Eine Milliarde Christen hofft auf den Mann des Jahres 2013
Er ist leutselig, sympathisch, überschwänglich. Er ist der Papst der am Tag seiner Wahl die Welt mit „Guten Abend“ begrüßt und bei Audienzen zu Mittag „Mahlzeit“ wünscht. Er ist der Pontifex, der erstaunlicherweise sagte: „Wer bin ich, um Homosexuelle zu verurteilen?“ beschrieb der international angesehene Vatikan-Beobachter Marco Ventura das Wesen des neuen Kirchenoberhauptes.Seit seinem Amtsantritt am 13. März steht der frühere Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, im Rampenlicht. Er nahm den Papst-Namen Franziskus an. Sein Auftreten, aber auch der Mut aus dem steifen Vatikan-Protokoll auszubrechen rüttelte weltweit das Kirchenvolk auf – und brachte ihm globale Publicity.
Superstar Franziskus
Als „76-jährigen Superstar“ bezeichnete das US-Magazin Time Papst Franziskus anlässlich seiner Nominierung zur Person des Jahres 2013. „Was diesen Papst so außergewöhnlich macht, ist die Geschwindigkeit mit der er die Vorstellungen von Millionen gefesselt hat, die zuvor ihre Hoffnungen in die Kirche aufgegeben haben“, begründete das Magazin die Wahl. Auch die Päpste Johannes XXIII. (1962) sowie Johannes Paul II. (1994) erhielten vom renommierten Magazin diese Auszeichnung.
Doch so beliebt Franziskus unter den Gläubigen ist – die Hausmacht im konservativen Vatikan fehlt dem Reformer. Auch die Gefolgstreue seiner Kardinäle und Bischöfe hält sich in Grenzen. Sogar Gerüchte um einen Anschlag gegen den Pontifex machten bereits internationale Schlagzeilen. Tatsache ist, dass der Oberhirte vor wenigen Tagen einen Schwächeanfall erlitt und sich mehrere Tage zurückzog.
Für Kardinal Christoph Schönborn ist der eingeleitete Reform- und Öffnungsprozess (siehe Interview unten) notwendig: „Ich denke, dass wir mit diesem Papst mitunter recht unerwartete Lösungen für schwierige Fragen finden werden. Die aber in Treue zum katholischen Glauben bleiben.“
Auch die römisch-katholische Kirche in Österreich kämpft mit einer Austrittswelle, Missbrauch durch Kirchenmänner und Reformbestrebungen. Im KURIER-Interview skizziert Kardinal Christoph Schönborn Schritte in die Zukunft.
KURIER: Im „Evangelii gaudium“ kritisierte Franziskus das kapitalistische Wirtschaftssystem der Gegenwart. Das System sei für krasse Ungleichverteilung des Reichtums verantwortlich. Muss auch die Kirche in Österreich in diese Richtung intervenieren?
Kardinal Schönborn: In dem Schreiben richtet der Papst einen sehr ernsten Appell an die Kirche. Wir alle müssen aktiv etwas gegen die Armut tun. Bloß über soziale Themen zu sprechen und Regierungen zu kritisieren, ist zu wenig.
Kann sich die Kirche in Zukunft öffnen? Stichworte: Zölibat, Integration der Frauen, Sakrament der Ehe für Geschiedene, Homoehe?
Wenn sich ein Organismus nicht verändert, dann stirbt er. Das gilt auch für die Kirche. Gleichzeitig gilt: Nur wenn die Kirche authentisch bleibt, ihrem Gründer treu bleibt, taugt sie zu etwas. In diesem Spannungsfeld stehen wir. Wir werden mit diesem Papst mitunter recht unerwartete Lösungen für schwierige Fragen finden. Was die Priester betrifft, scheint der Papst aber von ihnen noch mehr Hingabe für ihren Dienst und Opferbereitschaft zu verlangen (Hinweis zur Auflösung des Zölibats, Anm. d. Red.).
In Österreich riefen Priester unter der Führung von Monsignore Helmut Schüller zum Ungehorsam auf. Stehen Sie in Kontakt mit diesen Reformern?
Soweit es sich um Priester aus meiner Diözese handelt, sehe ich sie häufig. Etwa in unserem Priesterrat, der regelmäßig tagt und in dem mit Helmut Schüller und Gerald Gump zwei Vorstandsmitglieder der Pfarrerinitiative sitzen. Wir reden dabei sehr offen miteinander.
Rom beschloss eine Kommission gegen Pädophilie. In Österreich wurde dieses Thema durch die Klasnic-Kommission behandelt und abgeschlossen. Welche Maßnahmen werden gesetzt um solche menschlichen Tragödien in Zukunft zu verhindern?
Das Thema ist noch lange nicht abgeschlossen. Denn die Klasnic-Kommission tagt weiter, auch wenn mittlerweile nur noch wenige neue Beschuldigungen erhoben werden. Die katholische Kirche in Österreich hat in den vergangenen Jahren ihre Wachsamkeit deutlich verstärkt. Etwa durch strengere Aufnahmeverfahren in Priesterseminaren und Klöstern, eine gute Ausbildung oder auch durch einen strengeren Verhaltenskodex, der ein Teil unserer Dienstordnung ist.
Die Aussagen des Papstes lassen weltweit auf eine liberalere katholische Kirche hoffen. Eine Kirche für die Armen. Eine Kirche, in der Homosexualität kein Tabuthema mehr ist. Aspekte, die vor allem jungen Christen am Herzen liegen.
Konstantin Niederhuber ist Oberministrant der Pfarre Rennweg. Dorothea Schmid und Nikola Szirota sind in der Pfarrjugend. Im KURIER-Interview machen sie schnell klar, dass sie mit der Kirche, wie sie jetzt ist, unzufrieden sind. „Kardinal Schönborn folgte immer der Linie der Obrigkeit. Ich glaube aber, dass das unter Franziskus nicht mehr so einfach sein wird. Seine Handlungen und Aussagen sind oft unerwartet. Die Konservativen können damit nicht gut umgehen“, meint Niederhuber. Der 18-Jährige hat am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, etwas zu verändern. „Ich habe vor einem Jahr bei unserer Firmvorstellungsmesse eine Fürbitte gelesen. Ich bat darin um Veränderung in der katholischen Kirche. Alleine wegen diesem Satz gab es eine große Aufregung innerhalb der Pfarre.“
Keine großen Reformen
Die liberalen Aussagen des Oberhirten haben den jungen Christen Hoffnung gemacht. Dennoch bleiben sie skeptisch. „Ich denke, Franziskus ist nicht der Mann für große Reformen. Er geht zwar kleine Schritte in die richtige Richtung, das muss aber auch nach seinem Pontifikat so bleiben.“ Es sei vor allem wichtig, sich der Zeit anzupassen und Kirche so auch sympathischer zu machen. „Ich glaube, der neue Papst ist für junge Menschen viel greifbarer als seine Vorgänger. Er ist im Internet aktiv und postet in sozialen Netzwerken. Dadurch verliert der Glaube das verstaubte Image“. Diese neuen Wege wünschen sich die Jugendlichen auch in anderen Belangen, andernfalls sehen sie schwarz: „Wenn die Kirche nicht etwas ändert, dann wird es sie in dieser Form bald nicht mehr geben.“
Paul Zulehner
Pater Udo, weltoffener Pfarrer
Hans-Peter Hurka (Wir sind Kirche)
Helmut Schüller, Kirchen- Rebell
Kommentare