Dorf am Großglockner zittert um Liftbetrieb
In der Fruah bin i der Erste, der wos aufe fahrt, damit i ned so long auf's aufe fahrn wart
Was Wolfgang Ambros in seiner Hymne „Schifoan“ besingt, ist in der knapp 1.000-Einwohner-Gemeinde Heiligenblut keine Selbstverständlichkeit mehr: Mit dem Skilift auf den Berg zu fahren. Egal, ob als Erster, oder überhaupt.
Abschied auf Raten
Wegen fehlender Wirtschaftlichkeit drohen am Fuße des Großglockners geschlossene Lifte. Heuer zunächst teilweise, 2024 vielleicht für immer.
Was auf 1.288 Metern Seehöhe folgende Logik mit sich bringt: Ohne Lifte, keine Touristen, ohne Touristen keine Existenz für Unternehmen. Ein Horrorszenario auch ohne Klimawandel.
Wer die Gründe verstehen will, der findet Antworten selbst ohne angeschnallte Ski.
Fünf von zehn Liften
Zehn Lifte gibt es in dem Familienskigebiet. Das Aufsperren von gleich fünf wackelte in der heurigen Saison.
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Fix ist, dass die Schlepplifte Viehbühel und Hochfleiss geschlossen bleiben. Auch zu ist der Tauernberg-Lift, außer die Schareckbahn muss wegen Windes geschlossen werden, dann darf der Lift als Ersatz öffnen.
Bleiben die „Lebensadern“ des Skigebiets: Die Tunnelbahn, eine seilgezogene Hängebahn, und der Sessellift Fleissbahn.
Entscheidung fällt in Wien
Über ihr Aus wird nicht in Kärnten, sondern im Klimaschutzministerium in Wien entschieden. Denn beide Lifte verfügen über eine Betriebspflicht, die Bergbahnen, die als öffentliche Verkehrsmittel gelten, erfüllen müssen.
➤ Frühstart in die Skisaison: „So viel Schnee wie schon lange nicht“
Ein Antrag über Aufhebung dieser wurde von den Großglockner Bergbahnen bereits eingebracht. Aus dem Ministerium heißt es auf KURIER-Anfrage, dass der Antrag in Prüfung sei. Und: „Um die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen zu können, forderte das Klimaschutzministerium entsprechende Unterlagen beim Antragsteller an. Diese liegen noch nicht vor.“
Wann sie eintreffen: offen. Fix aber seit Donnerstag: Die zwei Lifte werden unabhängig von der Ministeriumsantwort heuer in Betrieb gehen, wie die Großglockner Bergbahnen mitteilten. Glücklich über die Lift-Misere ist man auch dort nicht: „Wir wollen fahren, aber wir wollen als Unternehmer auch nicht ins Minus fahren“, sagt Sprecher Franz Xaver Gruber.
Nicht mehr rentabel
Die Logik der Bergbahnen, an denen die Familien Schmidl und Schröcksnadel beteiligt sind: Nach Hotelschließungen und mit weniger Gästebetten sei das Skigebiet nicht mehr rentabel.
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In der Saison 2008/09 nächtigten 160.000 Personen in Heiligenblut. Sogenannte Skier Days (Ersteintritt eines Skifahrers in den Lift pro Tag) gab es 193.000. 2022/23 waren es 100.000 Nächtigungen und 111.500 Ersteintritte. Gruber verstehe, was das Lift-Aus für die Region bedeute, aber man sei selbst „am direktesten betroffen“.
Direkt betroffen sind ebenso die Hoteliers. Wer mit ihnen spricht, hört Sätze wie diese: Man verstehe den Lift, aber Zusperren sei das Schlechteste; verunsicherte Stammgäste würden nicht buchen; man wolle Fakten.
Weil durt auf die Berg ob′m ham′s immer an leiwaund'n Schnee
Fakt ist, dass die Bergbahnen Großglockner schriftlich gegenüber dem KURIER festhalten: „Was die Zukunft der Großglockner Bergbahnen Heiligenblut nach dem heurigen Winter anbelangt, so ist diese mit Stand heute nicht gesichert.“
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Man habe die Mitarbeiter beim AMS-Frühwarnsystem angemeldet, um die „allfällige Schließung der Anlagen nach der heurigen Wintersaison vorzubereiten.“
Erst am Dienstag gab es Gespräche mit dem zuständigen Landesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP). Über den Inhalt schweigt man sich aus.
Im Raum soll stehen, dass es einen potenziellen Käufer für die Lifte gibt.
Der Bürgermeister von Heiligenblut, Martin Lackner (Unabhängige und ÖVP) blickt dennoch positiv in die Zukunft. Kein Skibetrieb in Heiligenblut sei für ihn schlicht unvorstellbar. „Wir haben die Höhenlage und die Schneesicherheit, die Heiligenblut zu einem Zukunftsgebiet machen“, sagt Lackner.
Übrigens: Die Lifte – jene, die heuer fahren – öffnen am Fuße von Österreichs höchstem Berg am 15. Dezember.
Weil Schifoan is des leiwaundste, wos ma si nur vurstelln kann
Kein Einzelfall
Nur 60 Kilometer entfernt von Heiligenblut droht am Ankogel indes das nächste Lift-Aus:
Verlässliche Partner sehen anders aus. Als die Tatry Mountain Resorts (auch Betreiber des Mölltalter Gletschers und der Mutterer Alm in Tirol) vor zwei Jahren ohne Vorankündigung den Liftbetrieb am Kärntner Ankogel einstellte, machte man sich wenig Freunde.
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Nun könnte es für den einzigen Skiberg in Mallnitz noch schlimmer kommen.
Finanzielle Unterstützung gefordert
Kurz vor Beginn der Skisaison hieß es: Ein Weiterbetrieb sei nur mehr mit finanzieller Unterstützung möglich. Gemeinde, Touristiker und Grundstückbesitzer kratzten einige Zehntausend Euro zur Notrettung zusammen. Doch langfristig ist damit gar nichts gelöst. Die Liftanlagen sind veraltet, ein notwendiger Speicherteich fehlt. Die Finanzspritze vor der heurigen Saison bedeutet maximal einen Aufschub.
An einer Lösung für das kommende Jahr arbeite man unter Hochdruck, ist aus der Gemeinde im Nationalpark Hohe Tauern zu vernehmen.
Sanfter Tourismus
Immer wieder fällt dabei auch das Wort sanfter Tourismus. Weg vom Skilift, hin zu Skitouren, Langlaufen und Schneeschuhwandern. Wofür Mallnitz bereits jetzt als Eldorado gilt.
Wie die Realität ohne Lift aussieht, weiß man in der Innerkrems in den Nockbergen. Die Seilbahnbetriebe sind in zwei Insolvenzverfahren verwickelt. In der Saison 2020/21 wurde der Liftbetrieb eingestellt, heuer dürfte nur das Kinderland in Betrieb gehen. 100.000 Euro schoss das Land für den Umstieg zum sanften Tourismus zu.
Namen möglicher Investoren fallen dennoch immer wieder. Ebenso wie Pläne. So sei ein Ausbau von 570 auf 2.200 Betten denkbar. Wie in Heiligenblut gilt auch hier die Formel: Umso mehr Betten, umso besser für das Skigebiet.
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