Gläubige wollen zweite Chance
Soll nicht nur der Tod eine Ehe scheiden dürfen, sondern auch die Kirche? Überraschend hohe 87 Prozent der Österreicher fordern das zumindest in einer aktuellen Online-Umfrage der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) unter 7400 Befragten. Sie wollen somit vom Papst eine zweite Chance.
Der bekannte Theologe Paul Zulehner sieht dafür sogar eine Chance auf Umsetzung: „Das wird im Herbst in der katholischen Kirche auf der Tagesordnung stehen. Das ist das wichtigste Thema derzeit, sogar noch vor dem Priestermangel.“
Bereits 1963 meinte Wiens legendärer Kardinal Franz König, dass sich die katholische Kirche an der orthodoxen orientieren solle. Denn bei dieser gibt es die Möglichkeit einer zweiten Hochzeit. Dazwischen müsse es allerdings eine Art „Trauerphase“ geben, meinte König. Zulehner sieht dafür jetzt den richtigen Zeitpunkt gekommen: „Das wird kommen, der Druck aus dem Kirchenvolk wird größer“.
„Ehe unauflöslich“
In der Wiener Erzdiözese sieht man das hingegen erwartungsgemäß skeptischer: „Das spießt sich mit der Lehre der katholischen Kirche, wonach die Ehe unauflöslich ist“, sagt deren Sprecher Michael Prüller. „Es ist die Frage, ob eine Linie aufgegeben wird, die über 2000 Jahre gegen alle Widerstände durchgehalten wurde“. Allerdings sei der Erzdiözese klar, „dass wir nicht mehr in einer Zeit leben, wo sich die Leute rein an die Lehre der katholischen Kirche halten“. Die zweite Hochzeit, die auch eine Art „Ehe-light“ werden könnte, könnte mit abgespeckter Messfeier abgehalten werden. Das alles sei „Thema der Bischofssynode im kommenden Herbst im Vatikan“.
Die zweite Hochzeit wird derzeit auch in jenem Fragebogen abgefragt, der von Papst Franziskus über die Diözesen an die Gläubigen ausgesandt wird. Erste Ergebnisse sollen Ende Jänner präsentiert werden. In der Wiener Erzdiözese rechnet man aber schon jetzt mit einem ähnlichen Ergebnis wie in der Online-Umfrage der KAÖ. Das zeigen bisherige Umfragen und auch interne Befragungen von Priestern. Zulehner reduziert das Thema auf eine zentrale Frage: „Wenn Mördern vergeben werden kann, warum dann nicht Geschiedenen?“
Fast 90 Prozent wünschen sich generell einen offeneren Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen: Die Kirche würde „ihrem Auftrag zu heilen und zu versöhnen nicht gerecht werden, wenn sie keine Wege findet, geschiedene Wiederverheiratete wieder voll in die Gemeinschaft zu integrieren“. Sechs Prozent wollen keinen „barmherzigen“ Umgang mit Geschiedenen.
Offener als die Kirche sind die Umfrage-Teilnehmer bei der Verhütung. Nur sieben Prozent sind auf Linie mit der aktuellen Lehre. 87 Prozent meinen, diese Entscheidung müsse den Paaren selbst überlassen werden.
Es geht um Spendengelder an den Vatikan, die Absetzung eines beliebten slowakischen Erzbischofs und die Achtung der Menschenrechte in der katholischen Kirche. Begonnen hat die Causa um den Erzbischof von Trnava, Róbert Bezák, am 1. Juli 2012. Damals wurde er von Papst Benedikt ohne Angabe von Gründen abgesetzt. Kirchen-Kenner halten unter anderem seine liberale Einstellung für den Auslöser.
Außerdem soll Bezák geheime Konten seines Vorgängers entdeckt und im Vatikan gemeldet haben. Dort stieß seine Offenheit aber anscheinend vielen übel auf. „Der Erzbischof wurde aus dem Weg geräumt. Der Vatikan wollte sich schützen“, erklärt der Vorsitzende der Plattform „Wir sind Kirche“, Hans Peter Hurka. Zu Bezáks Unterstützern zählt auch der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek: „Die katholische Kirche ist ein absolutistisches System und es ist daher unrealistisch, Bezáks Rehabilitation schnell zu erreichen.“ Dennoch kämpfen seine Unterstützer weiter. Es gehe um die Wahrung der Menschenrechte in der Kirche.
Protest bislang erfolglos
Die öffentliche Solidarität gegen die kritisierte „römische Willkür“ blieb bisher vom Heiligen Stuhl unbeachtet. Sowohl eine Internetpetition von 15.000 Slowaken, als auch persönliche Schreiben von Unterstützern blieben unerhört. Vor dem Rücktritt des ehemaligen Papstes Benedikt wurde dem Ex-Erzbischof Bezák schließlich ein Medienverbot erteilt.
Hoffen auf Papst Franziskus
Religionssoziologe Paul Zulehner sieht im neuen Pontifex eine neue Chance für die Rehabilitierung Bezáks: „Was der Erzbischof in der Slowakei war, ist Papst Franziskus in Rom. Bischöfe fahren mit Koffern voll Geld in den Vatikan. Es gibt keine Transparenz.“ Ob sich mit dem neuen Papst was ändern wird bleibt fraglich. Die Petition der österreichischen Unterstützer endet mit 31. März 2014. Dann werden die Unterschriften an Papst Franziskus übergeben.
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