich daran orientieren“, Pietsch.
Einen lukrativen Nebeneffekt des Rauchverbots vermeldet der Gastronomie-Großhändler Metro: „Wir verzeichnen derzeit einen Anstieg beim Verkauf von Wärmestrahlern und Heizschwammerln“, sagt eine Sprecherin. Besonders gut würden Heizstrahler zum Aufhängen und Tische, in welchen die Strahler eingebaut sind, gehen. Mit Zahlen kann das noch nicht gestützt werden, auch andere Anbieter geben sich noch vorsichtig.
Flut an Klagen
„90.000 Gastronomen sind in Österreich von dem Verbot betroffen, wenn auch nur die Hälfte das durchfechten muss, soll es dann 45.000 Klagen geben?“, fragt Mario Pulker zynisch.
Versichern kann Pietsch bisher nur, dass das Rauchen weiter erlaubt ist, wenn der Schanigarten bloß mit einem Schirm oder einer Markise überdacht ist. Für die Wirtschaftskammer ist das aber keine befriedigende Lösung, wie Mario Pulker sagt: „Ein Schirm hilft nicht gegen die Lautstärke. Früher oder später wird es massive Probleme mit den Anrainern geben. Ich hoffe sehr, dass sich noch eine andere Lösung finden wird, wie zum Beispiel Raucherkammerl.“
Diese Kammerl sind in der Hotellerie erlaubt. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass in diesen Raucherräumen keine Speisen oder Getränke serviert werden. Warum diese Lösung zwar in Hotels, nicht aber in Gastronomiebetrieben möglich ist, will man bei der WKO nicht verstehen.
Nächster Wirt schließt
Vor allem jene bei denen ein Schanigarten wegen baulicher Umstände gar nicht umsetzbar ist, kapitulieren der Reihe nach vor der neuen Gesetzgebung. So wird zum Beispiel ein bekanntes St. Pöltner Lokal nur noch wenige Monate geöffnet haben. Wirt Valentin Kopatz hat genug. Er wird sein „Tennessee“ in der Wiener Straße im Mai 2020 schließen oder einem Nachfolger übergeben. „Mir wurde die Freiheit genommen“, sagt Kopatz. Und: „Ich habe am vergangenen Wochenende einen Umsatzrückgang von etwa 20 Prozent verzeichnet. Vielleicht könnte man damit leben, aber ich will ja auch meine Mitarbeiter weiter ordentlich bezahlen.“
Noch schlimmer ist für ihn der Umstand, dass die Gemütlichkeit in seinem Lokal verloren gehe. „Wenn Gäste alle 20 Minuten rausgehen müssen, um eine Zigarette zu rauchen, sorgt das einfach nicht mehr für eine schöne Atmosphäre“, ist Valentin Kopatz überzeugt.
Tabakindustrie: Keine Angst vor Rauchverbot
Keine Gesundheitsmaßnahme, sondern eine Erschwernis für kleine Lokale sieht Ralf-Wolfgang Lothert, Leiter der Konzernkommunikation von JTI Austria (vormals Austria Tabak), im nun geltenden Rauchverbot. „Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass derartige Maßnahmen einen kurzfristigen Umsatzrückgang von zwei bis vier Prozent am Tabakmarkt bedeuten. Bis nächsten Sommer sollten wir uns davon aber wieder erholt haben."
Diese Einschätzung ist nicht unrealistisch, immerhin ist Österreich das einzige OECD-Land, in dem der Anteil der Raucher immer noch steigt. Dementsprechend stabil präsentiert sich der Rauchermarkt hierzulande. Allein im vergangenen Jahr wurden 583 Millionen Zigarettenpackungen verkauft.
„Durch das Rauchverbot rauchen die Menschen nicht mehr im Lokal, sie hören deshalb aber nicht auf zu rauchen“, ist Lothert überzeugt. Im Sinne der Tabakindustrie sei das Gesetz natürlich nicht, denn man wolle den Kunden das beste Ambiente bieten. Umsatzeinbußen wären aber nicht zu befürchten.
„Langfristige Auswirkungen haben die Maßnahmen lediglich auf Gastronomen und darunter speziell die klassischen Beisln“, weiß der Fachmann. Das habe man bereits in Deutschland gesehen, wo vor allem jene Betriebe Probleme haben, in denen die meisten Gäste nur zum Trinken kommen. „Das Nobelrestaurant im ersten Bezirk wird das Verbot eher verkraften.“
Lothert kritisiert das lange Hin- und Her beim Rauchverbot. Besonders da die bisherige Regelung mit getrennten Raucher- und Nichtraucherbereichen seiner Ansicht nach ideal war. Zwar sei es zu begrüßen, dass Angestellte nicht mehr dem Passivrauch ausgesetzt sind, aber eine Lösung wie in Hotels – wo es nun extra Raucherräume gibt – wäre auch in Lokalen wünschenswert.
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