CSI-Serien als Wunschtraum: Hürden bei der Suche nach Ausbrechern
Die Polizei nennt es den CSI-Effekt. Gemeint ist damit eine völlig unrealistische Erwartungshaltung, was die Klärung spektakulärer Kriminalfälle anbelangt. Die Realität hinkt der Fiktion aus diversen CSI-Serien noch weit hinterher.
Tagelang stellte sich die Öffentlichkeit die Frage, wie lange der geflüchtete 16-jährige Häftling aus dem Jugendgefängnis Gerasdorf Justiz und Polizei noch an der Nase herum führt. Statt hinter Gitter zu sitzen, postete Yousef A. laufend in sozialen Netzwerken Videos beim Kiffen. Eine Woche nach seiner Flucht wurde der 16-Jährige am Montag in Wien gefasst. Aber warum ortet man nicht schon früher sein Handy und sperrte ihn wieder ein?
➤ Mehr lesen: Flüchtiger Häftling filmt sich für Instagram beim Drogenkonsum
Um dies machen zu können, muss die gesuchte Person ein registriertes Smartphone bei sich haben und die Rufnummer der Polizei auch bekannt sein, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Bei der Funkzellenortung findet man allerdings nur heraus, in welchem Funkmast das Telefon eingeloggt ist. Die Position kann damit nur grob festgelegt werden.
Meta-Konzern auf der Bremse
Im Fall des 16-jährigen Afghanen, nach dem mittlerweile auch offiziell mit Foto gefahndet wird, ist bis dato keine Rufnummer bekannt. Wer glaubt, dass der Meta-Konzern (Facebook, Instagram, Whatsapp, usw.) die Infos herausrückt, wann und von wo aus die Postings in den sozialen Netzwerken erfolgt sind, irrt. Dafür bedarf es gerichtlicher Beschlüsse – und selbst dann zeigt sich der Konzern bei der Datenweitergabe wenig kooperativ, erklären Ermittler.
➤ Mehr lesen: Videos von der Flucht: Wie ein Afghane (16) Justiz und Polizei brüskiert
Was ist bei Terror?
Sollte es sich bei einem Gesuchten um einen gefährlichen Terroristen, Mörder oder Schwerstkriminellen handeln, kommt für die Fahnder theoretisch eine Telefonüberwachung infrage. Weichen die Kriminellen bei der Kommunikation allerdings auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie Whatsapp, Telegram oder Signal aus, kann nicht mehr mitgelesen oder mitgehört werden. Dies wird seit geraumer Zeit von Innenminister und Staatsschutz massiv kritisiert. Dieser Missstand wird tagtäglich von Schwerstkriminellen – denn nur sie würde diese Überwachung treffen – ausgenützt, heißt es aus dem Ministerium.
➤ Mehr lesen: Ausbrecher aus Krems-Stein: Ein Cage-Fighter, brandgefährlich und mit IS-Bezug
Bleibt also bei der Suche nach Yousef A. noch die gute alte kriminalistische Kleinarbeit. Dazu gehört das Abklappern von Kontaktpersonen, der Familie etc. Der 16-Jährige ist ebenso zur Fahndung ausgeschrieben, wie der 35-jährige Tschetschene Islam Y., der aus Krems-Stein getürmt ist.
Islam Y. ist aus der Justizanstalt Krems-Stein auf der Flucht
Überfall auf einen Geldtransporter
Von dem Tschetschenen dürfte noch eine weit größere Gefährdung ausgehen, als von dem jungen Afghanen, der bereits im Jänner entlassen werde hätte sollen. Islam Y. hat hingegen noch elf Jahre im Hochsicherheitstrakt zu verbüßen. Der 35-jährige Kampfsportler gilt als hochgradig gefährlich. Der ehemalige Cage-Fighter stand als Terrorverdächtiger bereits im Visier des Staatsschutzes, als 2019, damals in Tirol, Bilder von ihm mit erhobenem Zeigefinger vor einer Tauhid-Flagge – beides Symbole des IS-Terrors – auftauchten.
➤ Mehr lesen: Bei Fahndung nach Raubversuch zwei Verdächtige geschnappt
In Bezug auf die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung wurde das Verfahren eingestellt. Dafür überfiel der Schwerverbrecher im Sommer 2019 in Wels mit Komplizen einen Geldtransporter. Auf der Flucht wurde er von der Cobra geschnappt. Obwohl mittlerweile Fotos in diversen Medien von den beiden flüchtigen Strafgefangenen veröffentlicht wurden, gibt es bis dato kaum Hinweise aus der Bevölkerung.
Fluchthelfer
Yousef A. hat jedenfalls Helfer, die ihn anscheinend auch decken. Bei seinen Postings in Sozialen Netzwerken posieren laufend auch Freunde oder junge Frauen an der Seite des Flüchtigen. Noch gilt der 16-Jährige nicht als „High-Value-Target“, also ein „hochrangiges Ziel“, für deren Ergreifung auch spezielle Zielfahnder von Landes- und Bundeskriminalamt eingesetzt werden. Sie sind auch dazu da, die „Most Wanted“-Kriminellen von Europol aufzuspüren.
Kommentare